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Illustration: © Catherine Meurisse

Liebe Leserinnen und Leser,

lassen Sie es uns offen zugeben: Wir alle sind bis zu einem gewissen Grad voyeuristisch veranlagt. Besonders deutlich wird das durch die viele Videokonferenzen, die derzeit abgehalten werden. Offenbaren die Liveschaltungen aus den privaten Räumlichkeiten der Teilnehmenden doch Einblicke, an die vor der Krise kaum zu denken war. Wann sonst hätte man das Bild zu sehen bekommen, das die Wohnzimmerwand des Chefs bzw. der Chefin ziert? Und wann hätte man einen Blick auf den chaotischen Kleiderschrank des Kollegen oder der Kollegin erhascht? Ich möchte es gestehen: Uninteressant finde ich all das nicht. 

Doch so amüsant der Blick in andere Räume sein mag, so unvermittelt muss einen auch die Erkenntnis treffen, dass wohl auch das eigene Zimmer Gegenstand eingehender Betrachtung ist. Ein Gefühl, das mindestens als unangenehm empfunden werden kann, eigentlich aber als geradezu unheimlich im Sinne Sigmund Freuds zu bezeichnen wäre. Dieser nämlich verstand das Unheimliche nicht als das Unbekannte, das uns durch seine Fremdheit in Angst und Schrecken versetzt, sondern als etwas, das uns vertraut und unvertraut zugleich ist. Eben: unheimlich. So kann uns mitunter die eigene Küche seltsam entrückt vorkommen, weil wir sie kurz vor der nächsten Konferenz nicht mehr nur als Rückzugsort wahrnehmen, sondern als einen Raum erkennen, den andere als repräsentativ für uns sehen könnten. Es ist eine durchaus prekäre Situation, wenn wir uns in unserer eigenen Wohnung nicht mehr ganz heimisch fühlen, leitet sich das Verb „wohnen“ doch vom altdeutschen „wonên“ ab, was soviel wie „zufrieden sein“, „bleiben wollen“ bedeutet.

Was es also braucht, damit wir weiterhin gut durch diese außergewöhnliche Situation kommen, ist Vertrauen. Das Vertrauen im Kleinen, dass zwar ein Witz über die vermeintlich hässlichen Gardinen gemacht, jedoch nicht der gesamte Charakter des bekennenden Fans großflächiger Musterung in Abrede gestellt wird. Und Vertrauen im Großen, wie es Martin Hartmann in unserem heutigen Newsletter ausführt. Im Interview erläutert der Philosophdass die aktuelle Krise unser Vertrauen zwar in nahezu ungekanntem Maße auf die Probe stellt, gerade deshalb aber ein gesundes Misstrauen gegenüber der Politik dringend notwendig ist.

Unseren Newsletter und die Denkanstöße zur Corona-Krise stellen wir Ihnen gerne kostenlos zur Verfügung. Wir freuen uns jedoch über Ihre Unterstützung durch ein Probeabo oder auf anderem Wege.

Alles Gute!

Ihr Dominik Erhard
(Redakteur)

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Denkanstoß von Martin Hartmann 

Vertrauen braucht Optionen

Die Corona-Krise schafft eine Ausnahmesituation, die unser Vertrauen auf eine harte Probe stellt. Doch gerade deshalb sei gegenüber der Politik auch ein gesundes Misstrauen nötig, meint der Philosoph Martin Hartmann im Interview.

Foto: McKenna Phillips (Unsplash)

Zum Text

 Netzlese 

 Im Interview mit ZEIT ONLINE spricht die Anthropologin Shalini Randeria darüber, wie die Corona-Pandemie globale Ungleichheiten sichtbar macht, warum auch in westlichen Staaten die Ärmeren stärker vom Virus betroffen sind und weshalb ein möglicher Impfstoff nicht patentiert werden dürfe.

In der taz denkt Adrian Lobe über die problematische Metapher der „Datenspende“ nach, die im Zusammenhang mit der Corona-App des Robert-Koch-Instituts aufgekommen ist, und warnt mit Verweis auf Michel Foucault vor einer „biopolitischen Übergriffigkeit“ des Staates.

 Zum Innehalten 

Je ernster die Lage, umso ernster kann die Funktion des Unernstes werden

 — Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen (1956)

 Und abseits von Corona? 

Charles Darwin und die menschliche Natur

Die klassische Naturgeschichte wies dem Menschen einen Ausnahmestatus zu. Durch die Entdeckungen Charles Darwins war diese Sicht passé. Der britische Forscher erkannte in den Arten das Ergebnis eines langen Evolutionsprozesses, in dessen Verlauf die am besten Angepassten triumphieren.

Illustration: Séverine Scaglia / Bildvorlage: akg-images

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