Seit vergangenem Jahr ist der SZ-Kollege und Schalke-Fan Johannes Kuhn als Korrespondent in San Francisco. Er schreibt für die Süddeutsche Zeitung über das Silicon Valley - und seit kurzem verschickt er einen sehr lesenswerten Newsletter (den ich dringend empfehlen möchte!), der "Best Coast" heißt und in seiner jüngsten Folge vom Konzept "Instant Articles" bei Facebook handelt. Ich habe ihn dazu befragt:
An dem Tag als Facebook das Konzept "Instant Articles" vorgestellt hat, warst du in der Facebook-Zentrale. Ging es auch um "Instant Articles"?
Ich war mit einer Gruppe Journalisten zufällig dort, der Termin mit dem Team von Instant Articles wurde kurzfristig eingeschoben. Unter anderem waren Justin Osofsky dabei, der die Plattform-Partnerschaften verantwortet, und Mike Matas, der Design-Lead, vielleicht einer der besten in Mobile. Das ist kein Kaffeekränzchen mit netten Anekdoten, sondern Du sitzt in einem Meeting-Raum mit mattem Oberlicht in dieser gigantischen neuen Zentrale, die eine Art Fabrikhalle für Computer-Arbeiter mit Park und Bäumen auf dem Dach ist. Ein bisschen Produkt-Vorführung, ein bisschen Cheerleading, ein paar Fragen. Interessant fand ich, dass die Entwicklung schon seit neun Monaten lief und Zuckerberg die Designs bis aufs Kleinste aktiv bestimmt hat, solche Sachen wie Bild- und Werbeelement-Größen. Fast schon unfreiwillig komisch war, als Mike Matas ganz angetan meinte „Wir haben User-Tests gemacht und die Menschen wissen gar nicht, dass sie noch auf Facebook sind.“ Das ist natürlich der Zweck der Übung, aber auch leicht gruselig.
In Deinem Newsletter schreibst Du, dass es einigen Leuten bei FB vielleicht wirklich um Journalismus geht. Wie kommst Du darauf?
Natürlich machen sich die Tech-Arbeiter - gerade die mit etwas Lebenserfahrung - Gedanken darüber, wie eine Gesellschaft informierte Entscheidungen treffen kann. Die politische Spaltung, die in den USA zu zwei separaten Realitäten geführt hat, kannst Du auch in Kalifornien nicht ausblenden. Zugleich zerschmilzt der Journalismus gerade in diesem Konzept von "Content“, das am Ende für alles steht, mit dem sich Menschen digital beschäftigen können. Auf der South-by-Southwest wurden sogar Roboter als "neue Content-Plattformen“ bezeichnet - der Inhalt ist die Interaktion mit dem Nutzer.
Auf einer organisatorischen Ebene geht es aber nur um den klassischen Content und darum, dass das Netzwerk ihn vermarkten will, oder?
So ist es, das ist nun einmal, was Facebook macht. Die Dimension dahinter ist keine moralische, auch wenn die deutsche Debatte manchmal in die Richtung geht, sondern die des künftigen Ökosystems für mobile Werbung.
Was hältst Du selber von der Idee "Instant Articles“?
In gewisser Weise erinnert es mich an AOL, aber handwerklich macht Facebook das gut. Was mich nervt ist diese konstruierte Prämisse, dass Webseiten mit mehr als fünf Sekunden Ladezeit inakzeptabel sind. Das ist lächerlich.Ich weiß aber gar nicht, ob wir in einem Jahr noch von Instant Articles reden werden - Facebook funktioniert über Trial & Error und fährt damit gerade ganz gut.
Ist es eigentlich ein blinder Fleck meiner eigenen Timeline oder geht es Dir das auch so, dass in FB nur äußerst selten relevante Gedanken entwickelt werden? Niemand, dem ich folge, entwickelt in FB auf die Art und Weise Ideen, wie ich das in Tumblr oder vor allem in Medium sehe. Könnte sich das durch Instant Articles ändern?
Ich kann mir eine Öffnung von Instant Articles für Autoren, Blogger oder Nutzer vorstellen, allerdings ist das für Facebook derzeit wahrscheinlich uninteressant. Im Moment ist es eher so, dass Medium diese Status-Updates mit zwei, drei Absätzen gerne bei sich sehen würde. Gute Gedanken entstehen meist in Diskussionen, aber auf Facebook hat sich eher eine Plauder-Kultur herausgebildet. Und warum auch nicht, der Reiz für die meisten Menschen liegt weiterhin in der Nähe zu den Freunden und Bekannten, mit denen sie dort interagieren.
Und wie geht es weiter mit dem FC Schalke?
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