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Guidos Wochenpost
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Zum 80:20-Tee bei Pareto.

Neulich erhielt ich eine Einladung zum Tee bei Willie Pareto, dem Urenkel von Wilfried Fritz Pareto. Das ist jener vielzitierte Ingenieur und Ökonom, der als erster erkannte, dass sich 80 Prozent des Ergebnisses mit 20 Prozent Mitteleinsatz erreichen lassen. Demnach tragen beispielsweise 20 Prozent der Steuerzahler hierzulande 80 Prozent des Steueraufkommens.

Das Prinzip ist extrem spannend aus zwei Hauptgründen: Es hilft uns, konsequent angewendet, auf das Wesentliche zu fokussieren. Wenn ich beispielsweise weiß, dass 20 Prozent meines Aufwands für 80 Prozent meines unternehmerischen Erfolges verantwortlich sind, kann ich mich auf diese Schritte konzentrieren, den Rest outsourcen, vernachlässigen oder ganz sein lassen. Außerdem ist das Pareto-Prinzip steigerbar. Wenn ich weiß, welche 20 Prozent für 80 Prozent meines Erfolges sorgen, kann ich auf die nächste Stufe steigen. Denn es ist dort wieder so, dass nur 20 Prozent von diesen 20 Prozent für 80 Prozent dieser 80 Prozent verantwortlich sind.  

Zurück zum Tee: Ich nahm Willie Paretos Einladung zu etwa 20 Prozent mit großer Freude an. So konnte ich 80 Prozent der möglichen Gesamtbegeisterung erzielen. Der Aufwand, die volle Begeisterung zu erreichen, erschien mir unangemessen, wollte mich ja nicht unnötig verausgaben.

Die Anreise, so hatte mich mein Gastgeber gewarnt, sei recht beschwerlich, der Schalterbeamte am Bahnhof verlange zumeist und wider die Natur von mir den vollen Fahrpreis (100%) für die volle Strecke. Pareto hatte mir geraten, mich 500-prozentig zu ereifern, um mit diesen Sturköpfen handelseinig zu werden. Das klappte auch hervorragend - nur der Preis blieb gleich.

Willie Pareto holte mich persönlich an Gleis 8 ab. Er trug über der 8/10-Hose mit den zu kurzen Beinen lediglich eine dicke Wollweste, genug, ihn ungefähr warm zu halten, wie er mir später erklärte. Er lächelte mich an, und ich erschrak, hatte er doch nur noch 6,4 Zähne im Mund. Er erkannte meine Gedanken und erläuterte mir auf der Überlandfahrt (bei exakt 80 km/h), dass ihm diese Anzahl an Zähnen zur weitgehend ausgewogenen Ernährung völlig ausreiche und er ohnehin nur jede fünfte Mahlzeit einnehme. Alles andere sei unnötige Völlerei.

Bei handwarmem Tee sprachen wir über Mathematik, Philosophie, Religion, Eliten und Wachstum. Der Nachfahre des berühmten italienischen Ingenieurs wunderte sich über die deutsche Erbschaftsteuer, unsere Regierung (welche Regierung?) und die Datenschutzgrundverordnung. Was ihn hingegen freute, war der Erfindungsreichtum unserer Unternehmen. Er war bestens informiert, was uns so bewegt. 

Das mit den Streiks kleiner Gewerkschaften bereite ihm großes Kopfzerbrechen. Wieso wir zuließen, dass 10 Prozent der Lokführer 100 Prozent der Bahnreisenden pesten dürfen, verstand er nicht. Und wieso eine ehemalige Volkspartei, die mit 80-prozentiger Sicherheit von mehr als 20 Prozent die nächsten 80 Jahre nur noch träumen könne, in der politischen Verantwortung stehen und 80 Prozent der mittelständischen Unternehmen mit Kontroll- und Dokumentationsaufgaben zur Verzweiflung bringen dürfe, schon mal gar nicht.

Auch das Steuerwesen konnte er nicht nachvollziehen. Der Staat mache einen Fehler, wenn er aus jenen 20 Prozent Steuerzahlern, die ohnehin für 80 Prozent des Aufkommens gerade stünden, kumuliert 80 Prozent ihrer Leistung in Form von Steuern und Abgaben herauspressen wolle. Denn so riskiere man, dass 80 Prozent der 20 Prozent ihre Solidarität mit dem Staat auf unter 20 Prozent sacken lassen und ihr Wirken dorthin verlagern, wo ihre Leistung honoriert und ihnen ihr Erfolg belassen wird.

Wir hatten vereinbart, einen ganzen Tag miteinander zu verbringen, und so machte ich mich recht zufrieden nach 4,8 Stunden wieder auf den Heimweg. Während die Landschaft langsam an meinem Zugfenster vorbeiglitt, nutzte ich nach einer 20-prozentigen Anstrengung bei Lektüre der Zeitung mit den großen Buchstaben die übrige Fahrzeit und fragte mich, wie ich Paretos großes Wissen für mich nutzen könne.

Denn wenn 20 Prozent von 20 Prozent Aufwand für 80 Prozent von 80 Prozent Ergebnis verantwortlich sind, bedeutet dies, dass 4 Prozent meines Aufwands für 64 Prozent meines Ergebnisses sorgen. Wenn ich also den Rest weglasse und diese Maßnahmen verdreifache, hätte ich, so meine laienhafte Hochrechnung, 12 Prozent des heutigen Aufwands, aber 192 Prozent Ergebnis. An der Vorfreude darauf hatte ich mit 1,28 Zähnen den Rest des Tages zu kauen.
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Porträt: Heike Rost

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