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Entschleunigung: So wird Langsamkeit zur Stärke

Von Rainer Wälde am 27.09.2018 um 03:00

Der Stress im Job nimmt zu: Die Beschleunigung, immer erreichbar zu sein, gleichzeitig auf unterschiedlichen Kanälen zeigt Folgen: 30% der Beschäftigten fühlen sich ausgelaugt. 560 Millionen Fehltage zählt die Statistik 2017 in deutschen Unternehmen. Immer mehr Mitarbeitern und auch Chefs wird deutlich: So kann es nicht weitergehen!

Entschleunigung

Foto: shutterstock

Wenn das Tempo immer höher wird

Alle 18 Monate verdoppelt sich die Leistungsfähigkeit von Computern, doch Hand aufs Herz: Wer kommt bei diesem Tempo wirklich noch mit? Ich selbst bin ein „Early Ad0pter“, technisch sehr interessiert und vielen Innovationen aufgeschlossen.

Doch diese permanente Beschleunigung löst bei mir das Gefühl einer Zentrifuge aus: Mit steigendem Tempo werde ich an den Rand katapultiert. Von daher kann ich jeden verstehen, der zu Fluchttendenzen neigt.

Bereits seit einigen Jahren weigere ich mich, im Urlaub meine beruflichen Mails zu lesen und auch das Handy bleibt bewußt aus. Für dieses Verhalten bekomme ich von Unternehmerkollegen mitunter ein Stirnrunzeln oder einen kritischen Kontakt. Doch für mich ist das eine Überlebensstrategie.

Erste Entschleunigungsregion in Deutschland

Am Montag habe ich im nordhessischen Bad Wildungen viele Gleichgesinnte getroffen: Auf Einladung des Tourismusverbandes GrimmHeimat trafen sich 100 Akteure aus der Region, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln: Nordhessen will die erste Entschleunigungsregion in Deutschland werden.

„Wie kann man Erschöpfung und Krankheit vorbeugen“ war eines der zentralen Themen bei dieser Auftaktveranstaltung. Die beiden Moderatoren Ulrike Reisch und Markus Exner stellten innovative Ansätze vor, um über Entschleunigung – beruflich und privat – neu nachzudenken.

In den kommenden 12 Monaten treffen sich unterschiedliche Arbeitsgruppen, die aus Tourismus, Gesundheitswesen, Firmen und Kreativwirtschaft bunt gemischt sind, um neue Konzepte zu entwickeln. Ich selbst werde mich an dem Thema „Sinnsucher“ beteiligen, das seit zwei Jahren auch ein zentrales Thema unserer Gutshof Akademie ist.

Die Langsamkeit des ländlichen Raums

Unabhängig von der GrimmHeimat ist am Montag zeitgleich ein Netzwerk gestartet, in dem meine Frau Ilona und ich von Anfang an mitarbeiten: „Die HOMEberger“ heißt diese Plattform, die erst wenige Stunden online ist.

Unsere neue Initiative will die Wahrnehmung Nordhessens auf den Kopf stellen und die Menschen mit auf eine Reise in eine nachhaltige und zukunftsoptimistische Region nehmen. Als größte Stärke Nordhessens erkennen die 20 beteiligten Unternehmer ausgerechnet die Langsamkeit des ländlichen Raums.

Zu den 20 Akteuren zählen auch die beiden Smartphone-Neudenker Carsten und Samuel Waldeck, die mit ihrem Shiftphone ein nachhaltiges Produkt erfolgreich auf den Markt gebracht haben.

Je kurviger, desto langsamer

Viele Besucher, die zu uns auf den Gutshof kommen, beschreiben eine ganz praktische Form der Entschleunigung: Obwohl wir durch die drei Autobahnen und IC gut in der Mitte Deutschlands erreichbar sind, beginnt direkt nach der Ausfahrt ein Prozess des Runterschaltens.

Durch die hügelige Landschaft und die weiten Wälder schalten Auto und Psyche auf Entschleunigung. Die Straßen werden kurviger und enger, jetzt muss ganz automatisch das Tempo gedrosselt werden.

In unserer gemeinsamen Pressemeldung beschreiben wir HOMEberger das so: „Sollte die Abgeschiedenheit der Region jemals ein Nachteil Nordhessens gewesen sein, wurde daraus mit den Trends hin zu Entschleunigung und Rückbesinnung auf den Wert von Natur ein bedeutender Vorteil, der nur entdeckt werden muss.“

Nordhessen biete den idealen Nährboden für besonders kreative und nachhaltige Ideen. Das zeigen auch die kleinen und großen Geschichten der Unternehmer, die aus der Region heraus überregionale Strahlkraft entwickelt haben.

Entschleunigung als Nährboden für Innovation

„In der Ruhe liegt die Kraft“, sagt der Volksmund und ganz offensichtlich wachsen in einer entschleunigten Region auch innovative Ideen. „Pottering Time“ nennen unsere Freunde aus Nordengland diesen Prozess, den wir in unserem Sabbatical vor 10 Jahren dort zum ersten Mal kennengelernt haben.

In jedem Arbeitstag hatten sie von 12 bis 13 Uhr eine kreative Auszeit eingeplant, um Zeit zum Pflanzen zu haben. Wer wollte konnte sprichwörtlich in den Garten gehen, um Beete zu hegen und neue Pflanzen einzugraben. Doch mit „Pottering Time“ war die tägliche Entschleunigung gemeint.

Lass alle Routinearbeiten für eine Stunde brach liegen, um neue Ideen zu kreieren: Male ein Bild, lese ein Buch, nutze die Zeit für einen Spaziergang oder setz dich einfach auf eine Bank und lasse die Seele baumeln. In dieser scheinbar verschwendeten Zeit liegt der Nährboden für neue Ideen.

Ilona und ich haben dieses Modell über mehrere Monate selbst getestet und in unserem Alltag diese „Pottering Time“ eingebaut. Nach unserer Erfahrung haben wir in der gekürzten Arbeitszeit deutlich effektiver und konzentrierter gearbeitet.

Das Netzwerk der entschleunigten Städte

Unsere Kreisstadt Homberg bewirbt sich zur Zeit als „Cittaslow“. Weltweit zählt das Netzwerk mittlerweile 228 Städte und Gemeinden in 30 Ländern. Alle Citaslows teilen die Überzeugung, dass die Wiederentdeckung der Natur und Langsamkeit eine besonders hohe Lebensqualität möglich machen.

Wir sind mit unserer Initiative „HOMEberger“ ein Teil der Bewerbung und sehr gespannt auf die Erfahrungen, die wir in den kommenden Monaten und Jahren sammeln werden.

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