Dienstag, 12. Mai 2015, 18:00 Uhr
Haus der Europäischen Union in Wien
Am 12. Mai 2015 ist der bekannte, österreichische Philosoph, Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist Konrad Paul Liessmann Gesprächsgast von Benedikt Weingartner im Haus der EU.
"Europa ist für mich ein geistiges Prinzip, es ist der Kontinent der Philosophie und der Menschenrechte, der Kontinent der Aufklärung und der Säkularisierung, der Kontinent der Autonomie der Künste und der absoluten Musik. Europa - und dies kann nicht einfach ausgeblendet werden - war aber auch der Kontinent des politischen Nationalismus, der totalitären Utopien und der industrialisierten Menschenvernichtung. Aus diesen Widersprüchen erwächst das Projekt eines neuen Europa. Der Rest ist Bürokratie."
Konrad Paul Liessmann
Aufzeichnung des Gesprächs mit Virginia Ernst moderiert von Benedikt Weingartner
(28. April 2015, Haus der Europäischen Union)
Nachlese
„Europa ist für mich wie eine große Familie, die in einem Haus gemeinsam lebt! Man akzeptiert und respektiert sich, man macht gemeinsame Dinge, löst gemeinsam Probleme und doch hat jeder seine eigene Persönlichkeit, seine eigene Wohnung und seine Privatsphäre!.“ - Virginia Ernst
Cool. Einfach cool. Virginia Ernst hat ein höchst positives Bild von Europa. Ihre Leidenschaft war Eishockey. Der Sport hat mutig gemacht: Mit zarten 17 ist sie nach Schweden gegangen. Schwerstens pubertär. Es war eine lustige Zeit, sie hat kochen gelernt. Bodycheck versus Smørrebrød. Auslandserfahrungen teils skurriler Natur wie in Korea haben Eindrücke hinterlassen. Die Persönliche Freiheit hat einen neuen Stellenwert bekommen. Die sehr spannenden Korea-Impressionen mit übertriebener nationaler Neugierig bis hin auf die Unterwäsche jedenfalls sind nicht jedermanns Sache. Auch wenn es reichlich Überzeugungsarbeit im Elternhaus gebraucht hat, Virginia hat sich den Hockeyschläger gesichert und ist damit in die weite Welt gezogen. Um bei der Musik zu landen. Im Gespräch mit Benedikt Weingartner plaudert die beliebte Songwriterin mit grosser Fangemeinde über Europa, Sport und Musik.
Toleranz und Offenheit?
Benedikt Weingartner bringt beim Thema Toleranz eine Studie über die Toleranz der Österreicher ins Gespräch, es ging um Positionen zu Religion und auch Sexualität. Bei genauer Betrachtung kristallisiert sich ein sehr differenziertes Bild heraus. Selbstbild und Fremdbild haben wenig Ähnlichkeit, man könnte beinahe von ausgesprochener Scheintoleranz sprechen. Virginia Ernst sieht die Sache gänzlich anders. Wenn es funkt, dann funkt es. Sie muss es wissen, und fordert Toleranz. Und prompt kommt die Sprache auf Conchita Wurst, die es erstmals geschafft hat, eine ganze Nation über Nacht tolerant zu machen. Virginia findet sichtlich ihren Gefallen daran, aus der Reihe zu tanzen. Überhaupt, mit Normalität ist es langweilig. Virginia Ernst hat ihren Traum realisiert.
Jugendträume, Ziele und die Realität
Astronaut, LehrerIn, FriseurIn: Es lohnt durchaus, Träume zu verwirklichen. Die dynamische Powerfrau lacht, gerne und oft: Sie selbst sieht sich weniger als Lerntyp, sie hat Hands-On Qualitäten, auch wenn sie das Elternhaus gerne an einer Universität gesehen hätte. Sie schwimmt gerne gegen den Strom, Individualismus macht glücklich. Und unheimlich selbstbewusst. Wie kann ein Fremder wissen, was gut für dich ist? – An dieser Stelle gibt es Lob für das eigene Elternhaus, und dieses kommt aus Herzen. Heile Welt. Heile Familie. Musik macht tolerant. Ein klein wenig Egoismus kann dabei nicht schaden.
„Safes Ding Europa“: Cool!
In Europa passiert selten was, es ist das Sicherste was es überhaupt gibt. Das Haus Europa ist gut geschützt, wir sitzen im Warmen. Was die Dramen rundum betrifft, das kann Virginia nicht nachvollziehen: „Uns geht`s wirklich gut. Es ist unsere Pflicht, Wohlstand zu teilen, anders wäre es unfair und beschissen!“ Solidarität ist wichtig, die Bringschuld Europas kommt ins Gespräch. Der Unterton ist sanft, jedoch nicht zu überhören: Hier scheint es Differenzen zu geben, mit hohlen Worten ist es nicht getan. Überhaupt, mit Radikalismus ist es nicht getan, Manipulationen bilden eine beträchtliche Gefahr für eine ganze Generation. Europa ist relaxed, das sollte Schule machen. Doch es braucht Aufklärung.
Religion als Lebensmodell für ein besseres Leben?
Die unterschiedlichen Modelle und Orientierungen sind geeignet, Ungemach zu verursachen. Das beginnt bereits in Familien, eine weitreichende Desorientierung ist zu vernehmen. Doch auch hier braucht es Toleranz. Idole zu idealisieren kann`s nicht sein, doch halt: Was bitte, ist eigentlich ein Idol? Was die Musik betrifft, Virginia ist Felsenfest davon überzeugt: Musik geht auch ohne Drogen. Es ist sicher nicht einfach, aber es geht. Sich was reinhauen ist eben nicht ihr Stil, doch sie will beweisen, dass Musik auch ohne Zusatzstoffe funktioniert.
Mit Disziplin durch persönliche Krisen
Virginia lacht. Sie kennt auch weniger gute Zeiten. Einsamkeit. Orientierungslosigkeit. Hilflosigkeit. Musik braucht Ausdauer und Disziplin. Beides hat sie im Sport gelernt. Rituale haben einen hohen Stellenwert, es geht um strukturelle Stabilität im Leben. Songschreiben beim Frühstückskaffee, musikalische Intermezzi beim Autofahren und viele Stunden im Studio. Sie produziert tagtäglich, die neue Nummer „KISS“ weckt Frühlingsgefühle und ist eine unverkennbare Aufforderung für Liebe und Zärtlichkeit. Virginia findet, dass „zu wenig geschmust wird heute“ – und lacht. Tränen kommen lediglich angesichts der Downloadzahlen: Speziell die illegalen Sauger drücken aufs Gemüt, mit dem Urheberrecht braucht`s eine andere Lösung sprich regulative Schritte. Auch Künstler haben Rechte.
Tolerieren. Respektieren. Zusammenhalt. Und möglichst keine Kriege. Virginias Wünsche für die Zukunft sind klar definiert und gut überschaubar. COOL.
Text & Fotos: Thomas Winkler / Press-Media Syndicate
Wir danken Press-Media Syndicate für den zur Verfügung gestellten Text.
Eine Nachlese früherer Gespräche unserer Gesprächsreihe finden Sie hier.
Terminvorschau
Europa : DIALOG mit ...
Kulturpolitische Gespräche
im Haus der Europäischen Union in Wien
Die Podiumsgespräche Europa : DIALOG mit ... befassen sich mit Europa als Kulturprojekt und hinterfragen unserer Identität.
Sind wir bereits in Europa angekommen?
Gibt es ein europäisches Kulturbewusstsein - Einheit in der Vielfalt?
"Europa eine Seele geben", forderte einst Jacques Delors, denn in einen Binnenmarkt könne man sich nicht verlieben.