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Behavioral Economics News
#Experimentability

Oktober 2018

Guten Tag


Die meisten von uns haben von Kindheit an gelernt, dass es am besten ist sich anzupassen. Sich in den Status quo einzufügen, sich an den Meinungen und Verhaltensweisen anderer zu orientieren und bevorzugt Informationen zu suchen, die eigene Ansichten untermauern.

Diese Tendenz zum Konformismus hat viele negative Auswirkungen. Wir sind im Beruf weniger engagiert, unsere Produktivität sinkt, wir haben keine neuen Ideen mehr. Für Unternehmen ist ein solchen Verhalten fatal, insbesondere in der digitalisierten Welt mit ihren schnellen Innovationszyklen und ihrem enormen Innovationsdruck. 

Francesca Gino, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Harvard Business School und Autorin des Buchs «Rebel Talent: Why It Pays to Break the Rules at Work and in Life», hat viel zu diesem Thema geforscht, und dabei herausgefunden, dass Unternehmen tendenziell Mitarbeiter und Führungskräfte dazu anregen, ihre authentische, widersprüchliche Identität hinter einer Fassade des Konformismus zu verbergen.

Dabei wäre das Gegenteil wichtig. «Konstruktiver Nonkonformismus», wie Francesca es nennt, ist für Unternehmen ein essenzieller Faktor zum Erfolg. Er ist die Grundvoraussetzung, um die zahlreichen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Vor allem der Umgang mit dem Thema Künstliche Intelligenz, von Gartner kürzlich im «Hype Cycle for Emerging Technologies» zum Mega-Trend ausgerufen, braucht frische Ideen, die schnell zur Marktreife gelangen.

Nur wie löst man die in vielen Unternehmenskulturen so tief verwurzelte Tendenz zum Status quo auf?

Es braucht einen Rahmen, um das Potenzial des konstruktiven Nonkonformismus zu nutzen. Eine Kultur des systematischen Experimentierens ist genau das. Rebel Talents brauchen Experimentability, damit sich Ideen systematisch in evidenzbasierte Prototypen verwandeln – und Experimentability braucht Rebel Leaders, die sie fordern und fördern.

In diesem Sinne freue ich mich schon besonders auf Francescas Talk bei der Academy of Behavioral Economics («Bessere Entscheidungen im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz», 30. Januar 2019). Drei weitere Insights aus Ihrer Forschung habe ich weiter unten zusammengestellt.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche – machen Sie einfach einmal etwas anders.

Gerhard Fehr
CEO & Executive Behavioral Designer 
FehrAdvice & Partners AG, Zürich

P.S.: Wenn Sie eine Frage an mich haben, dann klicken Sie einfach den Button unten. Ich freue mich schon Ihnen zu antworten.

IHRE FRAGE AN MICH
3 Behavioral Insights von Francesca Gino

Wie man Behavioral Economics nicht in der Praxis implementieren sollte – und wie man es richtig macht

Verhaltensökonomische Applikationen werden heute von vielen Organisationen angewandt, um die Entscheidungen von Menschen zu beeinflussen. Das kann im Sinne der Betroffenen sein – aber das kann natürlich auch gegen sie verwendet werden.

So wie zum Beispiel beim Fahrdienst Uber, wie die New York Times vor einem guten Jahr aufdeckte. Mit Nudges wurden Uber-Fahrer dazu angeregt, weitere Fahrten anzunehmen. Konkret warnte Uber etwa die Fahrer immer dann, wenn sie sich abmelden wollten, dass sie so ein für sie wertvolles Ziel nicht erreichen. Und es bot bereits vor Abschluss der aktuellen Fahrt die nächste an. Weil Menschen tendenziell Ziele erreichen wollen, hielt Uber damit viele Fahrer länger auf der Strasse. Die Preise sanken – und damit auch die Einkünfte der Fahrer.

Das, schreibt Francesca Gino in Reaktion darauf, ist ein gutes Beispiel, wie man das evidente Wissen zum menschlichen Entscheidungsverhalten nicht anwenden sollte. Um gute von schlechten Nudges zu unterscheiden, empfiehlt Gino eine einfache Frage: Werden die Nudges zum Nutzen beider Parteien eingesetzt oder schaffen sie Vorteile für die eine Seite und Kosten für die andere?

«Wenn ein Unternehmen und seine Mitarbeiter unterschiedliche Interessen haben, kann das Unternehmen seine Mitarbeiter ausbeuten, wie es Uber zu tun scheint. Aber es gibt auch Situationen, in denen die Interessen übereinstimmen. Ein Unternehmen profitiert von mehr Leistung und Motivation, aber auch die Mitarbeiter profitieren davon, weil sie mit ihrer Arbeit zufriedener sind. Und genau hier sehe ich grosses Potenzial in der Anwendung der Verhaltensökonomie in Unternehmen: indem wir echte Win-win-Situationen schaffen.»

Francesca Gino: Uber Shows How Not to Apply Behavioral Economics

★★

Warum es so schwer ist, gegen toxisches Verhalten aufzustehen

Vor einem Jahr, im Oktober 2017, verbreitete sich zum ersten Mal der Hashtag #MeToo in sozialen Netzwerken. Er ermutigte Frauen, über ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung und sexuellen Übergriffen zu sprechen. Seither fanden viele Betroffene den Mut, gegen Diskriminierung und sexuelle Belästigung aufzustehen. Der Hashtag schuf eine Verbindung mit anderen Opfern. Und gemeinsame negative Erfahrungen können zu Mut und selbstlosem Verhalten inspirieren.

Sie bringen Menschen dazu, gegen Ungerechtigkeiten zu rebellieren, wie Francesca Gino in «Why It’s So Hard to Speak Up Against a Toxic Culture» schreibt. Und das sei auch wichtig, denn oft herrscht in Gesellschaften und Unternehmen eine toxische Kultur, was das Ansprechen von ungerechten Verhältnissen betrifft.

Die Forschung hilft zu verstehen, warum Menschen in einigen Situationen sprechen und in anderen nicht. Die Infragestellung des Status quo gefährdet den Status von Menschen und ihre Beziehungen zu Vorgesetzten und Mitarbeitern, wie Studien zeigen. Es kann auch zu einer negativen Leistungsbewertung, unerwünschten Arbeitsaufträgen oder sogar zur Kündigung führen. Und die meisten Menschen sind sich dieser potenziellen Kosten bewusst – und halten lieber den Mund.

Die Lehren aus diesen Erkenntnissen sind für Gino klar: Insbesondere Unternehmen müssen Mitarbeitern vermitteln, dass sie geschützt und geschätzt werden, wenn sie Missstände aufzeigen, und dass diejenigen, die sich toxisch verhalten, mit Konsequenzen zu rechnen haben – auch im Top-Management.

Francesca Gino: Why It’s So Hard to Speak Up Against a Toxic Culture

★★★

Je früher am Tag, desto besser die Entscheidung

Oft sind es scheinbar kleine Faktoren, die einen grossen Einfluss auf unsere Entscheidungen haben. Einer davon ist der Zeitpunkt der Entscheidung, wie Francesca Gino gemeinsam mit Hans Henrik Sievertsen und Marco Piovesan in einer sehr spannenden Arbeit zeigen konnte. Auf der Basis von Testdaten von 8- bis 15-jährigen Kindern in dänischen öffentlichen Schulen in zwei Jahrgängen konnten sie den Einfluss von Tageszeit und Pausen auf die Leistung der Schüler bei standardisierten Tests messen.

Die Ergebnisse: 

  1. Je später am Tag, an dem die Zeit des Tests war, desto schlechter war die Durchschnittsleistung der Schüler bei dem Test.
  2. Pausen führten zu einer deutlichen Leistungssteigerung.
  3. Die Wirkung von Tageszeit und Pausen war nicht für alle Schüler gleich. Leistungsschwache Schüler profitierten überproportional von Pausen (und auch von der Tageszeit, zu der der Test durchgeführt wurde) im Vergleich zu leistungsstarken Schülern.

Die Lehren daraus sind einfach: Machen Sie öfter Pausen – und treffen Sie wichtige Entscheidungen früh am Tag.

Francesca Gino: Don’t Make Important Decisions Late in the Day

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Save the date!
30. Januar 2019
Academy of Behavioral Economics 2019
Bessere Entscheidungen im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz
Digitale Technologien prägen nicht nur ganze Wirtschaftszweige und Geschäftsmodelle, sondern verändern auch das menschliche Verhalten. Neue Technologien erfordern neue Fähigkeiten und neue Denkmuster. Aber wie können Unternehmen ihre Mitarbeitenden auf den Umbruch vorbereiten? Wie verändern sich Konsum, Compliance und das Miteinander?

Seit Jahren beschäftigt sich die verhaltensökonomische Forschung mit diesen Fragen. An der Academy of Behavioral Economics 2019 erfahren Sie, wie sie uns während der technologischen Revolution unterstützen kann.
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