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"Until now, we’ve largely provided lightly customised versions of radio programmes as podcasts [...]" 


- Bob Shennan, Director of Radio & Music @ BBC


"[...] But now we're taking the next step to make sure that we also cater for those who like brilliant audio content but might not currently have a radio habit."
Die BBC denkt um. So wie NPR schon länger umdenkt. Die großen Radiosender stellen die Weichen. Ja, wofür eigentlich?

Für neue Hör-Formen? Für neue HörerInnen? Für neue Plattformen und Medien? Einfach nur: Für die Audio-Zukunft?

Jedenfalls scheinen Podcasts für all das relevant zu sein. Ab Januar 2018 startet die BBC erste Podcast-first-Formate. Und hat schon jetzt einen kuratierten Feed dafür: 'Podcasting House'.
Und damit: Hallo zur 9. Newsletter-Ausgabe von Hören/Sagen!
Ausgabe 9
 
- iTunes & Podcast-Neustarts: Woran messen wir Erfolg?
- Hör-Tipp: 'If / Then' by Slate Magazine
- Links: BBC Podcasting House, Podcast Super Listeners, Crooked Media als das linke Talk-Radio
Im letzten Newsletter schrieb ich angesichts der vielen Podcast-Neustarts:

"Währenddessen gewöhne ich mich an die 'Wow, wir sind auf Platz X bei iTunes'-Tweets aus allen Richtungen und streiche mir das Thema 'iTunes-Charts als Indikator' einmal mehr auf der Ideenliste an."

2017 war gefühlt das Jahr der Podcast-Neustarts. (Oder wir müssen uns von nun an doch an einen neuen, höheren Neuerscheinungs-Rhythmus gewöhnen) Nur um ein paar größere Einschläge in der deutschen Landschaft aus diesem Jahr aufzuzählen: 'Stimmenfang' (und drei weitere SPON-Podcasts), 'Was jetzt' (und zwei weitere ZON-Podcasts), 'Der Tag' vom Deutschlandfunk (Wie immer, full disclosure: Ich arbeite beim Deutschlandradio), 'Das Thema' von der Süddeutschen Zeitung. Und dann waren da ja noch die internationalen Starts wie 'S-Town' von Serial Productions, 'The Daily' von der New York Times, 'Up First' von NPR...

(Wahnsinn, dass das alles nur Monate her ist. Die Zeit vor 'S-Town' und 'The Daily' fühlt sich wie eine andere Zeitrechnung an, "Wir hatten ja nichts, früher, im dunklen Podcast-Mittelalter...")

Und viele, viele, viele mehr. Zu fast jedem dieser Neustarts gehört eben auch der euphorische Tweet über die eigene iTunes-Platzierung. So weit, so nachvollziehbar. Dagegen habe ich auch nichts einzuwenden. Mich stört jedoch, wie viel Bedeutung der iTunes-Chart-Platzierung bei der internen wie externen Beurteilung von Podcasts zugesprochen wird.

Diese Kritik dürfte 'Hot Pod'-LeserInnen und langjährigen Podcast-VerfolgerInnen nicht neu sein. Angesichts der vielen Neustarts in diesem Jahr finde ich es aber legitim und notwendig, das Thema nochmal aufzugreifen.

Aber 'Apple Podcasts' (formerly known as iTunes Podcasts) ist doch wichtig?!

Ja, eine Spitzenplatzierung erhöht die Chance, entdeckt zu werden. Das liegt aber vor allem daran, dass die Entdeckbarkeit bei Podcasts außerhalb von iTunes nach wie vor vollkommen unterentwickelt ist - sowohl technisch als auch bei der Nutzer-Akzeptanz und der tatsächlichen Nutzung. Ja, auch eine Empfehlung auf dem Startbildschirm von iTunes entscheidet potenziell immer noch über hunderte zusätzliche Abrufe sowie Abonnenten.

ABER wir müssen uns immer wieder vor Augen führen: Wie der Facebook-Algorithmus sind auch die iTunes-Charts komplett intransparent: Wir wissen zwar, dass Downloads/Hörerzahlen, die Menge der Neu-Abonnenten, die Anzahl der Bewertungen sowie der in sozialen Netzwerken geteilte Links irgendwie eine Rolle für die Platzierung spielen. IRGENDWIE. Aber die 'Apple Podcast'-Charts sind letztendlich eine Blackbox wie der Facebook-Algorithmus.

Gut, aber es funktioniert doch trotzdem gut - bei Facebook und bei iTunes...

Ja, und da sind wir selber dran schuld, dass sich nichts ändert. Man darf nicht vergessen: Apple hat ein Eigen-Interesse, dass es genau dabei bleibt. Dass die Charts weiterhin möglichst wenig nachvollziehbar bleiben. Es ist im Interesse von Apple, eben nicht auf von außen nachvollziehbare und messbare Einzelwerte zu setzen.

Wenn in den iTunes-Top10-Podcasts ständig die selben Download-Giganten hängen würden, dann hätten die Charts keinerlei Relevanz mehr als der bisher einzige etablierte Entdeckungsmechanismus für das Medium Podcast. Es ist im Interesse von Apple, Neustarts in den Charts enorm zu bevorzugen, um für möglichst viel Abwechslung und Überraschung zu sorgen. Dafür zu sorgen, dass wir wöchentlich die Top50/100 auf Underdogs und Newcomer checken. Dafür zu sorgen, dass alle PodcasterInnen in dieser Chart-Lotterie mitspielen, um selber mal den Lottogewinn 'Platz 1 bei iTunes' für wenige Tage oder Wochen innezuhaben und dieses Gütesiegel für das eigene Marketing nutzen zu können.

Und an dieser Lotterie hat sich seit Jahren nichts getan, wie die New York Times letztes Jahr berichtete: Podcasts Surge, but Producers Fear Apple isn't listening. Oder wie schon 2012 (!) das Nieman Lab schrieb: The iTunes effect, seven years later: Podcasting in a world where Apple is kingmaker.

Was ist die Alternative?

In dieser Woche haben sich in Schweden einige Podcast-Akteure auf ein paar Standards bei den Podcast-Messgrößen geeinigt, beteiligt ist auch das öffentlich-rechtliche 'Sveriges Radio'. Die Standards an sich wirken langweilig (Hey, es sind Standards...). Trotzdem möchte ich ein paar interessante Ideen und Fakten aus Schweden hervorheben:
  • "For the purpose of this paper Podcast is defined as all editorial audio content that can be consumed On Demand, including audio productions that have been distributed via radio as well as productions exclusively distributed On Demand."

    --> Eine interessante, weil sehr weite Definition: "all editorial audio content that can be consumed On Demand"
     
  • "When measuring podcast downloads and/or starts one cannot look at the raw number of request to the server. Like all digital measurements there is always a risk that request are done by non-human traffic."

    --> Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, aber hier nochmal zum Mitschreiben: Abrufzahlen. Allein. Sind. Nicht. Alles.
     
  • "Swedish podcast listening has grown with 36% during the last two years and now amounts to 1,6 million Swedes weekly (20%) and 3,3 million Swedes monthly (40%). Unique podcast content not published on radio has the fastest growth with 62% during this period."

    --> Zahlen aus einem Land, in dem Radio doch eine andere Relevanz als in Deutschland hat.
     
  • "The most common form of accessing a podcast in Sweden is downloading the file during listening"

    "Downloading is widely used in countries with limited or expensive mobile data, since users want to download content before they go out of home. This behaviour has been in steady decline in Sweden which probably derives from the commoditization of mobile data.

    --> So viel zu den Themen: 'Mobiles Internet in Deutschland' und 'Downloaden, um auch offline zu hören'
Die Idee für standardisierte Messgrößen ist nicht neu - gerade in den USA gibt es zahlreiche Initiativen, über die Nick Quah im Newsletter 'Hot Pod' regelmäßig berichtet. Bemerkenswert finde ich den Schritt in Schweden, weil mit 'Sveriges Radio' ein öffentlich-rechtlicher Akteur daran beteiligt ist - so wie NPR in den USA an der Podtrac-Messung teilnimmt.

Der Punkt, den ich machen will: Könnten sich nicht die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hierzulande mit anderen Podcast-Akteuren zusammentun und sich auf gemeinsame Standards einigen? Vielleicht sogar, um nachvollziehbare deutschsprachige Charts für Podcasts zu schaffen? Um das Entdeckungsproblem bei Podcasts zu lösen, was auch in ihrem ur-eigenem Interesse wäre? Oder wollen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten doch lieber weiter in der Chart-Lotterie von Apple mitspielen und kurzfristige Eigen-Erfolge über die langfristige Entwicklung des Mediums stellen?

Und überhaupt: Sollten wir nicht ohnehin das Schaffen von treuen Hörerschaften (Stichwort: Community Building) stärker gewichten als diesen ganzen Zahlenfetisch um un-persönliche Downloads, Abrufe und Charts? Sonst landen Podcasts irgendwann noch da, wo sich der Journalismus online schon einmal hinverlaufen hat: In der Klick-Hölle, in der Abrufe allein über die Relevanz entscheiden. Das kann keiner wollen.
Apple hat ein Eigen-Interesse, dass die Podcast-Charts weiterhin möglichst wenig nachvollziehbar sind. 

Wenn in den iTunes-Top10-Podcasts ständig die selben absoluten Download-Giganten hängen würden, dann hätten die Charts keinerlei Relevanz mehr - als der bisher einzige etablierte Entdeckungsmechanismus für das Medium.

Es ist im Interesse von Apple, dass alle PodcasterInnen in dieser Chart-Lotterie mitspielen, nur um selber mal den Lottogewinn 'Platz 1 bei iTunes' für wenige Tage oder Wochen innezuhaben. 
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HÖRTIPP
Zugegeben, Talk-Formate haben es bei mir sehr schwer.

Faustregel: Je mehr Mikrofone/TeilnehmerInnen im Podcast, umso schwerer fällt es mir, dran zu bleiben oder überhaupt einzusteigen. In der Regel sind mir solche Podcasts zu lang, was weniger mit der absoluten Minutenzahl der Episode zu tun hat, sondern viel mehr damit, ob und wie die Zeit der HörerInnen tatsächlich gewertschätzt wird. Das kann für mich eine erkennbare Struktur des Gesprächs sein, das kann die Art und Weise, wie gesprochen wird, wer spricht, worüber gesprochen wird. Lauter subjektive Befindlichkeiten, I know. Aber je größer die Runde, desto höher ist aus meiner Sicht das Risiko, dass sich die PodcasterInnen für sich und nicht für das Publikum unterhalten.

'If / Then' ist ein neuer wöchentlicher Podcast von Slate, der für mich viele dieser Kästchen abhakt. Wöchentlich unterhalten sich zwei Hosts: Will Oremus (@willoremus) von Slate - für mich einer der aufmerksamsten & kritischsten Medien-/Technik-Beobachter - und April Glaser (@aprilaser), die ebenfalls bei Slate kritisch über die Silicon-Valley-Giganten, (Netz-)Politik und die Alt-Right in den USA berichtet. 'If / Then' ist eine Art Wochenrückblick, der aber die Netz-Meldungen der vergangen Tage pointiert in deutlich größere Zusammenhänge einordnet. 'If / Then' ist dabei nur noch im weiteren Sinne ein Tech- und erst recht kein Nerd-Podcast.

Der Ton ist Slate-typisch locker, die Dynamik zwischen den beiden Hosts ist nach vier Folgen allerdings noch ausbaufähig - inhaltlich trifft der Podcast für mich allerdings schon jetzt in's Schwarze, wenn er auch mit roundabout 40 Minuten etwas kürzer sein könnte. Lieblingspart: Die Rubrik 'Don't close my tabs' jeweils am Ende: Beide Hosts reden über diejenigen Links, die sie in der vergangenen Woche gerne gelesen haben und nicht schließen konnten.

Website: http://www.slate.com/articles/podcasts/if_then.html
iTunes: https://itunes.apple.com/de/podcast/slates-if-then/id1302281912?mt=2
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