Theater braucht die beglückenden Konstellationen, die Kristallisationspunkte des Künstlerischen, um zu begeistern. Und Spieler, die das auf der Bühne verkörpern. In unserer Juni-Ausgabe stellen wir den Preisträger des diesjährigen Martin Linzer Theaterpreises vor: das Schauspielhaus Bochum und sein Ensemble. Der Intendant und Regisseur Johan Simons spricht mit den beiden Schauspielstars Sandra Hüller und Jens Harzer darüber, was ihr Theater so besonders macht. „Das Theater, das man in Bochum sehen kann, handelt von der tragischen oder komischen Selbstverstrickung des Menschen“, heißt es in der Begründung für den Martin Linzer Theaterpreis von TdZ-Redakteur Jakob Hayner. Und im Porträt: Das Bochumer Ensemble, das divers, aber nicht divergent ist, allesamt leidenschaftliche Spieler einer Kunst, die das Gemeinsame braucht.
Doch das Gemeinsame muss zurzeit zurückgestellt werden. Es flüchtet auf Bildschirme, ins Digitale. Das Theater in Zeiten von Corona muss ausweichen. Das reicht von Stücken im Telegram-Chat und Virtual-Reality-Erlebnissen über Webserien und Zoom-Konferenzen bis zu Drive-in-Theater und Audiowalks. Streaming über alles? Mitnichten, wirft Carl Hegemann ein. Das Uraltmedium Theater dürfe nicht in der virtuellen Welt verschwinden, meint der Dramaturg. „Ich will nicht ins Internet, ich bin zu sehr analog. Ich will spielen.“ So drückt es Christian Stückl, der Intendant des Münchner Volkstheaters, in seinem Aufruf aus. Wir sind also wieder beim Spiel, dem Herzen des Theaters. Doch die Sorge bleibt, ob die gegenwärtigen Rhythmusstörungen möglicherweise Folgeschäden haben könnten. Warum kommen die Reanimationsmaßnahmen bei der Kultur so viel später als bei Industrie, Gastronomie und kommerziellem Sport?
Über das „Seuchenbekämpferheldentum“ schreibt Josef Bierbichler in seiner Kolumne. Zeiten, die aus den Fugen sind, interessieren das Theater und die Literatur seit jeher. Der Schriftsteller und Dramatiker Volker Braun hat einen Gedichtzyklus über die Welt im Zustand der Pandemiebekämpfung verfasst, den wir in vollem Umfang abdrucken. „Große Fuge. Aggregat K“ ist eine Erkundung mit Worten, zwischen denen Lücken bleiben. Sie evozieren die Frage, wie diese aus den Fugen geratene Welt wieder einzurichten sei.
Außerdem in diesem Heft: Großes Drama: Matthias Lilienthal an den Münchner Kammerspielen / Nachruf auf Rolf Hochhuth / Luise Meier über Theater und Moral / Beethoven hinter Gittern: Gefängnistheater aufBruch / Debatte um Achille Mbembe / Ende einer Ära: Jürgen Zielinski am Theater der Jungen Welt Leipzig / Was macht das Theater, Wolfgang Schneider? / Kunstinsert: In Gedenken an den Maskenbildner Wolfgang Utzt / Stückabdruck: „Wie es euch Algorithmus“ von Bonn Park und „Die Beamten“ von Miroslava Svolikova
Auf dem Cover: Das Ensemble des Schauspielhauses Bochum. Foto Joseph Kadow
|