Liebe Leserinnen und Leser,
ab morgen gelten in Thüringen andere Regeln. Bodo Ramelow will das Land, dessen Infektionszahlen sehr niedrig sind, nunmehr nicht vorrangig mit Verboten, sondern Geboten aus der Corona-Krise führen. Zwar ist es weiterhin verpflichtend, in Geschäften und im Nahverkehr eine Maske zu tragen, ob sich aber Gruppen aus zwei, drei oder vier Haushalten treffen, wird nicht mehr polizeilich überprüft. Kurzum: Ramelow setzt auf die Eigenverantwortung der Bürger – zu Recht? Könnte das Vorgehen gar wegweisend sein für zukünftige Krisen? Und wo verläuft die Grenze zwischen staatlicher Fürsorgepflicht und übergriffigem Paternalismus? Darüber haben wir mit Julian Nida-Rümelin gesprochen. Der Professor für Philosophie an der LMU München und ehemaliger Kulturstaatsminister findet den Schritt Ramelows richtig und sagt:
„[D]as ist der Kern einer freiheitlichen Demokratie, dass man den Bürgern Eigenverantwortlichkeit zumutet und zutraut.“
Zudem kritisiert er eine aus seiner Sicht problematische kulturelle Entwicklung:
„Die Menschen erwarten sehr viel mehr als früher staatliche Schutzanleitung und machen auch sehr viel stärker den Staat oder die Industrie für Schäden auch dann verantwortlich, wenn sie durch ihr eigenes Verhalten zum Schaden beigetragen haben. Besonders groteskes Beispiel: die millionenschweren Schadensersatzklagen von Rauchern in den USA, die Lungenkrebs bekommen haben. Es sollte aber ja hinlänglich bekannt sein, dass Rauchen die Gesundheit gefährdet. Und diese, überspitzt gesagt, Pamper-Haltung kommt jetzt auch bei uns an: Der Staat oder die Wirtschaft soll sich drum kümmern, damit ich mich nicht gefährde. Und da muss man sehr aufpassen, dass wir nicht in eine kulturelle Dynamik hineingeraten, die am Ende einen paternalistische Praxis mit einem bevormundenden Staat und einer verhaltenssteuernden Wirtschaft hervorbringt.“
Das ausführliche Interview lesen Sie hier.
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