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Wunder gibt es immer wieder
Heute oder morgen
Können sie geschehen
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Good evening, Europe!

Wenn Ihr gedacht hattet, dass Ihr dieses Jahr keine ESC-Inhalte ertragen müsst, habt Ihr Euch geirrt! (Aber warum hättet Ihr dann diesen Newsletter abonniert?!) Obwohl in Rotterdam gerade keine Proben stattfinden, am Sonntagabend keine welcome reception mit roten Teppich, Fingerfood, Drinks und Reden, und vor allem nächste Woche Dienstag und Donnerstag keine großen ESC-Halbfinals, gibt es am Samstag nicht eine, sondern gleich zwei ESC-Methadon-Dosen im Ersten — plus eine Wiederholung des ESC 2010, der ja dadurch in die Geschichtsbücher einging, dass Stefan Niggemeier und ich dort erstmalig ein ESC-Videoblog produziert haben.

Bevor aber Barbara Schöneberger am 16. Mai in der (fast) menschenleeren Elbphilharmonie den deutschen „Sieger der Herzen“ küren kann, gibt es am 9. Mai (also morgen/heute — oder bereits in der Vergangenheit, je nachdem, wann Ihr diese E-Mail lest) auf One (bitte frühzeitig einschalten, selbst ich muss erst mal ein bisschen zappen, um das zu finden!) das „deutsche Halbfinale“, in dem alle 41 Songs ausgespielt werden, die dieses Jahr in Rotterdam zu hören und zu sehen gewesen wären. Ihr könnt abstimmen (außer für Deutschland) und die zehn Songs mit den meistens Stimmen laufen dann nächsten Samstag in der Show im Ersten.

So. Jetzt wisst Ihr, was Ihr an den nächsten beiden Samstagabenden macht, und auch noch, was ich in den letzten Tagen so gemacht habe, und warum ich jetzt trotzdem ein bisschen in ESC-Stimmung bin. (Nordmazedonien!)
 



Langsam, aber sicher, kommt es in Sachen Corona ja jetzt zu sogenannten Lockerungen. Ich bin kein Fachmann, aber ich sehe das alles sehr kritisch — vor allem, weil die meisten Fachleute es sehr kritisch sehen. Natürlich freue ich mich, dass das Kind ab nächste Woche wieder in den Kindergarten gehen und seine Freund*innen sehen kann, aber ich selbst brauche für mich keine Veränderungen. (Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man sich auch erst mal um die Kinder gekümmert, die ja nicht mit Textnachrichten und Videoanruf mit ihrer peer group in Kontakt bleiben können, und sowas wie Biergärten und Möbelhäuser ungefähr hinter „das Garagentor ölen“ und „Altglas wegbringen“ auf die To-Do-Liste gesetzt. Das Gute bei den ganzen Neuregelungen: Man muss ja nicht mitmachen.)

Mich überfiel in den letzten Tagen deshalb eine etwas merkwürdige Stimmung. Sie hatte ein bisschen mit Sorge zu tun, wie sich das jetzt entwickelt (dazu bin ich zufällig auf einen sehr interessanten Artikel des Psychiaters Jan Kalbitzer bei jenem Medium gestoßen, das ich immer noch „Spiegel Online“ nenne), aber noch mit irgendetwas anderem, auf das ich tagelang nicht kam. Dann fiel mir ein, was sehr aufmerksame und langjährige Leser*innen dieses Newsletters bereits ahnen: Es war jene Der-letzte-Sonntag-der-Weihnachtsferien-Melancholie, die mich jedes Jahr Anfang Januar überfällt, wenn die schöne, festliche Zeit zu Ende geht und der sogenannte Alltag wieder beginnt.

Und dann verstand ich auch plötzlich, warum mich das alles so irritiert: Das, was Ihr „die Rückkehr zur Normalität“ nennt, ist für mich eher das Gegenteil. Meine Normalität in den letzten zehn, zwölf Jahren war näher dran an Eurem Ausnahmezustand: Ich war halt zuhause und hab dort irgendwie vor mich hingearbeitet. Und durch den lockdown waren mir die meisten Menschen plötzlich näher als sonst, weil eben die meisten auch zuhause waren und so was ähnliches gemacht haben. Und jetzt habe ich ein bisschen Angst, dass sich dieser Zustand und diese Nähe wieder auflöst. Bisschen egoistisch, natürlich, aber: hey!

Ich hab mir aber schon vorgenommen, all das, was mir in den letzten Wochen gut getan und gefallen hat, auf alle Fälle beizubehalten: viel weniger sinnlos am Rechner sitzen, viel weniger Social Media und Nachrichten (hähä, was mach ich nochmal beruflich?!), dafür mehr Kultur, mehr Frischluft und mehr Basteln.
 



Die Deutsche Bahn hat nämlich auf einer eigenen Website Bastelbögen zum Ausdrucken und Basteln zur Verfügung gestellt und jetzt ratet mal, wer in der letzten Woche unter der strengen Aufsicht eines Fachmanns eine Regionalbahn, einen ICE, den Berliner Hauptbahnhof, den „Adler“ (Nürnberg - Fürth, die Älteren werden sich erinnern) und noch ein ganzes Bahnhofs-Diorama gebastelt hat?

Ich hatte sowas in meiner Kindheit schon stundenlang gemacht und auch eigene Modelle von Theaterbühnenbildern, „Tagesschau“-Studios und ESC-Bühnen („you can’t connect the dots looking forward; you can only connect them looking backward“, wie Steve Jobs sagte) zusammengefrickelt, meine letzte Woche darf also durchaus als Rückfall bezeichnet werden — nur, dass ich diesmal mit deutlich weniger Verletzungen davon kam! Weil mit dem Kinderkram ja (s.o.) nächste Woche Schluss ist, habe ich durchaus vor, tiefer in die Welt der papercraft einzutauchen — ob es aber unbedingt direkt der Kölner Dom (43 DIN-A-4-Seiten) sein muss, weiß ich noch nicht.
 



Was mich wirklich beunruhigt hat, sind jene einzelnen Menschen, die mit haarsträubenden Gedanken zum Thema Corona um die Ecke kommen. Wie die Frau, die gestern vor einer Bäckerei stand und erklärte, wir hätten jetzt den „Gesundheits-Faschismus“ im Auftrag der Pharma-Industrie. Sie sei niemand, der Verschwörungstheorien anhänge, aber das sei ja offensichtlich.

Ich kann da natürlich nur für mir sprechen, aber wenn ich eine Verschwörung planen würde, aus der ich als Gewinner hinausgehen wollte, würde ich als Pharma-Industrie zum Beispiel einen Plan schmieden, bei dem ich dann nach kurzer Zeit auch mit dem verdammten Heilmittel um die Ecke kommen und den großen Reibach machen kann. Aber nun gut, was weiß ich von Verschwörungen? (Genauso wenig wie irgendjemand sonst, weil echte Verschwörungen viel zu viele Mitwissende hätten und das Risiko, dass jemand auspackt, viel zu groß wäre. Aber das ist halt leider wieder Wissenschaft.)

Auch ein geiles Argument, das ich neulich leider auch im eigenen Umfeld hören musste: Der Shutdown sei völlig übertrieben gewesen, weil es ja so wenige Erkrankungen gegeben habe. Nach dieser Logik wären Beschriftungen wie „Diese Tüte ist kein Kinderspielzeug, Erstickungsgefahr!“ oder „Bitte keine Haustiere in die Mikrowelle packen!“ auch übertrieben, weil es (zum Glück) so wenige Fälle von beidem gibt. Aber vielleicht gibt es ja auch so wenige Fälle davon, weil es diese Beschriftungen gibt, Kevin!

Beide Geschichten funktionieren („funktionieren“) vor allem nur solange, wie man sich die (aktuellen, lasset uns beten!) Zahlen aus Deutschland anschaut. Ein Blick in ein Land, das den Deutschen zugegebenermaßen weder popkulturell noch touristisch nahesteht, zeigt aber, wie es aussehen kann, wenn man nicht von einer Wissenschaftlerin regiert wird, die auf Wissenschaftler hört, sondern von einem Fernsehgesicht, das auf Fernsehgesichter hört (Köche, Sänger oder Filmschauspieler sind in dem Zusammenhang übrigens auch keine gute Quelle).

Die passende Antwort auf diesen Unsinn ist mir leider, wie immer, erst hinterher eingefallen: „Du, ich kenn einen Krankenhausarzt in Norditalien, den können wir gerade mal anrufen! Falls er rangeht ...“
 



So. Genug rage jetzt! Die Rückmeldungen auf den letzten Newsletter waren wieder sehr charmant: von OK-Cupid-Matches mit Igor Levit bis hin zu Musiktipps war alles dabei! Da weiß ich, warum ich das mache!



Was macht der Garten? Es gibt hier jetzt mehr große Dürren als mich. (Oh Gott, bitte erschießt mich mit der Wasserpistole!)

Was hast Du gehört? Ich hab mich weiter durch „32 x Beethoven“ gehört (Apple PodcastsSpotify) und bin jetzt mit der „Mondscheinsonate“ durch. Es wird sogar immer noch besser!

Außerdem hat Queen Demi Lovato ihrem Self-Empowerment-Song „I Love Me“ einen Emo-Remix (Spotify, Apple Music) spendiert, auf dem Travis Barker (der beste Schlagzeuger der Welt, fragen Sie das Kind!) alle Register zöge, wenn diese Metapher mit Schlagzeugen zusammenhinge und nicht mit Orgeln. (Schon der zweite dad joke im Fragebogen! Ich bin übrigens nüchtern. Aber müde.)

Was hast Du gelesen? Ist Corona und schon von Mitte April, aber das „Tagesspiegel“-Interview mit Kevin Kühnert über Eckkneipen sollte man schon lesen, wenn man Kevin Kühnert und/oder Kneipen mag. (Und was sind das für Menschen, die weder den einen noch das andere mögen?!)

Was hast Du gesehen? Ich bin mit der ersten Staffel „The Mandalorian“ durch! Und es stellt sich raus: Wenn man die letzte (zum Glück nur achte) Folge gesehen hat, ist es eine erstaunlich runde, unterhaltsame Sache. Aber was ist das bitte für ein Konzept, darauf zu hoffen, dass Menschen sich fünfeinviertel Stunden abmühen, um dann endlich „Ach, cool!“ zu denken?! (... sagte der Mann, der eigentlich in der kommenden Woche ca. 26 Stunden ESC gesehen hätte.)

Was hast Du gelernt? Alleskleber trägt seinen Namen zurecht.
Stay positive, Euer Lukas

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