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NEWSLETTER 5/2019

31. Oktober 2019

DIE MENSCHEN HINTER DEN «DOPPELTÜREN»
HEUTE MIT CHARLES LEWINSKY


«Mit seiner Familiensaga Melnitz› schreibt sich Charles Lewinsky in die erste Reihe unserer Literatur.» So urteilte die Neue Zürcher Zeitung 2006 nach Erscheinen des Romans.

Wie niemandem zuvor gelingt es Charles Lewinsky, am Beispiel einer weitverzweigten Familie die Geschichte der Juden in der Schweiz zwischen 1870 und 1937 zu erzählen. Dabei tauchen wir auch tief in das Leben des Endinger Viehhändlers Salomon Meijer und seiner Familie ein.

Wie es dazu kam, dass Charles Lewinsky seinen Roman im Surbtal ansiedelt und was ein Erbstück damit zu tun hat, erfahren Sie im vierten Teil unserer Serie «Die Menschen hinter den ‹Doppeltüren›.»

DIE ENDINGER LAMPE

Foto: Maurice Haas / © Diogenes Verlag
Viel ist von meiner Surbtaler Abstammung nicht übriggeblieben. Als ich in «Melnitz» das Dorf beschreiben wollte, musste ich genau so viel recherchieren wie für alle anderen Kapitel.

Natürlich, das war mir schon als Kind eingetrichtert worden, wusste ich, dass man in unserer Familie Endinger war und kein Lengnauer. Meine Grossmutter legte auf diesen Unterschied gesteigerten Wert. Zwischen den alten Judendörfern muss einmal eine liebevolle Kabbel-Konkurrenz bestanden haben, vergleichbar mit der zwischen Zürich und Basel. Meine Grossmutter, deren Eltern schon vor ihrer Geburt aus Endingen weggezogen waren, erklärte mir den in ihren Augen entscheidenden Unter­schied mit einem Sprichwort: «In Lengnau fragt man, in Endingen gibt man» - was wohl heissen sollte: Wir Endinger sind grosszügige Leute, während alle Lengnauer geizig sind. (Was mir im persönlichen Rückblick besonders lächerlich erscheint, weil ich nie eine geizigere Frau gekannt habe als meine Grossmutter.)

Was habe ich noch aus Endingen geerbt? Den französischen Vornamen eines Urgrossvaters, der aus dem Elsass ins Surbtal zog, und ein paar Worte aus einer ausgestorbenen Sprache, die sich aber im Alltag kaum verwenden lassen. Es ist schwierig den Endinger Ausdruck für eine schlechtangezogene Frau in einer Konversation unterzubringen, weil ja niemand mehr weiss, dass man im Westjiddischen über so ein weibliches Wesen zu sagen pflegte: «Sie sieht aus wie Schippesiebele». Und auch dass ich erklären kann, was «Hoolegraasch» für eine Zeremonie war, hilft mir im Leben nicht weiter.

Eigentlich würde mich gar nichts mehr mit dem alten Endingen verbinden, wenn da nicht die Lampe wäre. Die schöne, alte Schabbeslampe aus Messing, die in vierter oder fünfter Generation an mich weitergegeben wurde. Früher einmal hing sie in einem Doppeltürenhaus über dem Esstisch und wurde nur am Freitagabend mit Petrol gefüllt und angezündet. Sie wird schon das Surbtaler Pogrom vom 1802, den Bändeli- oder Zwetschgenkrieg, miterlebt haben, die Emanzipation von 1874, und als der letzte meiner Vorfahren Endingen verliess, wurde sie von der Decke abgehängt und reiste mit.
Heute hängt sie bei mir und erinnert mich immer neu daran, aus was für einer alten Schweizer Familie ich stamme.
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