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In dieser Hauspastille gibt' Folgendes zu naschen:



Liebe Lakritza-Freundinnen
Liebe Lakritza-Freunde

 

Die letzten Tage des Novembers war ich auf einer Business-Reise in Saudi-Arabien mit einer Schweizer Delegation von Geschäftsfrauen – die erste Delegation von Frauen, die je offiziell in diesem Königreich empfangen wurde.



Mich interessierte,
welche Position und Funktion die saudischen Frauen in der vom König und Kronprinzen ausgerufenen Vision 2030 einnehmen sollen – einer Vision für ein neues, moderneres, zukunftsgerichtetes Saudi-Arabien.

Selbst wenn ich die vorliegende Ausgabe von Lakritza's Hauspastille ganz dem Thema Saudi-Arabien widme, so wird es mir nicht gelingen, die vielfältigen, bereichernden und tief beeindruckenden Erlebnisse auf diesem begrenzten Raum wiedergeben zu können. Insbesondere wird es nicht möglich sein, die vielen starken, inspirierenden Frauen zu porträtieren, die mir in diesen Tagen begegnet sind. Doch ich werde in den zukünftigen Ausgaben der Hauspastille immer wieder
starke saudische Frauen vorstellen – zeitgenössische wie auch historische. 
 

Sie werden staunen, wie viel Ehrgeiz, Schaffenskraft und Frauenpower unter so einem Niqab steckt.

Vorerst freue ich mich, wenn meine unten präsentierten Kurz-Impressionen Sie erahnen lassen, in welch spannendem Transformationsprozess sich dieses Königreich befindet.

Herzlich Ihre


Lakritza
Judith Niederberger


Am Puls der Zeit – auf Schweizer und auf Saudi-Seite

Ein grosses Kompliment gebührt der Switzerland Global Enterprise (S-GE, ehem. Osec), der Lobbyorganisation für Exportförderung von Schweizer KMUs: In weiser Voraussicht hatte sie vor Monaten beschlossen, eine spezielle Delegationsreise für Schweizer Businessfrauen nach Saudi-Arabien zu organisieren. Das Wagnis wurde belohnt: Kaum war die Reisegruppe definiert, traf die phänomenale Nachricht ein, dass saudische Frauen im Sommer 2018 werden autofahren dürfen. Das Land öffnet sich – wirtschaftlich, kulturell, religiös. Und die S-GE ist an vorderster Front dabei.
 
Chairwoman
Ruth Metzler-Arnold begleitete die Delegation in personam und verlieh mit ihren Geleitworten und Präsentationen den Besuchen bei den verschiedenen Handelskammern, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Organisationen das Gewicht, das sie verdienen.
 
Dies waren ein paar unserer Etappen:



Besuch des Council of Saudi Chambers:
 

Die saudischen Wirtschaftsdelegierten interessierten sich insbesondere dafür, wie es den Schweizer Firmen gelinge, konstante und verlässliche Qualität zu produzieren.


Besuch des Chamber of Commerce in Jeddah:

 
 

Die anwesenden Frauen – sowohl die Delegierten aus der Schweiz wie auch die saudischen Businessfrauen (letztere auf dem Foto leider nicht ersichtlich, denn saudische Frauen lassen sich oft nicht so gerne ablichten) – stellten sich vor. Nach den offiziellen Grussworten und Kurzreferaten zur wirtschaftlichen Positionierung und Ausrichtung der beiden Länder bot sich ausführlich die Gelegenheit zum Netzwerken.
 
 
Besuch bei Arab News,
der führenden englischsprachigen Zeitung aus arabischer Perspektive:


Bildlegende:
Am Tisch von links nach rechts: Ruth Metzler-Arnold, Chairwoman Switzerland Global Enterprise; Heinrich Schellenberg, Schweizer Botschafter in Riyadh; Beatrice Müller, authentic communication; Judith Niederberger, Lakritza Communications
Die beiden Herren im Hintergrund: Ruedi Büchi, Senior Consultant Middle East, Switzerland Global Enterprise; Larbi El Attari, Commercial Counsellor, Embassy of Switzerland


Wir waren beeindruckt vom offenen Geist der Medienschaffenden. Frauen bekleiden heute schon verantwortungsvolle Posten. Über Social Media wird nicht gesprochen, Social Media wird gelebt. Am Tag unseres Besuchs hatte eine weitere neue Mitarbeiterin ihren ersten Arbeitstag in diesem Tätigkeitsfeld.
 
 
Empfang in der Sohba Hall:



Business-Treffen mit hochrangigen Saudis, u.a. mit Dr. Samar Kahn, der erfolgreichen Professorin und Leiterin einer Wirtschaftsakademie. Sie referierte zum Thema: «Saudi Women: Unlock the Possibilities».
 
Sehen Sie dazu diesen Film mit Impressionen zum Abend.
 

Frauenpower



Eine muslimische Frau – so erzählte mir ein Freund, der mit mathematischen Berechnungen von Versicherungen vertraut ist – ist in der arabischen Welt gerade mal halb so viel wert wie ein muslimischer Mann. Und eine nichtmuslimische Frau nochmals die Hälfte davon.
 
Beatrice Müller und ich, zwei Frauen also mit «25%-iger Wertigkeit» in diesem Land, haben uns davon nicht beeindrucken lassen. Mit grosser Freude haben wir festgestellt, dass powervolle «50%-wertige» Saudi-Frauen längst schon sehr viel mehr als 100% leisten.
 
Zum Beispiel Rida K. Al Afranji: Als sichtbares Zeichen, dass sie eine Frau mit starker Individualität in diesem (noch) restriktiven Land ist, hat sie sich mutig ihre Haare blond gefärbt und lässt diese gut sichtbar unter ihrem Kopftuch hervorblitzen. Seit Jahr und Tag schneidert sie ihre eigenen farbenfrohen Hijabs und Abayas und bekennt sich damit zur Diversität in der saudischen Gesellschaft. Sie ist eine der wenigen Künstlerinnen in Saudi-Arabien.
 
Oder Raedah Abdullah Abunayan: Seit 2013 hat sie einen Sitz in der Shura inne, im saudischen beratenden Parlament. Sie ist eine bestausgebildete, hochintelligente Frau, wort- und weltgewandt. Sie hat nicht auf den Moment der Öffnung gewartet, sondern vorher schon ihren Einfluss geltend gemacht in verschiedenen hochrangigen nationalen Gremien und internationalen Berufsverbänden. Doch jetzt sieht sie erst recht die Stunde gekommen, in der sie zu ihren Kolleginnen und Kollegen in der Shura sowie zur Welt ausserhalb von Saudi-Arabien spricht, um zu zeigen, wie viel Frauenpower ihr Staat zu bieten hat.
 

Alte vs. neue Welt – wird der Brückenschlag gelingen?


Bildlegende:
Riyadh vom Kingdom Tower aus gesehen. Links: Blick nach Osten auf eine zeitgenössische Metropole; rechts: Blick nach Westen auf Baugruben für die neue Metro und weitere, noch fulminantere architektonische Bauten.


Natürlich ist mir bewusst, dass wir uns auf dieser Women’s Business-Reise in einem speziellen Rahmen bewegt und dass wir vom Schicksal begünstigte saudische Frauen getroffen haben. Wie eine «normale» saudische Muslima denkt und handelt, die die Mehrheit der saudischen Frauen ausmacht, ist mir auf dieser Reise grösstenteils verborgen geblieben.
 
Immerhin zu Beginn und ganz am Schluss meines Aufenthalts in Saudi-Arabien, als ich jeweils alleine unterwegs war, bekam ich zu spüren, dass zwischen der angestrebten Vision 2030 und der Realität noch etliche Herausforderungen gemeistert werden müssen. Zwischen konservativ handelnden und zukunftsgerichtet denkenden Saudis, sowohl Männern wie Frauen, gibt es krasse Gegensätze – fast ist man versucht zu sagen: Brüche.
Religiöse Rituale, wie zum Beispiel das fünfmalige Pflichtgebet pro Tag, vertragen sich nur schwer mit der heutigen modernen Arbeitswelt, die auf Geschwindigkeit und Effizienz pocht. Vier der fünf Gebete fallen in die – nach westlichen Standards – reguläre Arbeits- und öffentliche Servicezeit und bringen während mindestens je 20 Minuten jegliche Produktivität zum Stillstand. Ein seit Jahren in Riyadh tätiger Schweizer Geschäftsmann beklagte diese Schwerfälligkeit hinter vorgehaltener Hand, ebenso die säumige Zahlungsmoral resp. das z.T. völlige Ausbleiben von Vergütungen für bezogene Produkte und Dienstleistungen.
 
Und wie sollen Männer und Frauen im zukünftigen Saudi-Arabien sinnvoll miteinander arbeiten können, solange die Geschlechtertrennung vom Grossteil der Bevölkerung immer noch vehement eingefordert wird?

Folgende Szene habe ich erlebt: Eine alleinreisende junge niqab-bekeidete Muslima weigerte sich im Flugzeug einer saudischen Airline, in derselben Sitzreihe mit einem ihr fremden Mann zu sitzen. Ihrer Forderung gab sie mit imposantem und lautstarkem Gestikulieren Ausdruck. Ein männlicher Flight Attendant schlug ihr eine Lösung vor – offenbar keine, die sie befriedigte. Ihr Ton wurde lauter, die Gestikulation ihrer Hände angespannter, sie erhob drohend ihren Zeigefinger. Der überforderte männliche Flight Attendant wurde durch eine weibliche Vermittlerin ersetzt. Eine zweite stiess dazu, jemand von der Bord-Sicherheit wurde dazu gerufen, schliesslich verhandelte man zu viert mit der aufgebrachten Frau. Ob das nun übertriebene Hysterie oder ehrliche Bedrängnis war – wer vermag das zu beurteilen. Tatsache ist: Die Muslima setzte sich letztendlich durch. Das Flugpersonal hatte das Gespräch mit anderen Fluggästen gesucht, vier unbeteiligte Passagiere wurden umplatziert und die Muslima sass anschliessend in einer Dreierreihe für sich allein, umgeben von Frauen.

Was mich an dieser Szene vor allem erstaunte, war die Hilflosigkeit der saudischen Airline, in der sich das Ganze ereignete – müsste diese doch mit solchen «Alltagsproblemen» umgehen können und raschere Lösungen bereit haben.
 
Und was mich zweitens erstaunte: Von vollverschleierten Frauen nimmt man spontan an, sie seien scheu und würden sich nicht getrauen zu sprechen, schon gar nicht das Wort an andere Männer zu richten. Hier wurde ich eines Besseren belehrt: Nicht nur äusserte diese Muslima ihre Meinung, sie setzte sie knallhart durch. 
 

Unnahbar ... und doch humorvoll



Dennoch: An den Anblick vollverschleierter Frauen konnte ich mich in meiner kurzen Zeit in Saudi-Arabien nicht gewöhnen. Das ist allerdings auch keine Frage der Zeit – die Behinderung des Blickfeldes von Frauen, was unter anderem auch die Bewegungsfreiheit einschränkt, sowie die Unmöglichkeit, weibliche Persönlichkeiten zu erkennen und Individualitäten im öffentlichen Raum auszuleben – werde ich nie akzeptieren.
 
Eine der Frauen aus unserer Runde wagte einmal gegenüber einem aufgeschlossen wirkenden Saudi-Mann die Anmerkung, dass es für uns schon recht schwierig sei, bei dieser schwarzen Verschleierung einzelne Frauen zu erkennen und wahrzunehmen. Daraufhin meinte der Mann: Er hätte ein ähnliches Problem mit uns westlichen Frauen. Früher sei es für ihn ein Leichtes gewesen, die einzelnen Nationalitäten zu erkennen. Er hätte immer sofort sagen können: Dies ist eine Italienerin. Das ist eine Schwedin. Jenes eine Amerikanerin. Doch seit wir alle dasselbe Make-up trügen, könne er uns einfach nicht mehr unterscheiden.
 
Vermutlich liess ich mich durch den Humor des Mannes anstecken, denn ich konnte der Erscheinung der verschleierten Frauen ein Momentum der Ironie abgewinnen: Wenn die konservativen Araberinnen, die von oft zierlichem Körperbau waren, in ihren wehenden Niqabs eine moderne Mall durchstreiften, wirkten sie auf mich wie Trüppchen kleiner Darth Vaders.
 
Liebe Saudi-Frauen, verehrte Saudi-Männer
May the Force be with you!

 
Sei es auf dem Weg nach Neom – oder auch einfach hin zu Eurem zukünftigen Saudi-Arabien: Ich hoffe, die Transformation gehe so zügig voran, wie ihn die Vision 2030 plant. Gleichzeitig hoffe ich aber auch, dass alle Beteiligten die nötige Vorsicht walten lassen und für konservativere und traditionell verhaftete Menschen Brücken bauen werden, damit diese zu einem für sie passenden Zeitpunkt ins neue Saudi-Arabien übertreten können.


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