Carsten "Erobique" Meyer: Tatortreiniger Soundtracks [aSexy LP/CD] (ab Freitag bei uns!)
Warten. Gemeinsam alt werden und auf ein »Erobique«-Album warten. Sich den Arm beim Griff zur Schnabeltasse auskugeln und warten. Trap abwarten, auf den Schnitter warten, warten bis das NDR-Radio besser wird oder bis man sich geschmacklich nach unten angepasst hat. All das ist Quatsch, denn da hatte einer noch was in der Hinterhand. Welch einen Irrsinn hat Carsten Meyer da komponiert und zwar vollkommen auskomponiert - für eine Fernseh-Serie! Dort, wo man sonst lieblose Illustrations-Pingpangpongs und mutlose »Bemerkmichbittenicht«-»Cues« hört geht eine musikalische Wonne auf, wie man sie nur aus den großen Zeiten der noch größeren Soundtrack-Komponisten hört. Nicht so bei der einzigen wahrhaft psychedelischen TV-Serie, diesem Prunkstück menschlichen Schaffensdrangs namens »Der Tatortreiniger«. Hier stimmt alles: Wort, Schauspiel, AUSSTATTUNG! (Genial!) und eben auch die Musik: Ungewöhnliche Klangkombinationen — Variationen eines Themas, die mühelos aus dem Unerwartbaren geschält werden. Musik im Sinne Ennio Morricones oder - besser noch - François des Roubaix's (kennt Ihr vielleicht noch vom vorletzten Newsletter). Sprich: Ein grandioser Soundtrack, der ohne Bilder noch mal ganz anders wirkt. Der einen begleiten wird: Beim Essen, beim eincremen, duschen, Gassi gehen, beim cruisen, abhängen und nicht zuletzt beim Warten auf den Weltuntergang - oder auf ein Album von Erobique!



Georgia Anne Muldrow: Overload [Brainfeeder LP+DL/CD]
Redet man über Georgia Anne Muldrow, kommt es einem immer so vor, als rede man von einer Aussteigerin: Vielfache Mutter, lebt zurückgezogen, sagt Konzerte ab, gibt keinen F#?k auf »Fame« — die Wahrheit ist jedoch: Sie veröffentlich konstant Platten. Und sie ist so hoch veranlagt, dass sie diese ihre wohl edelste Platte ihrer »Karriere« sicher auf der linken Gesäßbacke produziert hat. Das hört man nur nicht, denn die meisten untalentierten M#t#e?)er da draussen, wären froh, wenn ihnen so etwas in einem Leben mal glücken würde. Georgia hingegen muss das so machen, denn 1.) hat sie keine Zeit für den Sch?+#s und 2.) wäre sie ansonsten zu viel für die Welt - es würde sich nicht »vermitteln«.


Homeboy Sandman & Edan: Humble Pie [Stones Throw MLP]
Sieben Schnitten Wahnsinn - Sieben Schlitten Megamultitask-Rap, die das Gehirn in den Hochofen führen. Dort gibt's kein Internet, aber die herrlichste Nochvielbesserwissermusik. Musik von Menschen, die nicht wissen, wohin mit all ihren Fähigkeiten. Die aber enormes Vergnügen daran empfinden, das alles in Form eines hochkonzentrierten Konzentrats in die Welt zu setzen. Während um sie herum die Gehirne schmelzen, lehnen sich Edan und Homeboy Sandman gemütlich in ihren Unterwassersesseln zurück und träumen von den Flohmarkt-Fünden des kommenden Wochenendes. Eine gigantische Farce - und nichts für schwache Nerven!



The Scorpions feat. Said Abu Bakr: Jazz, Jazz, Jazz [Habibi Funk LP+DL/CD]
Nicht die ehemals mies krautrockenden Rockzottel aus Hannover, diese unsterblichen Günstlinge des Kapitals, nein nicht diese Scorpions, die damals auf der Berliner Mauer herumturnten und »I've Been Looking For Freedom« gröhlten. Nennen wir die hier ab morgen vorliegenden Scorpions doch lieber die »Habibi-Funk-Scorpions«, eine tolle sudanesische Groovy-Soul-Jazz-Gruppe, über die man nicht viel mehr zu sagen braucht, als dass ihre Musik breitere Aufmerksamkeit verdient. In aller Welt. Wir sind uns sicher, dass »Habibi-Funk-Jannis« alle wichtigen Informationen zu ihrem Schaffen und ihrem Kontext in einem dieser berüchtigten »Habibi-Funk-Megabooklets« zusammengetragen haben wird. Wir freuen uns drauf!



Rocket Men: Twerk & Travel In Space [JazzLab LP/CD]
Das wunderbare an dieser Musik ist, dass sie zugleich zugänglich, aber im selben Moment absolut unmöglich erscheint. Rasant schliddern die Stimmungen hin und her: Jazz? Dub? Türkischer Jazz? Jazz-Trap? Oder muss man nicht einfach akzeptieren, einer lebensbereichernden Mischung aus wirklich ALLEM beizuwohnen? Wärmstens empfohlen diese Hamburger Knospen! Und niemals das Motto von Alfred Hilsberg's Label ZickZack vergessen: Lieber zu viel, als zu wenig! Hört.



Cyril Cyril: Certaine Ruines [Les Disques Bongo Joe LP/CD]
Dieses Album erzählt die Geschichte von zwei Armeniern, die in der französischen Schweiz aufgewachsen sind. Es erzählt von der Suche nach der Kultur der Vorfahren und verwebt diese mit den eigenen Vorlieben: Psychedelischer, existenzialistischer französischer Pop der No-No-Years (ca. 1968-1972). Heraus kommt wunderbar rituelle Musik, die fremd und bekannt zugleich klingt. Musik, die nicht aufdringlich ist, aber zum Eintauchen einlädt. So viel Trennung unsere Zeit hervorbringt, so viel Verbindendes hat sie auch zu bieten - C'est chaud —Tipp!


Donald Byrd Band & Voices: A New Perspective [DOL LP]
Ein zu seiner Erscheinungszeit 1963 unerwartbare Platte. Spirituellen Gospel ohne Text hat bis dahin keiner so konsequent mit einer Killer Jazzbesetzung gemischt. Der Titel deutet es subtil an, aber man konnte ja nicht ahnen, dass nicht nur neue Perspektiven entstehen, es wurden regelrecht Tore eingetreten, oder um es im Jargon des Jägers zu sagen: Fährten gelegt. Schön, dass diese Platte nun reüssiert - Ihr hört Donald Byrd begleitet von einer Blue Note Allstar-Besetzung. Killer Album!



Serge Gainsbourg: Les Années Psychedeliques 1966-1971 [Sleuth 2LP]
Fantastische Compilation mit den haarigsten Stücken Serge Gainsbourg's. Mit dabei sind legendäre Kooperationen mit Michel Colombier und Jean-Claude Vannier. Dessen horrend rare Komposition »La Horse« ist ein Fixpunkt dieses Kaufbefehls. Musik von postkoitaler Gefühlskälte und unüberbotener Verkommenheit!