Copy
Klicken Sie hier, um den Newsletter im Browser anzusehen
Liebe Vereinsmitglieder, Freundinnen und Freunde des Schweizerischen Sozialarchivs

Christian Kollers aktueller Leitartikel ist dem Prager Frühling gewidmet. Als sich zu Beginn der 60er Jahre eine zaghafte Reformbewegung in der Tschechoslowakei vorsichtig gegen die stalinistisch geprägte Staatsgewallt stellte, markierte dies den Anfang einer Auseinandersetzung, die in einen Aufstand und dessen gewaltsame Niederschlagung münden würde. Der "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" passte nicht in Moskaus Pläne. Das Schweizerische Sozialarchiv verfügt über einzigartige Bestände zum Prager Frühling - beispielsweise der Nachlass des prominentesten Prager Flüchtlings in der Schweiz Ota Šik oder auch der von Miroslav Tuček (ehem. Vorsteher des Sozialarchivs von 1968 bis 1987) aufgebaute umfassende Quellenbestand zur Tschechoslowakei in der Sachdokumentation.

Wir wagen auch einen Rückblick und einen Ausblick in Bezug auf die digitale Entwicklung des Sozialarchivs. Jonathan Pärli präsentiert seine Forschungsergebnisse zum Thema Asyl und Aktivismus in der Schweiz zwischen 1970 und 2000. Sein Dissertationsprojekt wird mit Mitteln aus dem Forschungsfonds Ellen Rifkin Hill unterstützt.

Natürlich finden Sie wie gewohnt viele weitere Informationen und Neuigkeiten aus allen Bereichen des Schweizerischen Sozialarchivs - Veranstaltungen, Kooperationen, Hintergrundeinblicke, überraschende Buchtipps und mehr. Selbstverständlich erhalten Sie auch dieses Mal wieder unsere Zuwachslisten für die Monate Januar und Februar 2018.

Wir freuen uns über Ihr Feedback und wünschen wie immer viel Spass beim Erkunden des Newsletters.
 
Vassil Vassilev, Leiter Benutzung
 
 

Vor 50 Jahren: Der Prager Frühling und die Schweiz

 
Im Februar 1968 brachten verschiedene Schweizer Tageszeitungen unterschiedlicher politischer Ausrichtung in rascher Folge Artikel mit beinahe gleichlautenden Titeln: «Freiere Luft in der Tschechoslowakei» (Volksrecht, 15.2.1968), «Der neue Wind in Prag» (Neue Zürcher Zeitung, 16.2.1968), «Ein neuer Wind weht durch die Tschechoslowakei» (Tages-Anzeiger, 20.2.1968). Sie alle nahmen Bezug auf den Beginn der Reformpolitik in einem kommunistischen Land, die hoffnungsvoll begann, aber bereits nach einem halben Jahr gewaltsam unterdrückt wurde. Zu Beginn der 60er Jahre hatte sich die Tschechoslowakei in einer tiefen Krise befunden, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Der anfängliche Goodwill gegenüber der Sowjetunion als Befreierin von 1945 war seit dem kommunistischen Staatsstreich von 1948 und der folgenden Phase stalinistischer Herrschaftsausübung fast ins Bodenlose gesunken. Innerhalb und ausserhalb der Kommunistischen Partei wurden Rufe nach Reformen laut. 1963 bildete sich unter Leitung des Ökonomen Ota Šik, Leiter des Wirtschaftsinstituts an der Prager Akademie der Wissenschaften und Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, eine Reformbewegung, die auf eine grundlegende Erneuerung der bürokratisch-zentralistischen Planwirtschaft drängte. Šik schlug eine «sozialistische Marktwirtschaft» mit Arbeiterselbstverwaltung in den Staatsbetrieben, privaten Kleinunternehmen und einem Ende der staatlich administrierten Preisbildung vor. Parallel zu dieser technokratischen entwickelte sich auch eine intellektuelle Opposition, die in der zweiten Hälfte der 60er Jahre in ihrer Kritik immer radikaler wurde. Im Oktober 1967 kam es zu Studentenprotesten gegen die Zustände in den Wohnheimen, die gewaltsam aufgelöst wurden.


Unterschriftensammlung für eine neutrale Tschechoslowakei (SozArch F Fc-0013-031)


Invasionspanzer in den Strassen von Prag (SozArch F Fb-0021-19)

Im Januar 1968 fanden im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei scharfe Auseinandersetzungen zwischen dem orthodoxen Flügel um Staats- und Parteichef Antonín Novotný und den Reformern statt. Novotný wurde als Parteichef vom reformerischen Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei der Slowakei, Alexander Dubček, abgelöst und behielt lediglich das faktisch unbedeutende Amt des Staatspräsidenten. Dubček leitete eine zunächst aus Rücksicht auf Kritik aus den anderen Ostblockstaaten recht vorsichtige Reformpolitik ein, die aber bald an Schwung gewann und von den westlichen Medien das Label «Prager Frühling» verpasst bekam. Ota Šik wurde Leiter des Wirtschaftsausschusses, zugleich bemühte sich Dubček um eine Reform der Bundesverfassung und mehr Selbstverwaltungsrechte für die Slowakei. Das am 5. April 1968 vorgestellte Aktionsprogramm kündigte Wirtschaftsreformen, Meinungs-, Informations- und Reisefreiheit, eine Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit, insbesondere der Schauprozesse der frühen 50er Jahre, und eine allgemeine Neuausrichtung der Rolle der Kommunistischen Partei in der Gesellschaft an. Im Westen wurden diese Vorhaben auf die Formel «Sozialismus mit menschlichem Antlitz» gebracht.

Die reformkommunistische Regierung lavierte zwischen zunehmendem Druck aus der Gesellschaft zur Beschleunigung des Umbaus und dem Bemühen, die Sowjetunion und die anderen Ostblockstaaten nicht zu brüskieren. So wurde etwa betont, das sozialistische System und die Mitgliedschaft der Tschechoslowakei im Warschauer Pakt stünden grundsätzlich nicht zur Disposition. Bei einer Umfrage im Juli sprachen sich 89% der tschechoslowakischen Bevölkerung für eine Beibehaltung des Sozialismus aus, allerdings in einer demokratisierten Form, und lediglich 7% der Bevölkerung zeigten sich unzufrieden mit der Regierung Dubček. Sehr ungelegen kam der Regierung das am 27. Juni veröffentlichte «Manifest der 2000 Worte», welches von zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnet worden war und nachdrücklich eine Beschleunigung des Reformprozesses forderte. Die sowjetische Führung betrachtete diese Initiative als eine konterrevolutionäre Plattform und erhöhte im Juli ihren Druck auf die tschechoslowakischen Reformkommunisten massiv.


Trauer- und Protestveranstaltung (SozArch F Fa 0010-23)


Wandzeitungen in Prag während der Invasion (SozArch F Fa-0010-22)

Bereits im Mai und Juni hatten die «Warschauer Fünf», die Regierungen der Sowjetunion, Bulgariens, Ungarns, Polens und der DDR, auf mehreren Treffen ihre Politik gegenüber der Prager Reformregierung beraten. Antonín Novotný, der am 22. März auch zum Rücktritt als Staatspräsident gezwungen und im Juni aus dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei ausgestossen worden war, behauptete bei zwei Besuchen in Moskau, die Regierung Dubček stehe kurz davor, das Machtmonopol der Kommunisten aufzugeben. Am 3. August fand in Bratislava eine Zusammenkunft zwischen der Regierung der Tschechoslowakei und den «Warschauer Fünf» statt. Das dabei verabschiedete Abschlusskommuniqué räumte den einzelnen Bruderländern nationale Souveränität auf ihrem Weg zum Sozialismus ein und wurde von der Tschechoslowakei deshalb als Zeichen der Entspannung gedeutet. Nach dem Treffen intensivierte die Sowjetunion aber die laufenden Vorbereitungen für eine militärische Intervention. Die orthodoxen Kommunisten der Tschechoslowakei hatten die Konferenz in Bratislava dazu genutzt, dem sowjetischen Parteichef Leonid Breschnew den sogenannten «Einladungsbrief» zukommen zu lassen, mit dem sie um eine Intervention zur Verhinderung einer «Konterrevolution» baten.

In der Nacht zum 21. August 1968 marschierten etwa eine halbe Million Soldaten der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens in die Tschechoslowakei ein und besetzten innerhalb von wenigen Stunden alle strategisch wichtigen Positionen des Landes. Die DDR, deren Regierung zuvor die sowjetische Führung zu einem militärischen Vorgehen gedrängt hatte, hielt sich zurück, um keine Erinnerungen an die deutsche Besatzung zwischen 1938 und 1945 aufkommen zu lassen. Von den Mitgliedern des Warschauer Pakts verurteilte Rumänien die Intervention scharf und Albanien erklärte am 5. September seinen Austritt aus dem Militärbündnis. Beim Einmarsch gab es 98 zivile Todesopfer; ausserdem starben etwa 50 Soldaten der Invasionstruppen. Die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei beschloss, der Invasion keinen militärischen Widerstand entgegenzusetzen, und rief die Bevölkerung zur Ruhe auf. Dennoch kam es zu vereinzelten Auseinandersetzungen zwischen der Zivilbevölkerung und den Invasoren. Wichtiger war aber der gewaltfreie Widerstand: Ortstafeln und Strassenschilder wurden abmontiert oder verdreht, um die Invasionstruppen in die Irre zu leiten, Eisenbahner leiteten Nachschubzüge der Roten Armee auf Abstellgeleise und Tausende improvisierter Plakate riefen in den Städten zu passivem Widerstand auf und verspotteten die Invasoren. Neben dem offiziellen Rundfunk, der auf Sendung blieb, informierten verschiedene Piratensender sowie das österreichische Radio die Bevölkerung über die Ereignisse.


"Geht nach Hause, unsere Kinder haben Angst vor euch!" Plakat mit Aufforderung an die sowjetischen Truppen (SozArch QS KVC 3:V)

Dubček und andere hochrangige Regierungsmitglieder wurden festgenommen und nach Moskau gebracht. Aufgrund des geschlossenen Widerstands der Bevölkerung konnte der sowjetische Plan, den Einmarsch als Antwort auf einen Hilferuf der Kommunistischen Partei darzustellen und eine neue Regierung aus orthodoxen Kommunisten zu präsentieren, aber nicht umgesetzt werden. Während der ersten Tage der Besatzung fand sogar noch eine ausserordentliche Sitzung der Nationalversammlung der Tschechoslowakei statt, die den Einmarsch verurteilte und die Regierung Dubček im Amt bestätigte. Am 23. August wurde Staatspräsident Ludvík Svoboda offiziell zu Verhandlungen nach Moskau zitiert, an denen auf seine Forderung hin auch die in Haft gehaltenen Regierungsmitglieder um Dubček teilnahmen. Das drei Tage später verabschiedete Moskauer Protokoll enthielt eine Aufhebung fast aller Reformen. Dubček wurde vorerst in seinen Ämtern belassen und durfte nach Prag zurückkehren, wo er begeistert empfangen wurde. Bald wurde aber klar, dass der Prager Frühling vorbei war. Am 16. Januar 1969 verbrannte sich der Student Jan Palach aus Protest auf dem Prager Wenzelsplatz. Einen Monat später folgte ihm dort auch Jan Zají. Wegen der Zerschlagung des Prager Frühlings verliessen Zehntausende die Tschechoslowakei. Allein nach Österreich flüchteten rund 96'000 Menschen, weitere 66'000 AuslandsurlauberInnen kehrten vorerst nicht in die Tschechoslowakei zurück. 50'000 bis 60'000 blieben dauerhaft im Westen.


Die Invasionstruppen als Tentakel des kommunistischen Kraken (SozArch QS KVC 3:V)

Das endgültige Ende kam nach der Eishockey-Weltmeisterschaft vom März 1969, die aufgrund der angespannten Lage kurzfristig von Prag nach Stockholm verlegt worden war. Dort kam es gleich zu zwei Aufeinandertreffen zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion. Für das erste Spiel klebten die meisten tschechoslowakischen Spieler den kommunistischen Stern auf ihren Trikots ab. Das schwedische Publikum sympathisierte lautstark mit ihnen, rief «Dubček! Dubček!» und skandierte antisowjetische Parolen. Die Partie endete mit einem 2 : 0-Sieg der Tschechoslowakei, was beim sowjetischen Trainer eine leichte Herzattacke auslöste. Nach der Partie verweigerten die tschechoslowakischen Spieler den Sowjets den traditionellen Händedruck. Löste bereits dieser Sieg in der Heimat Euphorie aus, in die sich politische Töne mischten, so war dies umso mehr der Fall, als die Tschechoslowakei in der zweiten Begegnung mit der Sowjetunion abermals gewann, dieses Mal mit 4 : 3. In Prag gingen nach dem Schlusspfiff etwa eine halbe Million Menschen auf die Strassen, es kam zu Kämpfen mit der Polizei und zum Sturm auf das Büro der sowjetischen Fluggesellschaft Aeroflot. Auch in zahlreichen anderen Städten des Landes ereigneten sich Massenkundgebungen und Übergriffe auf sowjetische Einrichtungen.


Protestveranstaltung im Basler Theater mit prominenten Schriftstellern (SozArch F 5093-Pd-006)

Schliesslich sollte die Sowjetunion die Eishockey-Weltmeisterschaft doch noch gewinnen. Nach dem entscheidenden Spiel fiel bei der Siegerehrung im tschechischen Fernsehen just beim Abspielen der sowjetischen Hymne der Ton aus und als die sowjetische Fahne ins Blickfeld kam, verschwand auch das Bild. Die Vorfälle rund um diesen Sportanlass gaben der sowjetischen Führung und den reformfeindlichen Kräften unter den tschechoslowakischen Kommunisten den Vorwand, die letzten Reste des Prager Frühlings zu beseitigen. Am 17. April 1969 musste Dubček als Parteichef zurücktreten und übernahm bis September 1969 den Vorsitz der Nationalversammlung. Darauf war er für kurze Zeit Botschafter in der Türkei. Im Juni 1970 wurde er aus der Partei ausgeschlossen und arbeitete fortan als Inspektor bei der Forstverwaltung von Bratislava, bis er 1989 während der «samtenen Revolution» nochmals kurz ins politische Leben zurückkehrte.

In der Schweiz erschien der Einmarsch in die Tschechoslowakei vielen als ein Déjà-vu der Vorgänge, die sich zwölf Jahre zuvor in Ungarn abgespielt hatten (vgl. SozialarchivInfo 5/2016). Auch die unmittelbaren Reaktionen in der Schweiz glichen denjenigen während der Ungarnkrise: Es gab Protestaktionen vor der sowjetischen Botschaft in Bern, Kundgebungen in allen grösseren Städten und Stimmen, die einen Abbruch der Beziehungen zur Sowjetunion forderten. Wie am 20. November 1956 wurde am 23. August 1968 eine Schweigeminute abgehalten, bei der im ganzen Land die Kirchenglocken läuteten. Der Bundesrat drückte seine Betroffenheit und sein Mitgefühl mit den Opfern aus, wurde teilweise indessen dafür kritisiert, nicht schärfer reagiert zu haben. Zum Spengler-Cup im Dezember 1968 wurde kein sowjetisches Team eingeladen; der Sieg ging an den tschechoslowakischen Vertreter Dukla Jihlava. Ein Zürcher Kino setzte aus Russophobie sogar den Film «Anna Karenina» von seinem Spielplan ab. Die Presseberichterstattung zog Parallelen sowohl mit dem Einmarsch in Ungarn von 1956 als auch mit der nazideutschen «Zerschlagung der Rest-Tschechei» von 1939.


Protestaufruf neulinker Kräfte in Zürich am Tag des Einmarsches (SozArch QS KVC 3: Va)

Die Empörung war aber weniger nachhaltig als zwölf Jahre zuvor während der Ungarnkrise. So war beispielsweise bereits am Spengler-Cup 1969 auch Lokomotive Moskau wieder mit dabei und die Verteilung des «Zivilverteidigungsbuches» an die Schweizer Haushalte im September 1969, das anhand einer fiktiven Geschichte den Widerstand im Falle der Invasion durch eine fremde Grossmacht thematisierte, stiess auf ein geteiltes Echo, das auch heftige Kritik einschloss. Zum einen reichte die Intervention von 1968 nicht an die Brutalität derjenigen von 1956 heran, als bei Kämpfen rund 2'500 Ungaren getötet worden waren und bei den anschliessenden «Säuberungen» etwa 350 Menschen hingerichtet wurden, unter ihnen Ministerpräsident Imre Nagy. Zum anderen hatte sich die bipolare Weltsicht aufgelockert und gab es im Umfeld von «68» auch heftige Kritik an der amerikanischen Intervention im Vietnam sowie an den Zuständen im eigenen Land. Hinzu kam drittens ein gewisser Gewöhnungseffekt an derlei Aktionen von Grossmachtpolitik im Kalten Krieg.

Im Unterschied zu 1956, als sich die politischen Kräfte von der SP bis zum rechten Rand des Bürgertums in einer einhelligen Frontstellung gegen die PdA, die den Einmarsch in Ungarn verteidigt hatte, befanden, gab es 1968 auch Kritik am sowjetischen Vorgehen von links aussen. Die beiden grössten kommunistischen Parteien Westeuropas, die französische und die italienische, verurteilten den Einmarsch offen. Komplizierter war die Lage bei der PdA. Deren Zentralsekretär Edgar Woog hatte im Frühjahr die Prager Reformpolitik mehrfach begrüsst. Nach dem Einmarsch gab es in Teilen der PdA-Presse und durch das Zentralkomitee Solidaritätsbekundungen mit der Tschechoslowakei, zugleich aber auch Warnungen vor einer antisowjetischen Kampagne. Sehr viel schärfer reagierte die «Junge Sektion» der PdA, die sich in Zürich ein paar Jahre zuvor gebildet hatte. Einer Erklärung der «Jungen Sektion», die einen offenen Bruch mit der KPdSU beinhaltete, wurde der Abdruck in der PdA-Presse verweigert und im folgenden Jahr erfolgte die Auflösung der «Jungen Sektion». Bereits am Abend des 21. August hatte die «Junge Sektion» auf dem Zürcher Bürkliplatz zusammen mit den Jungsozialisten und verschiedenen Gruppierungen der Neuen Linken eine Protestveranstaltung organisiert. Am folgenden Abend zogen die etablierten Kräfte der Stadt Zürich nach: Sämtliche politischen Parteien mit Ausnahme der PdA hielten eine Protestversammlung auf dem Münsterhof ab, zusätzlich gab es eine Demonstration der Zürcher Mittelschülerorganisationen sowie einen Fackelzug der Liberalen Studentenschaft.


Ota Šik im Schweizer Exil in den 70er Jahren (SozArch F 5020-Fx-067)


Erinnerung an die tschechoslowakische Emigration am Flüchtlingstag 1986 (SozArch F 5107-Na-27-169-015)

Wie 1956 öffnete sich die Schweiz aber auch 1968 und in den folgenden Jahren den Flüchtlingen aus dem Ostblock. Bis Ende 1970 kamen knapp 12'000 Menschen aus der Tschechoslowakei in die Schweiz. Sie waren im Zeichen der Hochkonjunktur nicht zuletzt auch aus wirtschaftlichen Gründen willkommen, verfügten die meisten von ihnen doch über eine qualifizierte Ausbildung: 56% hatten einen Hochschulabschluss, 17% eine Matura und 26% verfügten über eine abgeschlossene Berufslehre. Schon am Tag des Einmarsches übermittelte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement den Kantonen die Richtlinie, Touristen aus der Tschechoslowakei könnten auf Kosten des Bundes vorerst für drei Monate in der Schweiz bleiben und sich ein Asylgesuch überlegen, von dem sie damit rechnen könnten, dass es bewilligt werde. Gesuchen um Arbeitsvermittlung und Stellenantritt sei zu entsprechen, die Asylsuchenden von der Plafonierung ausländischer Arbeitskräfte ausgenommen. Zum grossen Erfolg wurde der Verkauf von Wimpeln in den tschechoslowakischen Landesfarben Blau-Weiss-Rot, dessen Erlös der Unterstützung von Flüchtlingen zugutekam. Ab Ende August wurde auch den tschechoslowakischen BürgerInnen, die an der Schweizer Grenze um Einreise ersuchten, die Aufenthaltsbewilligung erteilt. Bereits im Frühjahr 1969 wurden die Einreisebestimmungen aber sukzessive wieder verschärft.

Der prominenteste Flüchtling des Prager Frühlings in der Schweiz war Ota Šik. Als Widerstandskämpfer gegen die deutsche Besatzung war er 1940 verhaftet und ins Konzentrationslager Mauthausen eingewiesen worden, wo ihn erst 1945 amerikanische Truppen befreiten. Nach wirtschaftswissenschaftlichen Studien wurde er Mitte der 50er Jahre Professor für politische Ökonomie in Prag und im April 1968 als führender Wirtschaftsreformer stellvertretender Ministerpräsident. Im August 1968 hielt er sich in Belgrad auf, wo er die sowjetische Intervention verurteilte. Am 3. September wurde er seines Amtes enthoben. Danach bekleidete er vorübergehend den Posten eines Botschaftsrats in Belgrad, dann emigrierte er in die Schweiz. 1969 erfolgte sein Ausschluss aus der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und im folgenden Jahr wurde ihm die Staatsbürgerschaft entzogen. Ab 1970 lehrte Šik an der Hochschule St. Gallen, wo er von 1974 bis 1989 einen Lehrstuhl für Vergleich der Wirtschafssysteme innehatte. Er setzte seine Arbeiten über eine Verbindung von Plan- und Marktwirtschaft («Dritter Weg») fort und publizierte 1979 sein Hauptwerk «Humane Wirtschaftsdemokratie». Nach Beginn der Perestroika in der Sowjetunion hielt er 1987 im Schweizerischen Sozialarchiv ein Referat zum Vergleich der Wirtschaftsreformen Dubčeks und Gorbačevs. Ota Šiks Nachlass befindet sich heute im Sozialarchiv. Er umfasst 1.4 Laufmeter Akten, insbesondere Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, Vortragsmanuskripte und Interviews aus den 70er und 80er Jahren.

Neben dem Šik-Nachlass verfügt das Sozialarchiv noch über einen zweiten wichtigen Quellenbestand zu Vorgeschichte, Verlauf und Folgen des Prager Frühlings: die Kleinschriftensammlung KVC in der Sachdokumentation. Aufgebaut wurde diese einmalige Sammlung von Miroslav Tuček, der Anfang der 50er Jahre während der Prager Schauprozesse seinen Dienst in der tschechoslowakischen Diplomatie quittiert und in der Schweiz Asyl erhalten hatte. Ab 1967 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter, von 1968 bis 1987 dann Vorsteher des Schweizerischen Sozialarchivs. Zugleich war er Vertreter des Verbandes tschechoslowakischer Vereine in der Schweiz und ab 1971 Sekretär der Tschechoslowakischen Sozialdemokratischen Partei im Exil. Dieses Beziehungsnetz ermöglichte den Aufbau einer Sammlung, die schliesslich 41 Schachteln und etwa 3 Laufmeter umfasste und die tschechoslowakische Zeitgeschichte vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die 80er Jahre abdeckt. Die Sammlung enthält Monografien, Bildbände, Broschüren, Reiseführer, Lehrbücher, Reiseberichte, Plakate, Flugblätter und Periodika mit breitem inhaltlichen Profil aus den Gebieten Geschichte, Innen- und Aussenpolitik, Verwaltung, Wirtschaft, Recht, Gesundheitswesen, Kultur und Wissenschaft auf Tschechisch, Slowakisch sowie in westeuropäischen Sprachen. Aus dem Themenbereich des Prager Frühlings zu erwähnen sind etwa ein Dossier mit Dokumenten des internationalen Echos auf die Ereignisse im August 1968, die Kopie einer Erklärung des Historischen Instituts der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften, die dem ZK der Kommunistischen Partei im Januar 1969 zugeschickt wurde, ein Dossier mit Plakaten, Flugblättern, Erklärungen, Aufrufen, Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, Kommentaren und Gedichten tschechoslowakischer und ausländischer Autoren, die 1968/69 im In- und Ausland publiziert wurden, oder Übersetzungen von Dokumenten der Bürgerrechtsbewegung Charta 77.

Christian Koller

Material zum Thema im Sozialarchiv (Auswahl):

Archiv
  • Ar 1.150.3 Sozialdemokratische Partei der Schweiz: Aussenpolitik
  • Ar 20.971.108 Schweizerisches Arbeiterhilfswerk: Internationales Arbeiterhilfswerk IAH: Korrespondenz 1958-1970
  • Ar 134 Nachlass Ota Šik
  • Ar 155.25.5 Nachlass Jost von Steiger: Drucksachen Ausland II
  • Ar 201.207.4 Kommunistische Partei der Schweiz/Marxisten-Leninisten: Arbeitskomitee "10 Jahre seit dem sowjetischen Überfall auf die Tschechoslowakei", 1978
  • Ar 201.218 Arbeitsgemeinschaft Zürcher Manifest
  • Ar 579 Archiv Schweiz-Osteuropa
Archiv Bild+Ton   
Sachdokumentation
  • KS 335/403 Kommunistische Partei der Tschechoslowakei
  • QS 40.51 Internationale Blockbildung; Ost-West-Konflikt; Kalter Krieg
  • QS 47.2 Warschauer Pakt
  • QS 69.0 C Asylpolitik & Flüchtlingswesen in der Schweiz
  • QS 82.4 Osteuropäische Wirtschaftszusammenschlüsse
  • QS KVC Tschechoslowakei (CSSR): Allgemeines
  • QS KVC + Tschechoslowakei (CSSR): Geschichte
  • QS KVC 0 Tschechoslowakei (CSSR): Gesellschaft
  • QS KVC 1 Tschechoslowakei (CSSR): Kultur, Bildungswesen
  • QS KVC 2 Tschechoslowakei (CSSR): Recht, Verfassung, Verwaltung
  • QS KVC 3 Tschechoslowakei (CSSR): Innenpolitik
  • QS KVC 4 Tschechoslowakei (CSSR): Aussen- & Sicherheitspolitik
  • QS KVC 6 Tschechoslowakei (CSSR): Sozialpolitik, Soziale Hilfe, Gesundheitswesen
  • QS KVC 7 Tschechoslowakei (CSSR): Arbeit
  • QS KVC 8 Tschechoslowakei (CSSR): Wirtschaft
  • ZA 47.2 Warschauer Pakt
  • ZA 58.0 KVC Kommunismus, kommunistische Partei in der Tschechoslowakei
  • ZA 69.0 C *2 Asylpolitik & Flüchtlingswesen in der Schweiz: Allg.
  • ZA 82.4 Osteuropäische Wirtschaftszusammenschlüsse
  • ZA KVC Tschechoslowakei (CSSR)
Bibliothek
  • Banki, Christine und Christoph Späti: Ungaren, Tibeter, Tschechen und Slowaken: Bedingungen ihrer Akzeptanz in der Schweiz der Nachkriegszeit, in: Goehrke, Carsten und Werner G. Zimmermann (Hg.): «Zuflucht Schweiz»: Der Umgang mit Asylproblemen im 19. und 20. Jahrhundert. Zürich 1994, S. 369-415, 97808
  • Bartosek, Karel: Les aveux des archives: Prague-Paris-Prague: 1948-1968. Paris 1996, 101393
  • Bollinger, Stefan: Dritter Weg zwischen den Blöcken? Prager Frühling 1968: Hoffnung ohne Chance: Mit einem Anhang bisher nicht veröffentlichter Dokumente zur Haltung der SED-Führung zum Prager Frühling. Berlin 1995, Gr 8633
  • Crusius, R. et al. (Hg.): ČSSR: Fünf Jahre "Normalisierung", 21.8.1968 - 21.8.1973: Dokumentation. Hamburg 1973, 50830
  • CSSR - Geist und Gewalt: Die intellektuelle Revolution, die sowjetische Intervention und die Okkupation der Tschechoslowakei. Jona 1968, 40507
  • Dubček, Alexander: Leben für die Freiheit. München 1993, 95630
  • Garaudy, Roger: La liberté en sursis: Prague 1968. Paris 1968, Bo 2180
  • Goëss, Franz und Manfred R. Beer: Prager Anschläge: Bilddokumente des gewaltlosen Widerstandes. Frankfurt/M 1968, 39244
  • Golan, Galia: Reform rule in Czechoslovakia: The Dubček Era 1968-1969. London 1973, 50616
  • Hofmann, Birgit: Der "Prager Frühling" und der Westen: Frankreich und die Bundesrepublik in der internationalen Krise um die Tschechoslowakei 1968. Göttingen 2015, 133341
  • Kanyar Becker, Helena (Hg.): Prager Frühling: Mythos und Realität: Erinnerungsbuch: 1968-2008. Basel 2008, Gr 12073
  • Kanyar Becker; Helena: Prager Frühling und die Schweiz, 1968-2008: Ausstellungsdokumentation. Basel 2014, Gr 13663
  • Karner, Stefan et al. (Hg.): Prager Frühling: Das internationale Krisenjahr 1968. Köln 2008, 120428: 1+2
  • Kohout, Pavel: Aus dem Tagebuch eines Konterrevolutionärs. Luzern 1969, 40208
  • Koller, Christian: Bibliotheksgeschichte als histoire croisée: Das Schweizerische Sozialarchiv und das Phänomen des Exils, in: Ball, Rafael und Stefan Wiederkehr (Hg.): Vernetztes Wissen - Online - Die Bibliothek als Managementaufgabe: Festschrift für Wolfram Neubauer zum 65. Geburtstag. Berlin 2015. S. 365-392, 132218
  • Koudelka, Josef: Invasion Prag 1968. München 2008, Gr 12026
  • Lotar, Peter (Hg.): Prager Frühling und Herbst im Zeugnis der Dichter: Tschechische Dichtung aus "Literárni Listy" 1968. Bern 1969, 39670
  • Mlynář, Zdeněk (Hg.): Der "Prager Frühling": Ein wissenschaftliches Symposion. Köln 1983, 75390
  • Pauer. Jan: Prag 1968: Der Einmarsch des Warschauer Paktes: Hintergründe - Planung – Durchführung. Bremen 1995, 99733
  • Pelikan, Jiri: Ein Frühling, der nie zu Ende geht: Erinnerungen eines Prager Kommunisten. Frankfurt/M 1976, 58283
  • Peschler, Eric A. (Hg.): Das kalte Paradies: Emigration - Integration – Konfrontation. Frauenfeld, 1972, 48742
  • Priess, Lutz et al.: Die SED und der "Prager Frühling" 1968: Politik gegen einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz". Berlin 1996, 100010
  • Rendl, Renate: Die Integration der Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei in der Schweiz seit 1968, in: Bankowski, Monika et al. (Hg.): Asyl und Aufenthalt: Die Schweiz als Zuflucht und Wirkungsstätte von Slaven im 19. und 20. Jahrhundert. Basel 1994, S. 239-252, 97258
  • Rentsch, Lena: Die Junge Sektion der PdA Zürich und die PdA: Ein exemplarischer Konflikt zwischen der Neuen und der Alten Linken. Lizentiatsarbeit Universität Zürich 2014, Gr 13295
  • Röll, F. und G. Rosenberger: ČSSR: Dokumentation und Kritik. München 1968, 77154
  • Schneider, Eleonora: Prager Frühling und samtene Revolution: Soziale Bewegungen in Gesellschaften sowjetischen Typs am Beispiel der Tschechoslowakei. Aachen 1994, 99803
  • Segert, Dieter: Prager Frühling: Gespräche über eine europäische Erfahrung. Wien 2008, 119847
  • Šik, Ota: Fakten der tschechoslowakischen Wirtschaft. Wien 1969, 40344
  • Šik, Ota: Der Strukturwandel der Wirtschaftssysteme in den osteuropäischen Ländern. Zürich 1971, Hf 632
  • Šik, Ota: Argumente für den Dritten Weg. Hamburg 1973, 51274
  • Šik, Ota: Für eine Wirtschaft ohne Dogma. München 1974, 52591
  • Šik, Ota: Humane Wirtschaftsdemokratie: Ein Dritter Weg. Hamburg 1979, 64786
  • Šik, Ota: Wirtschaftssysteme: Vergleiche - Theorie – Kritik. Berlin 1987, 83391
  • Šik, Ota: Prager Frühlingserwachen: Erinnerungen. Herford 1988, 86952
  • Skála, Jan: Die ČSSR: Vom Prager Frühling zur Charta 77: Mit einem dokumentarischen Anhang. Berlin 1978, 62564
  • Spiritova, Marketa: Hexenjagd in der Tschechoslowakei: Intellektuelle zwischen Prager Frühling und dem Ende des Kommunismus. Köln 2010, 122539
  • Stach, Sabine: Vermächtnispolitik: Jan Palach und Oskar Brüsewitz als politische Märtyrer. Göttingen 2016, 135901
  • Svitak, Ivan: The Czechoslovak Experiment 1968-1969. New York 1971, 43508
  • Wenzke, Rüdiger: Die NVA und der Prager Frühling 1968: Die Rolle Ulbrichts und der DDR-Streitkräfte bei der Niederschlagung der tschechoslowakischen Reformbewegung. Berlin 1995, 98779
Periodika
  • Rudé právo: Ustredni organ Komunistické Ceskoslovenska, 1949-1990, 1991-1995, Z 1125
  • Pravda: Organ Centralʹnogo Komiteta Kommunističeskoj Partii Sovetskogo Sojuza, 1948-heute, Z 1041
  • Komsomol’skaja Pravda: Organ Centralnogo Moskovskogo Komitetov VLKSM, 1949-1953, 1961-1990, 1992-2014, Z 1169
  • Der aktuelle Osten: Kommentare und Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Technik der UdSSR und der übrigen Länder des RGW (COMECON), 1955-1967, N 3101
  • Informationsbulletin: Materialien und Dokumente kommunistischer und Arbeiterparteien, 1965-1989, N 2571
  • Jahrbuch für Geschichte der UdSSR und der volksdemokratischen Länder Europas, 1961, 1964, 1966-1968, N 2349
  • Jahrbuch für Geschichte der sozialistischen Länder Europas, 1969-1989, N 2349
  • L'est: Rivista trimestrale di studi sui paesi dell'est (1965-1969), N 2889
  • Kontinent: Unabhängiges Forum russischer und osteuropäischer Autoren, 1974-1979, N 4239


Veranstaltungen und Kooperationen des Schweizerischen Sozialarchivs

Veranstaltungen im Sozialarchiv

Montag, 9. April 2018, 19 Uhr, Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum
Lotte Schwarz: Die Brille des Nissim Nachtgeist. Roman
Buchvernissage mit der Herausgeberin Christiane Uhlig


 
Dienstag, 17. April 2018, 19 Uhr, Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum
Streik im 21. Jahrhundert
Buchpräsentation mit Andreas Rieger (Mitherausgeber) und Paul Rechsteiner (Ständerat, Präsident Schweizerischer Gewerkschaftsbund)


 
Montag, 23. April 2018, 18.30 Uhr, Theater Stadelhofen
Die Neuerfindung der Berufslaufbahn
Vernissage des Buches Länger leben – anders arbeiten mit Elisabeth Michel-Alder (Unternehmensberaterin und Buchautorin), Thomas Gächter (Professor Universität Zürich, Staats- Gesundheits- und Sozialversicherungsrecht), Marco Jakob (Wirtschaftsinformatiker, Berufsschullehrer, Berater und Mitgründer des Effinger Coworking Space in Bern) und Petra Weigert (Head HR Jelmoli und Swiss Prime Site, Mitglied der Geschäftsleitung)


 
Donnerstag, 24. Mai 2018, Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum
«Alljährlich im Frühling schwärmen unsere jungen Mädchen nach England». Die vergessenen Schweizer Emigrantinnen
Buchpräsentation mit der Autorin Simone Müller
 

Veranstaltungen in Kooperation mit dem Sozialarchiv


Erlebte Schweiz: 1968 im Fernsehen – von Expertinnen und Experten kommentiert

Stationen:

Donnerstag, 26. April 2018, 18.30 Uhr, Basel, Stadtkino
Mit Claudio Miozzari (Historiker), Remo Gysin (alt Regierungs- und Nationalrat) und Regina Wecker (Historikerin Universität Basel)

Mittwoch, 2. Mai 2018, 18 Uhr, Bern, Bernisches Historisches Museum
Mit Dominique Rudin (Historiker), Rudolf Strahm (Ökonom und Chemiker, alt Nationalrat) und Brigitte Studer (Historikerin Universität Bern)

Donnerstag, 17. Mai 2018, 20 Uhr, Zürich, Kino Xenix
Mit Dominique Rudin (Historiker), Gertrud Pinkus (Film-Maker) und Jakob Tanner (Historiker Universität Zürich)

Mittwoch, 23. Mai 2018, 20:15 Uhr, Liestal, Kino Sputnik
Mit Dominique Rudin (Historiker), Ruedi Epple (Sozialwissenschaftler) und Ueli Mäder (Soziologe Universität Basel)

Vorschau

Montag, 23. Mai 2018, Staatsarchiv Zürich
Mit SchülerInnen auf historischer Spurensuche
Gemeinsamer Workshop des Staatsarchivs Zürich, des Schweizerischen Sozialarchivs und von HISTORIA
 
26.-28. Oktober 2018, Landesmuseum Zürich
Swiss Open Cultural Data Hackathon
Gemeinsame Veranstaltung von OpenGLAM CH Working Group, ETH-Bibliothek, Zentralbibliothek Zürich, Schweizerischem Sozialarchiv, Staatsarchiv Zürich, Historischem Museum Basel, Wikimedia CH und infoclio.ch
 
Freitag, 2. November 2018, Landesmuseum Zürich
Ausstellungsvernissage:
Der Schweizer Landesstreik 1918
Mit Bundespräsident Alain Berset, Andreas Spillmann (Direktor Schweizerisches Nationalmuseum) und Christian Koller (Direktor Schweizerisches Sozialarchiv)
Das Rahmenprogramm zur Ausstellung folgt

 

Ausschreibungen

Forschung Ellen Rifkin Hill – Ausschreibung 2018
Das Sozialarchiv ist in der Schweiz die führende Forschungsinfrastruktureinrichtung für gesellschaftlichen Wandel und soziale Bewegungen vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Durch eine Schenkung der 1999 verstorbenen Soziologin Ellen Rifkin Hill stehen dem Sozialarchiv Forschungsmittel für die Finanzierung von Projekten mit einem engen Bezug zu seinen Quellenbeständen und Fragestellungen zur Verfügung.

Ein Schwerpunkt liegt bei der Förderung von Dissertationen an Schweizer Hochschulen. Die Projekte sollen generell zur Erschliessung von Quellen des Sozialarchivs beitragen, was entweder die Arbeit mit Archivdokumenten oder die Akquisition neuer Quellenbestände bedeuten kann.

Die Ausschreibung 2018 richtet sich an alle geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen. Willkommen sind Anträge aus dem gesamten Themenspektrum des Sozialarchivs.

Besonders erwünscht sind Projekte, die Forschungslücken schliessen, neue Perspektiven entwickeln und/oder mit in jüngerer Zeit akquirierten Beständen des Sozialarchivs (z. B. Archive von Umweltorganisationen, Gewerkschaften, gemeinnützigen Vereinigungen oder migrantischer Organisationen, Foto- und Plakatarchive) arbeiten. Die entscheidenden Auswahlkriterien sind konzeptionelle Originalität und die wissenschaftliche Qualität.

Bitte konsultieren Sie vor Abfassung Ihres Antrages das Merkblatt auf unserer Website (www.sozialarchiv.ch/sozialarchiv/forschung-ellen-rifkin-hill) und verwenden Sie das dort zugängliche Antragsformular.

Anträge können bis zum 15. September 2018 eingereicht werden. Bitte senden Sie uns das Gesuchformular (inkl. Beilagen) auf elektronischem Weg in einem PDF-Dokument (an koller@sozarch.uzh.ch) sowie ausgedruckt per Briefpost an:

Schweizerisches Sozialarchiv
Kommission „Forschung Ellen Rifkin Hill“
Stadelhoferstrasse 12
CH-8001 Zürich
 
Anfragen im Zusammenhang mit dem Abfassen und Einreichen von Gesuchen sind per E-Mail zu richten an den Geschäftsführer der Kommission „Forschung Ellen Rifkin Hill“, Prof. Dr. Christian Koller (koller@sozarch.uzh.ch).
Frühester möglicher Projektbeginn ist der 1. Januar 2019.
 
Jahrespreis 2018 des Schweizerischen Sozialarchivs
 
Das Schweizerische Sozialarchiv schreibt 2018 zum ersten Mal einen Jahrespreis aus. Das Sozialarchiv ist in der Schweiz die führende Forschungsinfrastruktureinrichtung für gesellschaftlichen Wandel und soziale Bewegungen vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Es umfasst ein Spezialarchiv, eine wissenschaftliche Spezialbibliothek und eine Dokumentation.

Der Preis ist mit 1'000 Franken dotiert und zeichnet hervorragende Abschlussarbeiten aus, die der Dissertation vorgelagert sind (Bachelor, Master sowie vergleichbare internationale Abschlüsse) und die auf Quellenmaterial aus dem Schweizerischen Sozialarchiv basieren. Die Preisübergabe findet anlässlich der Jahresversammlung des Vereins Schweizerisches Sozialarchiv am 13. Juni 2018 statt.

Eingabeberechtigt sind sowohl Verfasserinnen und Verfasser als auch Betreuerinnen und Betreuer von Arbeiten.  Die Arbeit muss in den Kalenderjahren 2017/18 benotet worden sein.

Anträge können bis zum 31. März 2018 eingereicht werden. Bitte senden Sie uns Bewerbungen (Arbeit, Kurzlebenslauf, Kopie des Erstgutachtens/der Benotung) auf elektronischem Weg in einem PDF-Dokument (an koller@sozarch.uzh.ch).

Christian Koller
 

Forschung Ellen Rifkin Hill:

Die andere Schweiz. Asyl und Aktivismus, ca. 1970-2000

»Wir rufen die andere Schweiz«: Mit dieser Parole wandte sich die »Bewegung für eine offene, demokratische und solidarische Schweiz« im Juni 1986 an die Öffentlichkeit. Die kurz BODS genannte Initiative wollte die seit einigen Jahren in allen Landesteilen gegen die Flüchtlingspolitik der »offiziellen Schweiz« engagierten Gruppierungen koordinieren und »eine politisch manifestierbare Gegenkraft« aufbauen. Als »andere Schweiz« bezeichneten sich die Asylbewegung und mit ihr verwandte Bewegungen, um eine Differenz gegenüber den, wie es die BODS ausdrückte, »nationalistischen, fremdenfeindlichen und antidemokratischen Tendenzen« zu markieren, die »das Volk« für sich beanspruchten. Die Asylbewegung bildet den Gegenstand des im Folgenden vorgestellten Forschungsprojekts mit dem Arbeitstitel »Die andere Schweiz. Asyl und Aktivismus, ca. 1970-2000«. Es untersucht die soziale Bewegung, die in der Schweiz entstand, als im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts die sogenannt »neuen Flüchtlinge« zu einem wichtigen und kontroversen Thema wurden.
 
Die Rede von »neuen Flüchtlingen« kam auf, als ab den späten 1970er Jahren vermehrt Menschen aus Regionen und Staaten des Globalen Südens in westlichen Ländern Zuflucht suchten. Im Vordergrund der Asyl- und Flüchtlingspolitik standen je länger je weniger die »Opfer des Kommunismus«, die nach 1945 wegen des Kalten Krieges im Westen generell bevorzugt behandelt worden waren, sondern diese »neuen Flüchtlinge« aus Ländern wie der Türkei, Sri Lanka oder Zaïre. Neu bzw. anders war insbesondere auch die ökonomische und arbeitsmigrationspolitische Situation, in der die »Neuen« im Nachgang des Ölpreisschocks von 1973 eintrafen: in das Westeuropa »nach dem Boom«, wie es die Historiker Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael in ihrer stark diskutierten Forschungsagenda umrissen haben. Die Dissertation interessiert sich für diese Phase des Umbruchs und den geschichtswissenschaftlich noch kaum erforschten Aspekt der Fluchtmigration seit den 1970er Jahren. Am Beispiel der Schweiz bzw. der »anderen Schweiz« fokussiert die Studie auf die Rolle des Dissenses in der Asyl- und Flüchtlingspolitik von etwa 1970 bis zum Jahrtausendwechsel.
 
Wider die Tyrannei des Nationalen – aber: Was ist Politik?

Die Erkenntnisabsicht des Projekts besteht darin, am Beispiel der Asylbewegung zu untersuchen, was politisches Handeln und Politik in einer Konstellation bedeuten, die von einem starken, diesem Versuch zuwiderlaufenden Konsens geprägt ist. Von der »Tyrannei des Nationalen« hat der Historiker Gérard Noiriel in seiner bekannten Geschichte des Asylrechts gesprochen, die der Flüchtlingspolitik seit der Zeit der französischen Revolution bis in die Gegenwart ihre Prägung gebe. Die Dissertation nimmt Bezug auf Noiriels Diagnose der »Tyrannei des Nationalen«, widmet sich mit der Asylbewegung indes einem Versuch, dieser zu trotzen. Das bedeutet auch, Politik und politisches Handeln nicht im herkömmlichen Sinn zu behandeln, also als Fragen des Regierens, der Macht oder der Herrschaft bzw. des Kampfes darum. Inspiriert von den historisch-philosophischen Arbeiten Jacques Rancières zur Emanzipation und zum Verhältnis von Ästhetik und Politik soll letztere als eine bestimmte Form des Dissenses verstanden werden. Das heisst, Politik nicht mit dem Funktionieren der staatlichen Institutionen oder dem unvermeidlichen Widerstreit von Interessen und Meinungen gleichzusetzen. Stattdessen wird Politik als immer situative und punktuelle Subjektivierung eines Streits darüber verstanden, wer warum in welcher Weise am Gemeinwesen partizipieren kann. Die »andere Schweiz« soll als eine solche politische Subjektivierung gedacht werden, die »eine Differenz der Gesellschaft zu sich selbst« manifestiert, wie es Rancière in seinem Text »Zehn Thesen zur Politik« beschreibt.



 Die grundlegende Frage nach der so gedachten Politik wird auf drei Untersuchungsebenen spezifiziert und konkretisiert: Auf einer ersten Ebene geht es um die Asylbewegung im nationalen Kontext der Schweiz. Hier interessiert, wie die Asylbewegung entstand und in welchen Formen sie mit der »offiziellen Schweiz« interagierte und versuchte, auf diese einzuwirken. Auf der zweiten Ebene wird die Asylbewegung als Kontaktzone in den Blick genommen, in der Schweizer Aktivistinnen und Aktivisten und geflüchtete Menschen auf unterschiedlichste Weisen interagierten. Damit wird die Perspektive zumindest partiell umgedreht und nach der »Schweiz der Anderen« gefragt: Welchen Platz und welche Rolle nahmen die Asyl suchenden Menschen in der und für die »andere Schweiz« ein? Auf dritter Ebene geht es schliesslich um die transnationalen Bezüge und Verflechtungen des Asylaktivismus. Denn mehr oder weniger gleichzeitig mit der Asylbewegung in der Schweiz entstanden ähnliche Bewegungen in den Nachbarländern und in Nordamerika. Es wird deshalb gefragt, wie die »andere Schweiz« versuchte, mit dem »anderen Europa« und dem »anderen Amerika« zusammenzuarbeiten. Weiter kommt zur Sprache, welche Kontakte und Kooperationen sich mit Individuen und Organisationen aus den Herkunftsländern der »neuen Flüchtlinge« sowie mit inter- und supranationalen Institutionen etablierten.
 
Das Archiv der Bewegung – die Bewegung als Archiv

Ein wichtiger und unerlässlicher Aspekt des Dissertationsprojekts ist es, überhaupt ein Archiv der Asylbewegung zu erstellen. Bei Projektbeginn standen der Forschung und Öffentlichkeit insbesondere im Sozialarchiv oder bei der im Jahr 2000 aus der BODS und der Asylkoordination Schweiz hervorgegangenen Solidarité sans frontières erst vereinzelt entsprechende Quellenbestände und Dokumentationen offen. Der grösste Teil der überlieferten Materialien befand sich hingegen noch in Privatbesitz – sei es bei ehemals Aktiven oder sei es bei den wenigen Organisationen, die, wie etwa die Freiplatzaktion Zürich, in den bewegten 1980er Jahren entstanden sind und heute noch bestehen. Teil der Arbeit war und ist, diese bisher nicht oder nur schwer zugänglichen Materialien zum Asylaktivismus ausfindig zu machen und mit Einverständnis der Besitzerinnen und Besitzer an das Sozialarchiv zu vermitteln. Auf diese Weise konnten bisher unter anderen der Bestand der Aktion für abgewiesene Asylbewerber (AAA), Protokolle und andere Materialien des Asylkomitees Baselland, Quellen zu zwei grossen Kirchenasylen in der Stadt und im Kanton Bern von 1986 und 1993/94 sowie verschiedene Dokumentationen und Vor- bzw. Nachlässe von Asylengagierten zuhanden des Sozialarchivs für die Forschung und Nachwelt gesichert werden.
 
Interessant am derart im Entstehen begriffenen Archiv der Asylbewegung ist dessen Zusammensetzung: Meist enthalten die gesichteten Bestände nebst den für soziale Bewegungen typischen Materialien wie etwa Sitzungsprotokollen, Korrespondenz, Flugblättern, Broschüren und Zeitschriften oder Zeitungsausschnitten auch eine ungeahnte Fülle behördlicher Dokumente aller staatlichen Ebenen. Das heisst: Asyldossiers und -entscheide, Verwaltungsrundschreiben und -weisungen, offizielle und offiziöse Berichte und Studien, Kopien amtlicher Briefe und dergleichen mehr. In gewissem Sinn hat die Asylbewegung also nicht nur ein Archiv, sondern war auch eines: das inoffizielle Archiv respektive eine fortlaufende Dokumentation der behördlichen Asylpraxis. Dieser Umstand erlaubt, obwohl die Dissertation auf die Bewegung und deren Archiv fokussiert, den ›Gegenspieler‹ Staat und dessen Agieren dennoch massgeblich und quellengestützt mit in die Arbeit einzubeziehen.
 
Was niemand weiss, macht niemanden heiss…

Die beschriebene Zusammensetzung des Archivs der Asylbewegung erlaubt auch, eine ihrer wichtigsten Charakteristiken zu verstehen. Asylaktivismus bedeutete zunächst oftmals schlicht, herauszufinden und zu dokumentieren, wie der Staat an der Grenze, in den Büros der kantonalen Fremdenpolizeien, in den oft an Flüchtlingshilfswerke delegierten Sammelunterkünften, den Bundesberner Amtsstuben oder in den Gefängnissen mit Asylsuchenden umging, wie er Akten über sie anlegte und wie die darauf gestützten Entscheide lauteten. Die Bedeutung dieser Dokumentationstätigkeit erhellt sich vor dem Hintergrund der Geschichte der institutionellen und rechtlichen Ausgestaltung der Asylpolitik. Als während der 1970er Jahre erstmals ein Bundesgesetz über das Asyl erarbeitet und debattiert wurde, lagen zwei Konzeptionen dessen, was »Asylrecht« bedeute, im Widerstreit: Auf der einen Seite argumentierten vor allem Bürgerliche und Konservative, das Asylrecht sei in Einklang mit völker- und staatsrechtlicher Tradition als Recht des Staates zu verstehen, Asyl zu gewähren – oder eben auch nicht. Auf der anderen Seite forderten die Linke und die Flüchtlingshilfswerke, Asyl sei als ein Menschenrecht anzuerkennen. Ein entsprechender im Gesetz verankerter subjektiver Anspruch hätte es Flüchtlingen erlaubt, ihren Anspruch auf Asyl nötigenfalls von einem verwaltungsunabhängigen Gericht überprüfen lassen zu können.
 
Mehrheitlich durchgesetzt hat sich im Asylgesetz von 1979 erstere Variante, nach der Asyl eine exklusive Domäne der Regierung, und damit von Verwaltung und Polizei, blieb. Das hatte zur Folge, dass sich der konkrete Vollzug des Asylgesetzes, die Asylpraxis, institutionell weitestgehend jenseits öffentlicher Aufmerksamkeit und ohne nennenswerte rechtswissenschaftliche Dogmatik und gerichtliche Rechtspflege abspielte. Dass sich die behördliche Asylpraxis wenngleich nicht systematisch und vollständig, so doch deutlich im Archiv der Asylbewegung widerspiegelt, ist also kein Zufall: Die Asylbewegung versuchte sicht- und damit kritisierbar zu machen, was institutionell weitgehend unsichtbar gehalten werden sollte.
 
Heute ist es der Aktivismus und Protest, den es in der Asyl- und Flüchtlingspolitik im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts gegeben hat, der unsichtbar geworden ist: Im Vergleich zu anderen sozialen Bewegungen nach 1968 wird die Asylbewegung gesellschaftlich kaum erinnert. Das vom Forschungsfonds Ellen Rifkin Hill seit Februar 2017 geförderte Forschungsprojekt trägt wesentlich dazu bei, das Archiv der Asylbewegung zu erhalten und öffentlich zugänglich zu machen. Inhaltliches Ziel ist eine Monografie zur Rolle des Dissenses in der jüngeren Geschichte der schweizerischen Asylpolitik im trans- und internationalen Kontext.
 
Jonathan Pärli, Universität Fribourg
 
Erwähnte Literatur:

Doering-Manteuffel, Anselm/Raphael, Lutz: Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, Göttingen 2010.
Noiriel, Gérard: Die Tyrannei des Nationalen. Sozialgeschichte des Asylrechts in Europa, Springe 2016 (Übersetzung der 1991 erschienenen frz. Originalausgabe).
Rancière, Jacques: Zehn Thesen zur Politik, Zürich/Berlin 2008 (Übersetzung der 2000 erschienenen frz. Originalausgabe).

 

Digitales Sozialarchiv: Was bisher geschah


Die «digitale Revolution» ist in aller Munde. Im vergangenen November hat in Biel die erste nationale Konferenz «Digitale Schweiz» stattgefunden, an der rund 700 Personen aus Politik (darunter zwei Mitglieder des Bundesrats), Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung einen Tag lang über digitale Zukunftsstrategien diskutierten. Gedächtnisinstitutionen wie das Schweizerische Sozialarchiv befassen sich schon seit einem Vierteljahrhundert mit dem digitalen Wandel. Bibliotheken, Archive und Dokumentationsstellen haben sich in den letzten Jahren zu hybriden Informationszentren entwickelt, die die Sammlung und Vermittlung digitaler Dokumente vorantreiben, ohne ihren Auftrag im Bereich der analogen Kulturgütererhaltung und -vermittlung zu vernachlässigen. Sowohl durch ihr Know-how als auch durch ihre Gegenposition zu Tendenzen des digitalen «Postfaktizismus» sind die Gedächtnisinstitutionen Vorreiter der digitalen demokratischen Gesellschaft. Nicht umsonst wurde jüngst konstatiert, die Bibliotheks- und Informationswissenschaft könne heute sowohl «als eine Art Meta-Wissenschaft ihre Erfahrung in puncto Digitalisierung von Kulturobjekten als auch ihre Expertise in der Elektronisierung von wissenschaftlichen Arbeitsabläufen einbringen» (Redaktion LIBREAS: Editorial #30: Post-Digital Humanities, in: LIBREAS. Library Ideas 30 (2016). URL: libreas.eu/ausgabe30/editorial/).

Um die digitalen Herausforderungen und unsere Antworten darauf besser zu vermitteln, eröffnen wir hier eine neue Rubrik, die Sie über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden hält. Zum Auftakt fassen wir das Viele zusammen, was bisher im Bereich des digitalen Sozialarchivs geschah. Die digitale Revolution betrifft Gedächtnisinstitutionen wie das Schweizerische Sozialarchiv in doppelter Weise: Zum einen unterliegen sie und ihre BenutzerInnenschaft selber einem Prozess der Digitalisierung, zum anderen gilt dies auch für die von ihnen gesammelten Dokumente beziehungsweise die als UrheberInnen dahinterstehenden Personen und Institutionen. Aus dieser verdoppelten Digitalisierung ergeben sich verschiedene Herausforderungen: Die Metadaten der Bestände, Kataloge und Findmittel müssen digitalisiert und online angeboten werden. Die Information von und Kommunikation mit den BenutzerInnen geschieht zunehmend elektronisch. Analoge Bestände werden retro-digitalisiert und online zur Verfügung gestellt. Und genuin digitale Bestände müssen übernommen, erschlossen, langfristig gesichert und der Benutzung zugänglich gemacht werden.


Recherchecomputer im Lesesaal um die Jahrtausendwende (SozArch F 5009-Fx-066)

In all diesen vier Bereichen befindet sich das Schweizerische Sozialarchiv auf der Höhe der Zeit. Bereits 1992 ist es als erste geisteswissenschaftliche Institution dem damaligen Bibliothekskatalog der ETH Zürich beigetreten, aus dem im Laufe der Jahre durch das Hinzukommen immer neuer Institutionen, so der Zentralbibliothek Zürich, der Bibliotheken der Universität Zürich, aber auch zahlreicher Informationsstellen ausserhalb des Standortes Zürich, der heutige NEBIS-Verbund mit rund 140 Bibliotheken und Informationsstellen entstanden ist. Dessen gemeinsamer Katalog ging 1999 im World Wide Web online. Bald gilt es indessen von NEBIS Abschied zu nehmen: Für 2020/21 ist der Übergang zur «Swiss Libraries Service Platform» (SLSP) geplant, die sämtliche wissenschaftlichen Bibliotheken der Schweiz umfassen soll. Auch hier wird das Sozialarchiv selbstverständlich mit von der Partie sein – mehr dazu in einer der nächsten Nummern.

Seit 1998 informiert das Sozialarchiv über seine Bestände und deren Benutzung auf einer eigenen Website (www.sozialarchiv.ch), die kontinuierlich mit Links zu den neuen digitalen Katalogen angereichert wurde. Die Kataloge und Findmittel des Papierarchivs (www.findmittel.ch), der Dokumentation (www.sachdokumentation.ch) und des audiovisuellen Archivs (www.bild-video-ton.ch) sowie den Zettelkatalog der Bibliothek von 1906 bis 1992 hat das Sozialarchiv in eigener Regie digitalisiert, so dass seit 2014 sämtliche Bestände im Netz recherchierbar sind und online bestellt werden können. Im laufenden Projekt «Unity» werden die verschiedenen Findmittel enger zusammengeführt, mit zusätzlichen Suchfunktionen ausgestattet und visuell ansprechender präsentiert. Dem 2011 gestarteten Facebook-Auftritt folgen knapp 800 Personen, der 2015 begonnene elektronische Newsletter ist von rund 2'000 Personen abonniert. Der Betrieb eines Instagram-Accounts ist zurzeit in der Versuchsphase.

Darüber hinaus hat sich das Sozialarchiv an mehreren nationalen und internationalen online-Archivportalen (Archives Online, Europeana, Social History Portal, Memobase, arbeiterbewegung.ch) beteiligt. Zudem werden seit 2015 die Artikel der Wikipedia systematisch mit Hinweisen auf Archivbestände des Sozialarchivs angereichert; dasselbe ist für die digitale Neuversion des Historischen Lexikons der Schweiz («Neues HLS») geplant. Das Sozialarchiv ist aktives Mitglied der Open-GLAM-Initiative und hat sich an verschiedenen Hackathons beteiligt. Dem kooperativen Ansatz beim Angebot digitaler Daten und Metadaten ist auch die Infostation im Lesesaal des Sozialarchivs verpflichtet, die den Zugriff auf digitale Sammlungen anderer Institutionen und Datenbanken gestattet, etwa auf die Zeitungsdatenbank PresseDox, die Sendungsdatenbank FARO von Schweizer Radio und Fernsehen oder Memobase+ des Vereins Memoriav.


Webauftritt der Jahre 1998 bis 2010

Bei der Retro-Digitalisierung analoger Bestände konzentriert sich das Sozialarchiv auf zwei unter den Aspekten der Kulturgütererhaltung und Forschungsrelevanz besonders zentrale Bereiche: die audiovisuellen Quellen und die historischen Zeitungs- und Zeitschriftenbestände. Die seit über einem Jahrzehnt aufgebaute Datenbank Bild + Ton enthält zurzeit knapp 107'000 audiovisuelle Quellen (Fotografien, Grafiken, Filme, Videos, Tonaufnahmen und Tonbildschauen) aus rund 200 Beständen, von denen etwa 70'000 online konsultiert werden können. Damit verfügt das Sozialarchiv über ein einmaliges audiovisuelles online-Angebot, das von Wissenschaft und Öffentlichkeit und nicht zuletzt den Medien intensiv genutzt wird.

Von seinen umfangreichen historischen Zeitungs- und Zeitschriftenbeständen hat das Sozialarchiv ausgewählte Titel retro-digitalisiert. Eine Linkliste kann unter www.sozialarchiv.ch/spezialseiten/portale-mit-digitalen-quellen abgerufen werden. Seit 2014 läuft in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Nationalbibliothek ein grosses Projekt zur Retro-Digitalisierung der historischen Schweizer Gewerkschaftspresse, das mehrere 100'000 Seiten von Publikationen ehemaliger und noch bestehender Verbände sozialistischer, christlichsozialer, liberaler und evangelischer Ausrichtung in unterschiedlichen Wirtschaftsbranchen umfasst. Die erste von zwei Hauptetappen des Projekts ist beinahe abgeschlossen. Die Retro-Digitalisierung historischer Zeitungsbestände, die zurzeit von zahlreichen Gedächtnisinstitutionen vorangetrieben wird, generiert für die historische Forschung einen kaum zu überschätzenden Nutzen: Die früher übliche wochenlange Sichtung von Originalzeitungen oder Mikrofilmen (die den Schreibenden bei der Abfassung seiner Doktorarbeit seinerzeit zwei Dioptrien gekostet hat) wird dank der Möglichkeit der Stichwortsuche im Volltext massiv rationalisiert und präzisiert. Aber auch andere Disziplinen interessieren sich für retro-digitalisierte Zeitungen: Im Rahmen des laufenden interdisziplinären SNF-Sinergia-Projekts «impresso – Media Monitoring of the Past», das getragen wird vom Digital Humanities Laboratory der EPFL Lausanne, dem Institut für Computerlinguistik der Universität Zürich und dem Luxemburg Centre for Contemporary and Digital History, dienen die retro-digitalisierten Gewerkschaftszeitungen des Sozialarchivs zusammen mit anderen Beständen als Basis zur Entwicklung von Werkzeugen des historischen «text mining».

Die Sammlung und Langzeitsicherung genuin digitaler Quellen ist ein junger, aber immer wichtiger werdender Zweig der Kulturgütererhaltung. Auch in diesem Bereich befindet sich das Schweizerische Sozialarchiv auf der Höhe der Zeit. Seit 2007 beteiligt es sich am «Webarchiv Schweiz», einem von der Schweizerischen Nationalbibliothek geleiteten Projekt zur Archivierung landeskundlich wichtiger Websites. Die Sachdokumentation des Sozialarchivs wurde 2016 um die Sammlung von «Digitalen Schriften» (DS) erweitert. Nur noch im Web publizierte «graue» Dokumente zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen in der Schweiz werden seither als PDF archiviert und im Katalog der Sachdokumentation den entsprechenden Themen zugeordnet, wo sie online konsultiert werden können. Bereits jedoch werden von zahlreichen Organisationen viele Inhalte nicht mehr als Textdateien aufbereitet und zur Verfügung gestellt, sondern als html-Webseiten, Videoaufzeichnungen und Social-Media-Inhalte, was die Sammeltätigkeit vor neue Herausforderungen stellt.

Im laufenden Jahr durchläuft das neu konzipierte e-Archiv seine Versuchsphase. Damit wird es nun möglich, elektronische Archivablieferungen zu übernehmen und erschliessen, langfristig zu archivieren und der Benutzung zugänglich zu machen. Aufgrund der sehr eingeschränkten Möglichkeiten des vorarchivischen Records Management bei privaten Ablieferern wurde in Zusammenarbeit mit der Firma Docuteam eine pragmatische Lösung zur Strukturierung und Erschliessung dieser Bestände entwickelt. Machen heute bei Archivablieferungen Papierbestände noch die Mehrheit des Materials aus, so ist absehbar, dass sich in den kommenden Jahren das Schwergewicht immer mehr zu den elektronischen Beständen verschieben wird. Das Schweizerische Sozialarchiv ist nun gut gerüstet, auch diese Herausforderung anzunehmen.

Die Entwicklung des digitalen Sozialarchivs widerspiegelt sich spektakulär in den Statistiken des Medienangebots wie auch der Benutzung: 2010 wurden im Gesamtmedienangebot erst 1'725 digitalisierte Verzeichnungseinheiten ausgewiesen – sieben Jahre später sind es 69'580 Einheiten mit 378'917 dazu gehörigen Datensätzen. Im selben Zeitraum hat die Zahl der abonnierten elektronischen Zeitungen von 151 auf 689 Titel beziehungsweise einem Zehntel auf knapp die Hälfte der laufenden Periodika zugenommen. Und gab es im Betriebsjahr 1999 knapp 90'000 Hits auf die Website des Sozialarchivs, so verzeichnet die Web-Statistik heute, obwohl sie inzwischen um maschinengenerierte Hits bereinigt wird, jährlich rund 1,7 Millionen Zugriffe auf unsere vier URLs!
 
Christian Koller

 
 

Gertrud Vogler (1936-2018)


Gertrud Vogler mit Kamera auf dem Gelände des Autonomen Jugendzentrums Zürich, Oktober 1981 (Foto: Michel Fries; SozArch F 5111-013-012)

Aus Gertrud Voglers Wohnung im Lochergut blickt man weit über die Gleisanlagen und über Aussersihl. Vor einem halben Jahrzehnt war ich dort zum ersten Mal zu Besuch – vorausgegangen war ein scheues Telefonat, das ich in meiner Funktion als Archivar des Sozialarchivs machte: ob sie sich vorstellen könnte, dereinst ihr fotografisches Werk im Sozialarchiv zu deponieren? Was bei anderen komplizierte Verhandlungen mit unwägbarem Ende zur Folge haben könnte, war bei Gertrud Vogler nach drei Zigaretten erledigt: Sie, die mich vorher nicht kannte, war nach dem Besuch einverstanden, ihr gesamtes Archiv dem Sozialarchiv zu schenken. Ein unschätzbarer Fundus für die Sozialgeschichte der Schweiz, Resultat von 25 Jahren aufmerksamem, kritischem und empathischem Schauen durch die Linse!

Gertrud Vogler begann Mitte der 1970er Jahre mit Fotografieren: Sie regte sich über die Qualität der Fotos auf, die in Publikationen der Frauenbewegung kursierten, und griff selbst zur Kamera. Ihr Augenmerk galt von Anfang an den sozialen Bewegungen, die sie dokumentieren wollte, „weil es sonst niemand macht“. Als Auftragsfotografin arbeitete sie zuerst für verschiedene Publikationen, von der „Annabelle“ bis zum „Vorwärts“. Kurz nach der Gründung der WoZ kam die Anfrage, ob sie die Bildredaktion übernehmen wolle. Dort blieb sie bis zur Pensionierung 2003.

In diesen Jahren sind – teils im Auftrag der WoZ, teils aus ureigenem Interesse – eine Viertelmillion Fotos entstanden. Man kennt ihre Aufnahmen vom Platzspitz oder der Pariser Défense. Sie war in der Zürcher Jugendbewegung präsent und hat in besetzten Häusern fotografiert. Mit gleichem Engagement hat sie aber auch die Veränderungen des öffentlichen Raums durch penetrante Werbetafeln und die Vergitterung der Stadt dokumentiert. Und falls sie mal für einen Auftrag die Aktionärsversammlung einer grossen Bank fotografieren musste, hat sie neben Erwartbarem eben auch die Aushilfskräfte fotografiert, die mit den Stimmurnen durch die Massen eilten oder das Catering vorbereiteten.

Gertrud Vogler konnte Aufnahmen machen, wo den einen der Zutritt verwehrt war oder andere sich gar nicht mehr hin getrauten. In einer Zeit, in der Fotografen oft skeptisch beäugt oder als Spitzel verdächtigt wurden, genoss sie das Vertrauen der Szenen, die sie fotografierte – und die ihr am Herzen lagen.

Stefan Länzlinger
(erschienen im P.S. vom 9. Feb. 2018)

 

«Versuchen Sie’s bei Gretler!» – Nachruf Roland Gretler (1937-2018)

 
Nach meinem Stellenantritt im Sozialarchiv in den frühen Nullerjahren machte ich Erkundungstour bei verschiedenen Bildarchiven in der Schweiz. Nachdem ich etlichen eher behäbigen Einrichtungen in Archiven und Museen einen Besuch abgestattet hatte, stand ich eines Tages auch vor der Tür von Roland Gretlers «Panoptikum zur Sozialgeschichte» im vierten Stock des Kanzleischulhauses in Zürich. Hier war alles anders: kein Computer, keine Digitalisierungsstation, kein Verzeichnis. Dafür gab es Roland Gretler! Er nahm mich in Empfang, und nach wenigen Minuten befand ich mich im Sog seiner Erläuterungen, Erzählungen und Anekdoten zu einem Bild, welches er aus einem der unzähligen Schränke gezogen hatte.

Gretlers Panoptikum war das Resultat seines jahrzehntelangen Bemühens, die Geschichte der Arbeiterbewegung und anderer sozialer Bewegungen mit einem eigenen Bilderfundus zu bereichern. Dazu durchforstete er Flohmärkte und Brockenhäuser, klopfte bei den Organisationen der Arbeiterbewegung an und nutzte sein privates Netzwerk, um Nachlässe von einschlägigen Fotograf/innen vor dem Vergessen und der Vernichtung zu retten. So landeten zum Glück, um nur ein Beispiel zu erwähnen, viele Werke des Arbeiter-Fotobundes Zürich im Panoptikum. Die Gruppierung hatte sich Ende der 1920er Jahre in Zürich gefunden, um die eigene Lebenswelt fotografisch festzuhalten.


Roland Gretler an der 1.-Mai-Kundgebung 1980 in Zürich (Foto: Gertrud Vogler; SozArch F 5107-Na-07-030-006)

Ausgestattet mit einem ausgeprägten Sammeltrieb erweiterte Gretler sein Archiv stetig. Neben Fotografien, Plakaten und Flugschriften interessierte er sich auch für Flugblätter und Objekte und legte eine umfassende Bibliothek mit Fotobüchern an. Was genau alles in der Sammlung vorhanden war, erschloss sich allerdings nur ihm selbst. Wie attraktiv das Material aber ist, machen die Bildnachweise in unzähligen historischen Publikationen klar, die als Quelle das Panoptikum nennen. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Gretlers Werk als Sammler und Archivar dank einer sehr erfolgreichen Ausstellung über sein Panoptikum im Frühjahr 2013 in St. Gallen.

In gewissem Sinne stand das Sozialarchiv immer in einer Konkurrenzsituation zu Gretlers Panoptikum. Man fischte in den gleichen Teichen – wenn auch mit ganz anderen Methoden und einer grundverschiedenen Ausgangslage. Wie gross der Vorsprung von Gretlers Sammlung auf das Bildarchiv des Sozialarchivs in vielen Motivbereichen war, zeigte sich in den letzten Jahren immer wieder: Wenn bei uns zu einem Thema nichts vorhanden war, blieb uns nur der Tipp: «Versuchen Sie’s bei Gretler!» - Es bleibt zu hoffen, dass sein Lebenswerk erhalten bleibt und endlich die öffentliche Wahrnehmung erhält, die ihm zusteht.

Stefan Länzlinger

 

Neuzugänge in der Abteilung Archiv seit dem 1.1.2018:
 
Bestand Stichworte zum Inhalt Umfang
Pro Juventute Kinder der Landstrasse: Kopien; Provenienz: Thomas Meier
Laufzeit: 1912-1999
0,2 Lfm
GBI / SMUV Zürich Nachlieferung zu Ar 22 und Ar 422: Gremienunterlagen, GAV- Akten, Firmendossiers; Akten Gewerkschaftsbund Limmattal, Unterlagen GBI Sektion Amt-Limmattal-Horgen
Laufzeit: ca. 1900-2010
7,5 Lfm
Jet d’Encre, Hebdomadaire  socialiste romand Le fonds donne un aperçu assez complet de l'existence du journal de sa conception à sa fin; provenance: J.-F. Steiert, Fribourg
Dates extrêmes: 1989-2000
0,2 Lfm
SASSA Fachkonferenz  Soziale Arbeit der Fachhochschulen Schweiz, Conférence suisse des hautes écoles de travail social Unterlagen der Gremien (Vorstand, Rektorenkonferenz, Arbeitsgruppen und Kommissionen), thematische Dossiers (Berufsbild, Anerkennungsfragen etc.), Akten der Vorgängerorganisationen (u.a. Schweiz. Arbeitsgemeinschaft der höheren Fachschulen für Sozialpädagogik)
Laufzeit: ca. 1948-2015
9,0 Lfm
Sozialdemokratische Partei Stäfa Sektionsarchiv: Protokolle der Gremien, Jahresberichte, Jahresrechnungen, Unterlagen zu Wahlen und Abstimmungen
Laufzeit: 1911-2017
0,6 Lfm
VPOD Sektion Winterthur Gremienprotokolle der VPOD-Sektion Winterthur (bis 1920: Verein städtischer Arbeiter): Versammlungen, Vorstand
Laufzeit: 1911-1965
0,6 Lfm
     
Brändle-Ströh, Markus (*1944) Publikationen und Texte zu verschiedenen Themen (Psychologie, Sozialpsychologie, Wohnen, Städtebau), Vorlesungsmanuskripte (Handbücher und Arbeitsmaterialien), wenige autobiografische Dokumente
Laufzeit: 1968-2016
0,2 Lfm
Bretscher-Spindler, Katharina (1942-2016) Bilddokumente: Fotoalben und Einzelfotografien (Nachlieferung zu Ar 193)
Laufzeit: ca. 1935-1970
0,05 Lfm
 

Buchempfehlungen der Bibliothek:


Plakat zum Ostermarsch 1966 Schaffhausen – Zürich (SozArch F Pe-0699)

Regula Schmid, Gisela Hürlimann, Erika Hebeisen (Hrsg.): Reformen jenseits der Revolte. Zürich in den langen Sechzigern. Zürich 2018
(Signatur Gr 14461)

Anlässlich des «Jubiläums» von «1968» erschienen in den letzten Monaten zahlreiche Bücher, die das ereignisreiche Jahrzehnt thematisieren, darunter auch einige Schweizer Publikationen. Das Neujahrsblatt 2018 der Antiquarischen Gesellschaft beispielsweise widmet sich dem Schauplatz Zürich in jener Zeit. In dreizehn Beiträgen schauen Expertinnen und Experten auch auf die Jahre vor «68» und erzählen von Menschen und Organisationen in Stadt und Kanton Zürich, die in den «langen Sechzigern» Neues wagten und ihre Kräfte für nachhaltige gesellschaftliche Veränderungen jenseits der Revolte einsetzten.

Einige Illustrationen stammen aus dem Bildarchiv des Sozialarchivs, so zum Beispiel im Beitrag von Elisabeth Joris, in dem einzelne Vertreterinnen der Frauenbewegung porträtiert werden, oder im Artikel von Jakob Tanner, der die Antiatombewegung der 1960er Jahre in den Blick nimmt.

Weitere kürzlich von der Bibliothek erworbene Bücher zum Thema «1968» (Auswahl):

  • Richard Vinen: . München 2018 (Signatur 138253)
  • Samuel Geiser, Bernhard Giger, Rita Jost, Heidi Kronenberg, Alexander Jaquemet: . Bern 2018 (Signatur 138311)
  • Benedikt Weibel: . Zürich 2017 (Signatur 137468)
Bestände im Sozialarchiv zum Thema (Auswahl):

Sachdokumentation: Archiv:
  • Ar 40 Federazione Colonie Libere Italiane in Svizzera (FCLIS)
  • Ar 465 und F 5060 Frauenbefreiungsbewegung Zürich (FBB) / Autonomes Frauenzentrum Zürich
  • F 5093 Zürcher Manifest


Georg Kreis: Einstehen für «entartete Kunst». Die Basler Ankäufe von 1939/40. Zürich 2017
(Signatur 137844)

1939/40 kaufte das Basler Kunstmuseum von den Nationalsozialisten 21 aus deutschen Museen geraubte Kunstwerke, darunter mehrere, die 1937 in der Münchner Ausstellung «Entartete Kunst» zu sehen gewesen waren. Der Historiker Georg Kreis hat dies schon 1990 in der Erstveröffentlichung seines Buchs «‹Entartete› Kunst für Basel» beschrieben.

Nun ist das Buch neu aufgelegt worden: In den letzten Jahren haben sich nicht nur die Fragestellungen in der Geschichtswissenschaft geändert und wurde weitere Forschung betrieben – durch den Fund der «Sammlung Gurlitt» wurde das Thema auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Weitere aktuelle Bücher zum Thema in der Bibliothek:

  • Maurice Philip Remy: Der Fall Gurlitt: Die wahre Geschichte über Deutschlands grössten Kunstskandal. Berlin 2017 (Signatur 138074)
  • Oliver Meier: Der Gurlitt-Komplex: Bern und die Raubkunst. Zürich 2017 (Signatur 137141)
  • Thomas Buomberger, Guido Magnaguagno (Hrsg.): Schwarzbuch Bührle: Raubkunst für das Kunsthaus Zürich? Zürich 2015 (Signatur 132130)


Laura Spinney: 1918 – Die Welt im Fieber. Wie die Spanische Grippe die Gesellschaft veränderte. München 2018
(Signatur 138130)

Als der Erste Weltkrieg zu Ende ging, forderte eine andere Katastrophe weltweit zwischen 20 und 50 Millionen Tote: die Spanische Grippe. Binnen weniger Wochen erkrankte ein Drittel der Weltbevölkerung. Ob in Europa, Asien oder Afrika, an vielen Orten brachte die Grippe die Machtverhältnisse ins Wanken, und da die Herkunft des Influenzavirus unbekannt war, gaben sich diverse Staaten gegenseitig die Schuld am Auftreten der Grippe. In Spanien trat sie auf jeden Fall nicht zuerst auf. Ihren Namen erhielt die Krankheit, weil es im neutralen Spanien – im Gegensatz zu anderen Ländern – keine Nachrichtensperre während des Weltkriegs gab und die spanische Presse über die Krankheit berichtete.

Das nun auf Deutsch übersetzte Buch von Laura Spinney fasst die damaligen Ereignisse in einem globalen Kontext zusammen und zeigt auf, wie die Pandemie den Krieg beziehungsweise dessen Ende weltweit beeinflusste.


Susanne Brügger

 
 

Neuanschaffungen

Auch in den vergangenen zwei Monaten haben wir unseren Bestand weiter ausbauen können. Zu den Neuerwerbungen zählen in diesen Monaten Bücher, Zeitschriften u.a. Hier finden Sie eine komplette Auflistung aller aktuellen Neuerwerbungen - Januar / Februar 2018.

Möchten Sie sich selbst einen Überblick über unsere stetig wachsende Sammlung verschaffen, so können Sie auf unserer Homepage die Suche Ihren genauen Bedürfnissen anpassen.

Gibt es etwas, was wir noch nicht haben? Kennen Sie einen Geheimtipp, den wir unbedingt in unser Angebot aufnehmen sollten? Wir freuen uns über Ihren Anschaffungsvorschlag.

 

Haben Sie Fragen, Anregungen, Kritik? Zögern Sie nicht mit uns Kontakt aufzunehmen.


Möchten Sie diesen Newsletter nicht mehr erhalten? Abmelden.
Haben Sie sich fälschlicherweise abgemeldet und möchten den Newsletter erneut abonnieren? Anmelden.

Im Newsletter-Archiv finden Sie vergangene Ausgaben.

Datenschutz
 
E-Mail-Verteiler
 
In unserem Newsletterverteiler ist nur Ihre E-Mail-Adresse gespeichert. Diese E-Mail-Adresse wird nicht an Dritte weitergegeben. Es sind keine weiteren personenbezogenen Angaben von Abonnentinnen und Abonnenten erfasst.
 
Nutzungsprofile
 
Der Newsletter wird mit Hilfe des Programmes Mailchimp erstellt. Dieses Programm erlaubt eine statistische Auswertung der Newsletternutzung sowie detaillierte Angaben zur Öffnung des Newsletters, zu An- und Abmeldungen und zur Klickfrequenz der einzelnen im Newsletter enthaltenen Links. Zudem wird über diverse Feedbackfunktionen eine direkte Kommunikation mit den Abonnentinnen und Abonnenten ermöglicht.
 
Das Mailchimp-Programm ist in der Lage, weitgehende personenbezogene Nutzungsprofile zu erstellen. Das Schweizerische Sozialarchiv nimmt diese Funktion aber ausdrücklich nicht in Anspruch.
 
An- und Abmeldung
 
Das Schweizerische Sozialarchiv ist sich bewusst, dass Datenschutzfragen sehr aktuell sind und politisch und rechtlich brisant sein können. In jedem Newsletter findet sich deshalb ein direkter Link zum Ändern oder Löschen der persönlichen Daten. Wenn Sie sich entschieden haben, den Newsletter abzumelden, sind die Daten unwiderruflich gelöscht und können von uns nicht wiederhergestellt werden. Wir danken für Ihr Vertrauen.
 

Copyright © 2018 Schweizerisches Sozialarchiv, All rights reserved.


Von der Verteilerliste abmelden    Meine Adresse hat sich geändert

 






This email was sent to <<E-Mail-Adresse>>
why did I get this?    unsubscribe from this list    update subscription preferences
Schweizerisches Sozialarchiv · Stadelhoferstrasse 12 · Zürich 8001 · Switzerland

Email Marketing Powered by Mailchimp