Prognosen im beginnenden Zeitalter von KI
Die WM 2018 ist Geschichte und hat mit Frankreich einen neuen Fußballweltmeister, der am vergangenen Sonntag den begehrten Pokal holte. Dass Kroatien im Finale stehen würde, hatten zu Beginn der WM sicher nur wenige erwartet — eine der großen Überraschungen des Turniers.
Aber nicht nur tatsächliche und selbsternannte Fußballexperten tippten falsch. Auch etliche Rechenmodelle, die mit Unmengen von statistischen Daten gefüttert wurden, lagen mit ihren Prognosen fürs Finale ziemlich daneben.
So versuchten einige der großen Investmentbanken, die Leistungsfähigkeit ihrer Rechenmodelle unter Beweis zu stellen, indem sie den Weltmeister 2018 schon vor der WM »errechnen« lassen wollten.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs etwa verkündete zu Beginn der Weltmeisterschaft, dass man die eigenen Rechner mit Millionen statistischer Daten gefüttert und per Machine Learning in die Lage versetzt habe, das Turnier in zig Varianten durchzuspielen. Der kommende Weltmeister, so Goldman Sachs damals, heiße Brasilien, das Finale werde mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen Deutschland ausgetragen.
Nun war bislang keine andere Fußballnationalmannschaft der Welt häufiger Weltmeister als Brasilien: Der eine oder andere wäre also vielleicht auch in der Lage gewesen, ohne ein aufwändiges Rechenexperiment Brasilien als wahrscheinlichen Weltmeister zu prognostizieren. Den bis vor kurzem amtierenden Fußballweltmeister Deutschland als Finalteilnehmer in Betracht zu ziehen, scheint nach den bisher vier WM-Titelgewinnen und acht Finalteilnahmen deutscher Nationalteams, eventuell auch ohne aufwändige Rechenpower denkbar.
Es kam aber, wie wir alle wissen, dann schon während der Vorrunde ganz anders. Nach den ersten Spielen rechnete Goldman Sachs also erneut und kam zu diesem Zeitpunkt erneut auf Brasilien als Weltmeister und England als Finalpartner.
Nach der Vorrunde verkündete Goldman Sachs dann die nächste Prognose: Weltmeister werde Brasilien, zweiter werde Kroatien. Immerhin näherte sich die Prognose in dieser Phase schon teilweise der Realität an, allerdings hatte die Anzahl der Möglichkeiten zu diesem Zeitpunkt auch schon deutlich abgenommen.
Eine Simulation der Schweizer UBS kam übrigens auf Deutschland als Weltmeister – ebenso wie auch eine Analyse der Commerzbank.
Dass ausgerechnet Finanzunternehmen mit ihren WM-Prognosen derart versagen, sollte vielleicht zu denken geben, denn andere Vorhersagen aus diesen Quellen werden all zu oft für bare Münze genommen. Und zumindest bei den WM-Prognosen haben es auch massive Rechenpower, Machine Learning und künstliche Intelligenz ganz offensichtlich nicht geschafft, korrekte Ergebnisse vorherzusagen.
Auch in anderen Bereichen bleiben Zweifel: Wetterprognosen beziehen in ihre Berechnungen immer mehr Daten ein. Aber haben Sie den Eindruck, die Vorhersagen würden öfter und genauer zutreffen?
Experten mögen einwenden, dass noch leistungsfähigere Rechner, etwa Quantencomputer, es in Zukunft erlauben werden, noch viel mehr Parameter noch schneller zu verarbeiten — und somit immer genauer zu werden.
Aktuell sind wir davon aber ganz offenbar noch ein ganzes Stück entfernt. Und das kann durchaus auch eine beruhigende Komponente haben.
Sie werden sehen.
Christine Gebhard, Gerd Voigt-Müller