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Das Urteil von Karlsruhe

2 Fragen an...

Prof. Dr. Astrid Epiney
Professorin und Direktorin am Institut für Europarecht der Universität Freiburg, sowie Rektorin der Universität Freiburg
1. Aus welchem Kontext heraus kam das Urteil des deutschen Verfassungsgerichts (BVerfG) zu Stande und um was geht es genau? Im Urteil geht es um die Rechtmässigkeit des Programms der EZB zum Ankauf von Staatsanleihen, dies aufgrund von Verfassungsbeschwerden, in welchen geltend gemacht wurde, die EZB habe mit dem Programm die EU-Verträge und die deutsche Verfassung verletzt.  

2. Was sind die Folgen dieses Urteils für die Europäische Union insgesamt? Das BVerfG stellt sich ausdrücklich und in harschen Worten gegen den EuGH, der in einem auf Anfrage des BVerfG (das sog. Vorabentscheidungsverfahren) ergangenen und detailreich begründeten Urteil zum Schluss kam, die erwähnten Massnahmen seien vom Mandat der EZB gedeckt und verhältnismässig, so dass sie mit dem Unionsrecht in Einklang stünden. Diese Ausführungen seien – so das BVerfG – «methodisch nicht mehr nachvollziehbar» und «objektiv willkürlich», so dass es nicht an dieses Urteil des EuGH gebunden sei. Damit beansprucht das BVerfG das «letzte Wort» bezüglich der Frage, ob eine bestimmte Auslegung des Unionsrechts vertretbar ist oder nicht.
 
Durch diese Infragestellung der dem EuGH durch die EU-Verträge eingeräumten Kompetenz zur letztverbindlichen Auslegung des Unionsrechts werden Akzeptanz und Verbindlichkeit des Unionsrechts und die Rolle der obligatorischen Gerichtsbarkeit in ihren Grundfesten erschüttert. Eine Rechtsgemeinschaft verträgt es nicht, wenn die Mitglieder den Anspruch erheben, die eigenen Vorstellungen bei Bedarf und unter Missachtung der vorgesehenen Verfahren zum Massstab für alle und die gemeinsamen Organe zu erklären. Objektivierbare Schranken eines solchen Anspruchs sind nicht ersichtlich. Sollen Gerichte ihre Rolle, Streitigkeiten über geordnete Verfahren beizulegen, wahrnehmen können, sind Urteile eben auch dann zu beachten, wenn man anderer Meinung sein kann oder ein Gericht sich «irrt». Ist der Gesetzgeber oder sind (in der Union) die Mitgliedstaaten mit gewissen Rechtsprechungsentwicklungen nicht einverstanden, können die gesetzlichen Grundlagen nach den dafür vorgesehenen Verfahren modifiziert werden.
 
Keine gangbare Lösung ist es jedoch, dass nationale (Verfassungs-)Gerichte jeweils individuell entscheiden, ob ein bestimmtes Urteil des Gerichtshofs offensichtlich unhaltbar und damit nicht zu beachten ist. In Frage gestellt werden können damit auch die Grundwerte der Union, wie Rechtstaatlichkeit und Demokratie. Dass dies nicht nur von theoretischem Interesse ist, zeigt der bereits seit einiger Zeit währende Streit mit gewissen Mitgliedstaaten (insbesondere Polen und Ungarn), in denen die Unabhängigkeit der Justiz, der Medien, aber auch der Universitäten massiv missachtet wird. Warum sollten diese Staaten vor dem Hintergrund des Urteils des BVerfG ihnen nicht genehme bzw. aus ihrer Warte unhaltbare Urteile des EuGH in Zukunft befolgen?
Das vollständige Interview gibt's hier

Weiteres zum Thema

 
Anna Schneider
Neue Zürcher Zeitung, 31.05.2020
"Abschied mit einem Paukenschlag: Nach zwölf Jahren verlässt Andreas Vosskuhle das Bundesverfassungsgericht"
 
Irish Times, 31.05.2020
"National courts cannot override CJEU judgments: A joint statement from academics in defense of the EU legal order"

Astrid Epiney
Neue Zürcher Zeitung, 26.05.2020

Zum Vertiefen

 
Barbara Wesel (mit Lucia Schulten)
Youtube Kanal: Der Gerichtshof der Europäischen Union, "Wie der Gerichtshof funktioniert – Grundzüge"
 
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