Eine klangvolle Spur -
die uns in bereichernde Welten führt
Als ich vor ein paar Monaten vom Künstlerhaus Boswil angefragt wurde, das Symposium János Tamás kommunikativ zu unterstützen sowie den Flyer und die Webseite zu gestalten, nahm ich diese Aufgabe mit speziell grosser Dankbarkeit an.
János Tamás, schweizerisch-ungarischer Komponist und Pianist, war während meiner Zeit an der Alten Kantonsschule Aarau mein Klavierlehrer. Es war eine Lebensphase, die altersmässig und umständehalber naturgegeben von sehr vielen Hochs und Tiefs begleitet war. Volatile schulische Leistungen, fragiles Selbstwertgegühl, Liebesglück und Liebesleid, Reibereien mit den Eltern.
Das grundsätzlich allgegenwärtige Gefühl des Nicht-Verstanden-Werdens war einmal pro Woche allerdings inexistent: in der Klavierstunde bei János Tamás. Obwohl ich nur mässig begabt war, widmete er sich meiner Bildung mit bemerkenswerter Hingabe. Nicht, weil er sich das meinetwegen besonders zur Aufgabe gemacht hätte, sondern weil es einfach seine Art war: Weil er alles, was er machte, mit einer Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und einem hingebungsvollen Engagement tat. Egal, was es war. Egal gegenüber wem oder mit wem.
Das war kein gewöhnlicher Lehrer, der neben dem Flügel sass und mich unterrichtete – er war eine Inspiration. Mein eigenes Klavierspiel wurde für mich dennoch zur Nebensache. Am liebsten wär mir gewesen, wenn er selbst jeweils vorgespielt hätte. Zu meinem grossen Bedauern tat er das jedoch so gut wie nie. Nicht mal einzelne Passagen zu Demonstrationszwecken. Viel eher sang er, intonierte stimmlich mit seiner oft etwas heiser klingenden Stimme. Meistens aber beschrieb er, schilderte er, worum es ging. Und das war für mich ein einzigartiger Genuss: Seine Ausführungen, seine fast schon literarisch anmutenden Interpretationen zu Klavierstücken. Er hörte geheimnisvolle Botschaften aus den Harmonien heraus, in die er mich einweihte, er erkannte ungeahnte Gedanken der Komponisten, die in ein Stück hineinverwoben waren, und er schuf in seiner Phantasie neue, eigene Welten. Das faszinierte mich, entführte mich in geistig andere Sphären, bereicherte mich und gab den Klavierstunden eine spezielle Aura – und eine Art Schutz vor der Welt ausserhalb des Klavierzimmers, in die ich dann wieder gestärkt eintreten konnte.
Ob János Tamás aus diesen für mich so magischen Momenten etwas für sich hat schöpfen können und ob er sein Klavierzimmer an der Alten Kantonsschule Aarau auch als Schutz empfunden hat, weiss ich nicht. Was traurigerweise Gewissheit erlangt hat, ist, dass er sich vor 20 Jahren schutzlos fühlte, als er sich entschloss, seinem Leben ein Ende zu setzen.
Lieber János Tamás
"Eine Spur hinterlassen, auf der andere gehen können", haben Sie gegen Ende Ihres Lebens in Ihr Notizbuch notiert. –
Sie haben bedeutende Spuren gelegt. Viele gehen schon darauf. Das bevorstehende Symposium soll bewirken, dass noch mehr diese wertvollen Spuren erkennen und darauf wandeln wollen.
Sie waren gross, János Tamás, und sind es heute noch. Sie haben mir und allen, die Sie gekannt haben, viel gegeben. Dem kann ich als Zeichen meines Dankes nichts Adäquates entgegenhalten. Erlauben Sie mir aber, dass ich Sie als Ausdruck meiner ewigen Wertschätzung auf der Webseite des Symposiums und auf dem Einladungs-Flyer auf Goldgrund gelegt habe.
Herzlich
Lakritza
Judith Niederberger
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