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Illustration: © Catherine Meurisse

Liebe Leserinnen und Leser,

die aktuellen Freiheitsbeschränkungen, so bemerkte Angela Merkel gestern in ihrer Regierungserklärung, sind eine „demokratische Zumutung“. Das stimmt zweifellos. Deshalb zwingen sie uns, bei jeder beschlossenen Maßnahme sehr genau hinzuschauen. Und vor allem darauf zu achten, dass sie alle zeitlich tatsächlich nur auf den pandemischen Ausnahmezustand beschränkt bleiben und nicht zum Einfallstor eines andauernden „Durchregierens“ werden. Gleichzeitig sind Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbot aber auch eine Nagelprobe für unser eigenes Freiheitsverständnis.

Denn eines wird in diesen Wochen mehr als deutlich: Jener, wie es der SZ-Journalist Gustav Seibt jüngst in einem anderen Kontext nannte, „Auspuff- und Schnitzelliberalismus“, der Freiheit lediglich als Abwesenheit von Einschränkungen, ja als „Ich kann machen, was ich will“-Mentalität begreift, ist eine radikale Verkürzung dessen, was Freiheit in einer Demokratie bedeuten kann – und muss. Genau diesem Thema widmet sich auch Claus Dierksmeier in unserem ersten Denkanstoß. Darin argumentiert er: Gerade in der Pandemie zeigt sich, dass wir kein quantitatives, sondern ein qualitatives Verständnis von Freiheit brauchen. Letztere bestehe dabei nicht einfach in der Summe individueller Optionen, sondern in der Ermöglichung gegenseitiger Freiheit. Sprich: Kontaktbeschränkungen mögen dem einzelnen Verzicht abnötigen, schützen aber die Freiheit des anderen, ja, sichern sein nacktes Überleben.

Wobei die Frage der Freiheit sich dieser Tage nicht nur hinsichtlich konkreter Infektionsschutzmaßnahmen, sondern auch mit Blick auf die ökonomische Bewältigung der Corona-Krise stellt. Denn all jene Kredite, die in Europa nun zur Abfederung des Konjunktureinbruchs aufgenommen werden, müssen irgendwann beglichen werden. Die Frage ist nur: von wem? Im Zuge der Finanzkrise, man erinnert sich, waren es europaweit vor allem die Bürgerinnen und Bürger, die durch Austeritätsmaßnahmen, also eine wirtschaftliche Form der Freiheitsbeschränkung, den Bail-out der Banken bezahlten. Dies, so argumentiert Jule Govrin in unserem zweiten Denkanstoß darf sich nicht wiederholen. Vielmehr brauche es jetzt neue Formen der Umverteilung – und zwar von oben nach unten.

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Alles Gute!

Nils Markwardt
(Leitender Redakteur)

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Denkanstoß von Claus Dierksmeier 

Wessen Freiheit?

Im Zuge der Corona-Pandemie erleben wir derzeit viele Einschränkungen. Aber ist das auch ein Freiheitsverlust? Kommt darauf an, ob wir ein quantitatives oder qualitatives Verständnis von Freiheit haben. 

Foto: Franck V. (Unsplash)

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Denkanstoß von Jule Govrin 

Wer soll das bezahlen?

Zur Abfederung der Corona-Krise müssen sich Staaten derzeit massiv verschulden. Darauf darf keine neue Ära der Austerität folgen. Vielmehr braucht es neue Formen der Umverteilung.

Foto: Jannik Selz (Unsplash)

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 Netzlese 

 Im Interview mit ZEIT ONLINE spricht der Anthropologe David Graeber über den Unterschied zwischen „systemrelevanten Berufen“ und „Bullshit-Jobs“, die Möglichkeit eines Grundeinkommens sowie den Chancen, dass die Corona-Krise unsere Arbeitswelt verändert.

Im History & Politics Podcast der Körber Stiftung spricht der Umwelt- und Wissenschaftshistoriker Frank Uekötter über Erklärungsmuster für Krisen und den Umgang mit Massenerkrankungen. Dabei wird deutlich, warum wir zu schnell zu retrospektiven Fortschrittserzählungen neigen und welche Potentiale eine nicht-lineare Geschichtserzählung bietet.

 Zum Innehalten 

Pessimismus ist Sache des Gemüts, Optimismus Willenssache

 — Émile-Auguste Chartier (Alain), Die Pflicht, glücklich zu sein (1925)

 Und abseits von Corona? 

Derrida und die Dekonstruktion

Was wir als Identität begreifen, so lautet die bahnbrechende These Derridas, ist ein nachträglicher Effekt unseres sprachlichen Gebrauchs. Wenn wir also Zeichen anders verwenden, ihre Bedeutungen aufbrechen, verändern wir die Wirklichkeit: Genau dies ist das Versprechen der Dekonstruktion.

Illustration: Bertrand Sallé, Bildvorlage: Jacqueline Salmon/Artedia/Leemage/picture-alliance

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