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Über das echte Leben - im Digitalen
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Digitale Notizen
09/2019

Essen ist fertig - online!

Herzlich willkommen, liebe Leserinnen und Leser,

in der Welt des Essens. Denn in dieser Folge der Digitale Notizen spielt das Speisen eine besondere Rolle - in unterschiedlichen Ausprägungen.

Ich habe diese Folge im Urlaub in Italien geschrieben und Italien - hat der Economist in einer schönen Grafik ermittelt - ist Weltmeister im Essens-Export. Dabei geht es um Restaurants und um die Inspiration für das, was Menschen weltweit am liebsten essen. Ich persönlich finde dass die Antwort "Pizza" dabei schon vollumfänglich glücklich macht - aber die Freunde vom Splendido-Magazin liefern noch mehr Inspiration.

Mich hat in diesem Italien-Urlaub ein sehr hartnäckiger Hustenvirus erwischt, das war auf eine Weise lehrrreich (ich weiß jetzt was Schüttelfrost auf Italienisch heißt), ärgerlich (im Urlaub! ausgerechnet!) und Anlass für eine turi2-Meldung: Denn ich habe die Krankheit genutzt um Zeit auf Tiktok zu verdaddeln - und anschließend zu notieren, was mir dabei so aufgefallen ist.

Und ich habe mit Urlaubs- und Hustenabstand auf die Debatte geschaut, die in Deutschland rund um die Meldung "Rezo schimpft auf Journalisten" entstand. Was ich dazu meine, hat wiederum auch mit Essen zu tun - in Geisterküchen. Aber lesen Sie doch selbst: Essen ist fertig!

Ich wünsche Ihnen guten Appettit und eine inspirierende Lektüre

Dirk von Gehlen
PS: Die Fotos vom Plastik-Strohhalm-Kaffee und von der Geister-Küche stammen beide von Unsplash


¯\_(ツ)_/¯

Der Shruggie des Monats
geht der Frage nach:
Wäre es nicht besser,
wenn Greta Thunberg Kaffee
aus Plastikbechern trinken würde?

¯\_(ツ)_/¯
SEPTEMBER 2019: DIE STANDARDS
Was wir wissen:
... der meistgeklickte Link der August-Ausgabe war
die Analyse des Sommerhits Old Town Road als Symbol für die Veränderungen durch die Digitalisierung in der Musik.

... deshalb weiss ich fast sicher, dass Sie sich auch für meine 24 Stunden auf Tiktok interessieren könnten - die fünf wichtigsten Erkenntnisse stehen hier

... Bloggen finde ich gut (was nicht nur der Tiktokt-Text zeigt), deshalb freue ich mich, dass die Firma hinter Wordpress den einstigen großen Star der Blogszene "Tumblr" übernommen hat. Habe meine Freude hier erläutert.

... Trettmann hat einen Song über Stolpersteine gemacht.

... ich habe das Wort Flussschifffahrt in die Süddeutsche Zeitung geschrieben - in einem Text über Prominenz in Zeiten des Web.

... dass man sehr aufpassen muss mit Facebook. Der Kollege Matthias Eberl hat für die SZ aufgeschrieben, wie der Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes gesundheitsbezogene Daten möglicher Spender an Facebook gesendet hat.

Was wir nicht wissen:
... ob Sie sich an die #Linnemann-Aufregung erinnern? Habe dazu eine Muster-Analyse geschrieben.

... wer den Twitter-Account gefaengniscuisine verfolgt hat, der Essen in einer Berliner Haftanstalt dokumentiert. Ich finde die Reaktion aus dem Haus des Berliner Justiz-Senator eigentlich ganz smart.

... ob Sie den Podcast 180 Grad: Geschichten gegen den Hass schon gehört haben. Ich habe ihn mir jedenfalls runtergeladen.

... wie die Nacht der Autor*innen der SZ wird. Sicher kann ich aber schon sagen, dass es einen Schwerpunkt zum Thema Klimafreitag.de geben wird: am 7. September in München.

... ob Sie schon eine Lese-Liste für den Herbst gemacht haben. Ich freue mich auf diese Bücher hier:
- Alice Hasters: Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen - aber wissen sollten
- Armin Nassehi: Muster
- Sascha Lobo: Realitätsschock
- Harriet Köhler: Gebrauchsanweisung fürs Daheimbleiben
- Mareike Nieberding: Verwende deine Jugend
- Dana von Suffrin: Otto
 

Essen in fertig!

Was Geisterküchen mit Rezo und der medialen Generationsdebatte zu tun haben

Kann man ein Restaurant eröffnen ohne einen Gastraum zu besitzen, wo die verkauften Speisen gegessen werden? An der Antwort auf diese Frage kann man den Wandel greifbar machen, den das Internet ausgelöst hat und der gerade überall zu einem tiefen Konflikt führt. Auf der einen Seite stehen im Fall des gastraumlosen Restaurants diejenigen, für die ein Wirtshaus eine feste Adresse braucht. Weil das schon immer so war. Und weil uns die Dinge eben prägen, die schon immer so waren. Auf der anderen Seite befinden sich Menschen, die eher Möglichkeiten als Prägungen sehen wollen und der Meinung sind: Es muss doch noch andere Wege geben, um das Essen eines Restaurants zugänglich zu machen.

Ich stehe staunend dazwischen und lese in der New York Times diesen Artikel über den Aufstieg der so genannten "Ghost Kitchens". Dabei handelt es sich um Restaurants ganz ohne Gastraum. Es sind Küchen, deren Produkte einzig über Liefer-Apps vertrieben werden (Foto: unsplash). Man nennt sie auch "Dark Kitchens" (Guardian) oder "Virtual Kitchens" (Forbes) und all diese Adjektive sollen andeuten: diese Küchen existieren "nur" online. Über diese vermeintliche Beschränkungen hatte ich hier schon mal geschrieben als es darum ging, dass ein Magazin "nur noch" online existiert. Nun trifft es auch Restaurants, die quasi ihre gedruckte Ausgabe einstellen müssen (wie man in dem sehr ausgewogenen NYT-Artikel nachlesen kann).

Die Parallelen gehen aber über die Medienbranche hinaus, sie legen offen, dass wir uns mitten in einem Wandel befinden, für den die "Ghost Kitchens" ein sehr schöner Begriff sind, den man in eine Liste ergänzen könnte, die ich im Pragmatismus-Prinzip aufgezählt habe: "das pferdlose Fahrzeug (Auto), das schnurlose Telefon (Handy) oder das kabellose Internet (WLAN) sind Begriffe des Übergangs, die illustrieren, wie definitionsmächtig die Vertrautheit der Vergangenheit ist, wenn wir mit dem Neuen konfrontiert sind.“ Ich glaube es ist schon viel gewonnen, wenn wir uns über diese Definitionsmacht bewusst werden.

Denn natürlich ist mit "nur online" viel mehr möglich als den Download eines Buch-PDFs zu realisieren. Am Beispiel des virtuellen 5-Kilometer-Laufs, an dem ich mit mehreren Hundertausenden teilnahm, ohne dass auch nur eine Straße gesperrt werden musste, habe ich beschrieben, welche Optionen sich ergeben - und wie dadurch eine Entwicklung entsteht, die ich "Das Ende des Durchschnitts" nenne.

"Das Internet ist nichts Fremdes, nichts Anderes mehr, das der Gesellschaft ergänzt wird wie eine Webadresse, die am Ende einer Fernsehsendung durchgesagt wird", schrieb ich nach der großen Generationen-Debatte nach der Europawahl in der SZ. Dabei ging es um eine gesellschaftliche Debatte, die Schlussfolgerung trifft aber auch auf die "Ghost Kitchens": "Die Unterscheidung zwischen einer irgendwie echten analogen Welt auf der einen Seite und einer irgendwie neuen digitalen Welt auf der anderen Seite hat sich aufgelöst. Anders formuliert: Die Mitte der Gesellschaft bemerkt gerade, dass sie sich vielleicht anders mit dem Internet befassen sollte."

Damals ging es unter anderem um das Rezo-Video, das das politische Berlin auf Aufregung versetzte. Während ich diesen Newsletter tippe gibt es wieder ein Video, in dem Rezo auftritt, das für Debatten zwischen Etablierten und Neuen sorgt. Die Space Frogs hatten Rezo eingeladen und über Zeitungen Bild und BZ gesprochen. Das Video ist sehr interessant und dauert auch nur 15 Minuten - dennoch hat man den Eindruck, dass manche, die anschließend darüber schrieben, es nicht angeschaut haben.

Offenbar auch der DJV-Vorsitzende Frank Überall, dessen Aktivitäten Boris Rosenkranz im Übermedien-Newsletter* so zusammenfasst: "Er warf Rezo „billige Stimmungsmache“ vor, die an „Hetze“ grenze. Überall unterstellte auch Dinge, die Rezo gar nicht gesagt hatte. Als dann mal ein paar Leute beim DJV nachgefragt haben, wie viele Tassen noch im Schrank sind, haben Überall und der DJV die Mitteilung flugs wieder zurückgezogen. Weil es „eine ganze Bandbreite von Ansichten zum Video“ gebe im Verband, was eine freundliche Umschreibung ist für: Das war echt richtiger Mist und ein Bärendienst für die gesamte Branche, gerade in einer Zeit, in der permanent über Fakten und Verfälschungen geredet wird."

Dem ist wenig hinzuzufügen - außer dem Hinweis** auf Minute 6.45 im Original-Clip, in der Rezo einen sehr interessanten Aspekt anspricht: den der eigenen Prägungen, die häufig so stark sind, dass sie wertsetzend werden. "Wir werden auch irgendwann alt sein und diesen psychologischen Fehler haben", sagt Rezo da über die Definitionsmacht der eigenen Vergangenheit. "Das ist wichtig, dass man sich das vor Augen hält, dass es Eigenschaften sind, die in uns verankert sind."

Vielleicht ist das die wichtigste Fähigkeit, die der Wandel von uns verlangt: Unsere Prägungen zu reflektieren. Ich würde die dafür notwendige Haltung Kulturpragmatismus nennen - und wer sie üben will, kann ja mal einer Geisterküche ein Essen bestellen.

¯\_(ツ)_/¯

* In dem Newsletter gibt es auch noch einen schönen Witz mit einer Bananen-Schale, aber dafür sollte man Übermedien abonnieren, denn nicht nur guter Journalismus, sondern auch guter Humor hat seinen Preis.

** Ich füge noch den zweiten Hinweis hinzu, dass Rick und Steve am Ende ihres Antwort-Videos eine Einladung an Zeitungsjournalist*innen aussprechen, die nicht wissen, was Dank Memes sind. Die beiden Space Frogs wollen sie gemeinsam mit ihren Gästen anschauen und übers Internet sprechen.
Den Beitrag im Web lesen
Ich habe in der vergangenen Woche unnatürlich viel Zeit auf Tiktok verbracht - die fünf Dinge, die ich dabei gelernt habe - stehen hier im Blog
Erster Geburtstag!
Nein, nicht das Internet feiert am 4.9. Geburtstag, sondern dieses Buch, in dem steht, dass das Internetfest Ende Oktober stattfindet. Wenn Sie auch am 4.9. Geburtstag haben, schicken Sie mir eine Mail, dann schenke ich Ihnen das Buch!
Dirk von Gehlen ist Journalist, Vortragsredner und Autor des Buches "Das Pragmatismus-Prinzip" - sowie einiger anderer Bücher

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