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Auf dass wir uns erinnern und verändern mögen - 30 Jahre Friedliche Revolution in Leipzig

Vieles kann sich in drei Jahrzehnten ändern – die Herausforderungen bleiben.

Dreißig Jahre sind genügend Zeit, um einen Eindruck davon zu bekommen, was sich geändert hat in Deutschland, wie weit wir gekommen sind und was sich noch verändern muss. Dreißig Jahre Mauerfall sind nicht nur ein wichtiges Ereignis in der politischen Geschichte Deutschlands, sondern auch für die Entwicklung der Pressefreiheit und Medienvielfalt in Deutschland.

Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) hat seinen Sitz an dem Ort, der für die Friedliche Revolution 1989 zentral war: in Leipzig.
Lichtfest in Leipzig, 9. Oktober 2019. Foto: ECPMF / Tim Wagner.
In dieser Tradition sehen wir auch unsere Arbeit. Vom Leipzig aus setzen wir uns für die Presse- und Medienfreiheit in Deutschland und Europa ein. Das Wiedererstarken des Rechtspopulismus – nicht nur in Deutschland – stellt eine Gefahr für die Pressefreiheit dar. Unsere Feindbildstudie zeigt, dass so gut wie alle Übergriffe auf Journalist*innen in Deutschland 2018 von rechts ausgingen, bzw. am Rande von rechten Demonstrationen.
Auch, um ein Zeichen gegen diese Entwicklung zu setzen, hat die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig ihren diesjährigen Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien an den Investigativjournalisten Arndt Ginzel und seinen Kameramann Gerald Gerber vergeben, die unter anderem am Rande einer Pegida–Demonstration in Dresden 2018 von einem wütenden Bürger beschimpft (der sich im Nachhinein als Mitarbeiter des BKA herausstellte) und daraufhin von der Polizei festgehalten und an ihrer Arbeit gehindert wurden. In seiner Dankesrede machte Ginzel darauf aufmerksam, dass seine medienschaffenden Kolleg*innen mit der Herausforderung der „Lügenpresse“-Rufe und zunehmenden Beleidigungen und Übergriffen zu kämpfen haben. Auch Armin Wolf, österreichischer Journalist und Moderator beim ORF-Format Zeit im Bild 2 wurde geehrt: nicht nur wurde ihm während und nach Interviews mit der rechtspopulistischen FPÖ immer wieder mit Konsequenzen gedroht, der Moderator wird durch die Freiheitlichen auch immer wieder der Lügen bezichtigt.
Die Preisträger des Leipziger Medienpreises 2019 Gerald Gerber, Arndt Ginzel und Armin Wolf (v.l.n.r.). Foto: Medienstiftung/ Volkmar Heinz.
Auf der politischer Ebene in Deutschland wird der Rechtsextremismus, bzw. der Kampf gegen ihn, instrumentalisiert: Seitens der Bundesregierung werden rechtsterroristische Anschläge wie der von Halle am 9. Oktober als Vorwand dafür genutzt, das sogenannte „Verfassungsschutzgesetz“ endlich durchzuwinken. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung eine Online-Durchsuchung von Journalist*innen und Redaktionen ermöglichen. Sollte die SPD – die das Gesetz bis zum Anschlag von Halle blockiert hat – ihr O.K. geben, so wäre das ein fataler Einschnitt in das Redaktionsgeheimnis, das Journalist*innen in Deutschland und ihre Quellen schützt. Zugleich wurde der SPD-Entwurf eines „Medieninformationsgesetzes“, das mehr Transparenz in der Politik herstellen soll und Journalist*innen bessere Einsicht in Regierungsdokumente geben soll, von der Union und vom Innenministerium abgelehnt. Keine Verbesserung der Presse- und Informationsfreiheit in Deutschland also – im Gegenteil.

Auch die prekäre Lage des Zeitungsjournalismus bereitet Pressefreiheitsaktivist*innen Bauchschmerzen: kurz nach der Wende berichteten sieben Abonnementzeitungen lokal aus Leipzig – heute ist es nur noch eine einzige. Dieses Phänomen ist deutschland- und europaweit zu beobachten und wirkt sich akut auf die, für die Pressefreiheit so wichtige, Medienvielfalt, aber auch auf das Demokratieverständnis der Menschen im ländlichen Raum aus. Wer keine lokale Zeitung hat, fühlt sich schnell von der politischen Willensbildung ausgeschlossen und abgehängt.

Das ist nicht das, wofür die Menschen in Leipzig vor dreißig Jahren auf die Straße gegangen sind. Lassen Sie uns die Erinnerung an den Mauerfall nutzen, um darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig freie, unabhängige und vielfältige Medien und ein sicheres Arbeitsumfeld für Journalist*innen sind. Lassen Sie uns weiterkämpfen, um in einem freien Land mit freien Menschen und freien Medien zu leben. Lassen Sie uns nicht vergessen, dass die Demonstranten in Leipzig und anderen Städten 1989 auch „eine freie Presse für ein freies Land“ gefordert haben.

Daher hat auch das ECPMF am 9. Oktober 2019 am Festakt und am Leipziger Lichtfest zum 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution teilgenommen. Bereits im August hatte das ECPMF zusammen mit Livelyrix eine Lichtshow von der Wiener Künstlerin Victoria Koeln und Leipziger Poetry-Slammer*innen zum Thema 30 Jahre Friedliche Revolution veranstaltet.
Lichtfest Leipzig, 9. Oktober 2019. Foto: ECPMF / Tim Wagner.
Damit auch diejenigen Journalist*innen, die nicht in "freien" Ländern leben und tagtäglich Bedrohungen ausgesetzt sind, konkrete Hilfe bekommen und ihrer Arbeit frei nachgehen können, hat das ECPMF eine zentrale Anlaufstelle für bedrohte Journalist*innen eingerichtet: den Helpdesk. Hier koordinieren wir Hilfsangebote für Medienschaffende in ganz Europa und helfen exilierten Journalist*innen in Deutschland unter anderem mit Stipendien, juristischer Beratung und Trainingsprogrammen.

Zentral für eine offene Gesellschaft in einem freien Land ist außerdem, dass Menschen sich kritisch mit den aktuellen politischen Entwicklungen auseinandersetzen und sich eine fundierte Meinung bilden. Genau das strebt das in Leipzig gegründete Start-Up Buzzard an, das als Debattenportal die Möglichkeit bieten will, ins Gespräch zu kommen und sich eine reflektierte Meinung über das politische Geschehen zu bilden. Durch eine Newsapp, die auf die aktuelle Politik Medienperspektiven vom ganzen Meinungsspektrum im Überblick zeigt, wollen sie Menschen motivieren, sich öfter und sachlicher mit den Positionen Andersdenkender zu beschäftigen - und aus Filterblasen auszubrechen. Unterschiedliche Standpunkte sollten ausgetauscht werden und damit der politischen Spaltung in der Gesellschaft entgegengewirkt werden. Um das erste Jahr als professionelle Medienplattform zu finanzieren, rufen die jungen Gründer zum Crowdfunding auf.
 
Wir werden weiterkämpfen – Sie hoffentlich auch. Denn: 30 Jahre nach der Wende kann es die geforderte „Freiheit“ nur geben, wenn wir uns gemeinsam gegen menschenverachtende, diskriminierende Tendenzen in unserem Land und für eine freie, kritische Presse einsetzen.

Renata
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FoME Symposium - Rethinking Media Development.
Bonn, 7.-8- November 2019. Register here.
Expert Talk on Anti-SLAPP solutions. Brussels, 12. November 2019. Register here.
NEWSOCRACY - Protect public service media against political interference. Budapest, 12. December 2019. Register here.
 
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The European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF) is a non-profit European Co-operative Society, based in Leipzig, Germany. The ECPMF was founded in 2015 to promote the European Charter on Freedom of the Press throughout Europe. The ECPMF helps to shape a common European media space. It preserves, defends, protects and expands press and media freedom by monitoring violations of free media in Europe, advocating on media freedom issues, initiating a diverse range of activities and providing practical support to journalists at risk.


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