Skypen oder Videokonferenzen – für uns Weltreporter ist das schon lange ganz normal: Wir sind in alle Welt verteilt, von Buenos Aires bis Moskau, von Ottawa bis Sydney. Anders könnten wir uns unmöglich regelmäßig "begegnen” so wie auf obigem Foto, um Gedanken auszutauschen und Pläne zu schmieden.
Dabei geht es auch bei uns in den letzten Wochen um die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf unseren Beruf. Kolleginnen und Kollegen in deutschen Redaktionen sind schwerer zu erreichen, weil sie nun im Homeoffice arbeiten, Hörfunksendungen werden ersatzlos gestrichen, Auslandschefs raufen sich die Haare: Wie soll Berichterstattung in diesem Ressort bei Kontaktsperren und Flug- sowie Einreiseverboten noch stattfinden?
Aber wie hat es Fußballlegende Johan Cruyff einst so schön auf den Punkt gebracht? „Jeder Nachteil hat seinen Vorteil.” Natürlich bekommen auch wir Weltreporter die Folgen der Pandemie zu spüren. Aber der Vorteil unseres Korrespondentennetzwerks ist: Wir brauchen nicht anzureisen, wir sind schon da. Wir kennen Land und Leute und Hintergründe. Wir sind die Experten vor Ort und können weiterhin für qualitativ hochwertige Auslandsberichterstattung sorgen.
Aus Jerusalem berichtet Tania Krämer, wie Christen dieses Jahr Ostern feiern. Christiane Büld Campetti weiß, wie die Uffizien in Florenz mit der Pandemie umgehen. Und Julica Jungehülsing hat erfahren, wie es australische Langstreckenläufer schaffen, trotz Ausgangssperre einen Marathon zu absolvieren.
Das neue Corona-Virus hat den Alltag von Menschen in aller Welt verändert: Wie gehen sie damit um? Wie arbeiten, konsumieren und trauern sie? Wie erleben sie Kunst?
Darum geht es in unserem April-Newsletter – aber nicht nur: Die Leserinnen und Leser erfahren auch, in welche Geschäfte deutsche Waffenproduzenten in Mexiko verstrickt sind. Was Heuschrecken in Ostafrika anrichten. An welchem Tisch die Kapitulationsakte der deutschen Besatzungsmacht in den Niederlanden 1945 unterzeichnet wurde. Und was das Muhen von Kühen mit den Brutplätzen walisischer Papageientaucher zu tun hat.
Neugierig geworden?
Goed zo! Veel leesplezier!
Kerstin Schweighöfer
WELTREPORTER at work
Klangteppich aus Kuhmuhen
Nicola de Paoli hat in Wales erfahren, wie man Papageientauchern die schönsten Brutplätze zeigt: Im Nationalpark Pembrokeshire stellen Ranger Vogelattrappen aus Plastik auf, die die Tiere anlocken sollen, und ahmen Töne nach, die die Vögel gerne hören. Das klingt wie das Muhen einer Kuh, die Tonleitern übt. Folge: Zur Brutzeit ist die Insel Ramsey mit einem Klangteppich aus Kuhmuhen bedeckt. Das alles und vieles mehr steht in der neuen Ausgabe des BritishTravel-Magazins. Darin erklärt Nicola de Paoli auch, warum die Royals so gerne nach Cornwall fahren und es in London schon lange vor der Coronakrise angesagt war, am Samstagabend lieber zuhause auf dem Sofa Musik zu hören als in einen Club zu gehen. Die BritishTravel ist für 6,80 Euro am Kiosk erhältlich oder direkt bei www.britishtravel.de
Eigentlich war Theresa Breuer Anfang März nur kurz für eine Reportage nach Israel gereist. Doch dann schloss Israel aufgrund der Corona-Pandemie seine Grenzen – und die Weltreporterin entschied sich mit ihrer Drehpartnerin Vanessa Schlesier, das weitere Geschehen im Land zu verfolgen. Gemeinsam haben sie ein Auslandsjournal über Selbstmord in der ultraorthodoxen Gemeinschaft sowie eine Reportage für die Sendung ‘Arte-Re’ über europäische Siedler im Westjordanland gedreht. Darin geht es um die Frage, was Menschen aus Europa antreibt, ihr vergleichsweise komfortables Leben gegen ein mühsameres und gefährlicheres in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten einzutauschen. Die Reportagen werden voraussichtlich am 22. April im Auslandsjournal des ZDF und am 16. April um 19.40 auf ARTE ausgestrahlt. Bild: Theresa Breuer mit Kollegin Vanessa Schlesier
In Ostafrika trifft die Covid-19-Pandemie auf eine Bevölkerung, die schon seit Wochen verzweifelt kämpft. Ihr Gegner: Billionen von Wüstenheuschrecken, die ganze Landstriche kahlfressen. Diese Plage ist noch nicht vorbei: es droht eine zweite, vielleicht noch schlimmere Welle. Doch der Kampf gegen die Heuschrecken leidet unter den Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Infektionen, berichtet Bettina Rühl im Onlinemagazin „Afrika-Reporter“.
Prinz Bernhard der Niederlande war mit dabei, als im Hotel „de Wereld“ im niederländischen Wageningen vor 75 Jahren die deutsche Besatzungszeit offiziell ein Ende hatte und das Land befreit wurde. Der Tisch, an dem der deutsche General Blaskowitz am 6. Mai 1945 in Anwesenheit von Vertretern der Alliierten die Kapitulation unterzeichnete, steht heute im Wageninger Museum „de Casteelse Poort“ – eine von vielen historischen Stätten des Zweiten Weltkriegs, die Kerstin Schweighöfer für die Deutschlandfunk-Sendung „Gesichter Europas“ besucht hat. Thema: Wie sich mit der Bewältigung des Traumas der deutschen Besatzungszeit das Verhältnis der Niederländer zu ihrem lange ungeliebten Bruder im Osten, sprich: Deutschland, geändert hat. Die Sendung wird am 9. Mai zu hören sein.
Seit Jahren beschäftigt sich Wolf-Dieter Vogel mit Waffenexporten deutscher Unternehmen nach Mexiko. Damit hat er dazu beigetragen, dass die Rüstungsschmiede Heckler&Koch (H&K) vergangenes Jahr für die illegale Lieferung von G36-Sturmgewehren verurteilt wurde. Die Waffen, so recherchierte er, waren bei einem blutigen Angriff von Polizisten und Kriminellen im Einsatz. Sechs Menschen starben damals, 43 Studenten wurden verschleppt. Von ihnen fehlt bis heute jede Spur. Aber nicht nur H&K liefert seine todbringenden Produkte in das vom Drogenkrieg geprägte Land. Waffen der US-Schwesterfirma des deutschen Unternehmens, Sig Sauer, gehören zur Standardausrüstung der mexikanischen Marine. Neueste Recherchen werfen jedoch Fragen auf: Sind die Exporte legal?
Im Katwa-Ebola-Behandlungszentrum in Butembo wurden Ebola-Infizierte unter strengsten Sicherheitsmaßnahmen isoliert (Foto: UN/Martine Perret)
Während die Corona-Pandemie die ganze Welt in Atem hält, geht im Kongo nahezu unbemerkt ein Ausbruch zu Ende: Am 6. März wurde die letzte Ebolapatientin im Nordosten des Landes geheilt entlassen. 42 Tage später, am 12. April, wird die WHO die Epidemie als beendet erklären, wenn bis dahin kein neuer Fall auftritt. In der Region hat das Ebola-Virus seit August 2018 gewütet: 3.444 Menschen wurden infiziert, 2.246 von ihnen starben. Dass der Ausbruch nun vorbei zu sein scheint, ist ein kleines Wunder. Denn Mediziner, Hilfsorganisationen und die WHO mussten die Epidemie mit zeitweise 120 Neuerkrankungen pro Woche inmitten eines Bürgerkriegs bekämpfen. 420 Angriffe auf Krankenstationen registrierten die UN, elf Ärzte und Pfleger wurden getötet. Bettina Rühl hat sich im Kongo und Marc Engelhardt in der Welt-Gesundheits-Hauptstadt Genf damit beschäftigt, wie dieser Erfolg möglich wurde – und was man für Corona aus ihm lernen kann.
Um die Auferstehung Christi zu feiern, drängen sich an Ostern normalerweise Tausende von Gläubigen in und vor der Grabeskirche von Jerusalem. Doch dieses Jahr wird alles anders: So wie kleinere Kirchen in der Altstadt hat auch die Grabeskirche wegen der Corona-Krise ihre Pforten für Besucher geschlossen. Die Feierlichkeiten werden nur sehr eingeschränkt stattfinden, Gottesdienste sollen per Live-Stream übertragen werden. Ausländische Pilger sind sowieso keine mehr da: Israel hat die Grenzen weitgehend geschlossen, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Die Jerusalemer Altstadt, sonst um diese Jahreszeit voll mit Besuchern aus aller Welt, ist fast ausgestorben. Wie werden Christen dieses Jahr Ostern feiern im Heiligen Land? In Ostjerusalem, im besetzten Westjordanland und im abgeriegelten Gaza?
Der deutsche Direktor der Uffizien Eike Schmidt ist überzeugt: All das, was jetzt digital geschieht, wird auch in Zukunft ein entscheidender Faktor im Bereich Museumsdidaktik sein. Wie so viele Museen weltweit haben auch die Uffizien in Florenz ihren Online-Auftritt erheblich aufgestockt. Neben dem normalen virtuellen Rundgang auf der offiziellen Webseite des Museums werden unter dem Stichwort Uffizi Decameron in den sozialen Medien täglich neue Episoden und Bildserien über die Kunstwerke des Museums vorgestellt. Unter dem Titel “la mia Sala” (mein Saal) präsentieren zudem Museumswärter den Saal, in dem sie jeden Tag viele Stunden verbringen. Etliche von ihnen sind übrigens ausgebildete Kunsthistoriker, die in ihrem eigentlichen Beruf keine Anstellung gefunden haben.
Foto von entspannteren Tagen in den Bergen bei Los Angeles
Als freischaffende Journalisten empfinden viele Weltreporter das Home-Office als die normalste Sache der Welt. Doch dass in Corona-Zeiten der Partner auf einmal ebenfalls zuhause bleibt, war auch für Weltreporterin Kerstin Zilm in Los Angeles neu. Ihr Mann Eddie arbeitet in der Feuerschutz-Branche und verlässt das Haus nun nur noch zweimal pro Woche: um sich Gebäude anzusehen, die neue Sprinkler- und Alarmanlagen brauchen, und um bei anderen Firmen abzuschätzen, welche ihrer Anlagen repariert oder aufgerüstet werden müssen. Eddie kann sich seines Jobs sicher sein, denn seine Arbeit gilt als essenziell. Das ist gut, denn bei Arbeitslosigkeit wären sowohl er als auch seine Frau nicht mehr krankenversichert. Weniger gut finden es die beiden, dass durch den Außendienst das Risiko bleibt, dass auch Eddie sich mit dem Virus infiziert.
Aufgrund ihrer Saison-Abhängigkeit ist auch die Modeindustrie stark von der Coronakrise betroffen: In den geschlossenen Läden staubt die aktuelle Sommermode vor sich hin und muss wohl mit hohen Abschlägen später verschleudert werden. Modeschauen und Messen werden abgesagt, die Winterkollektion ist noch gar nicht oder mit großer Verzögerung in die Produktion gegangen. Die Fragen allerdings, die sich die Branche stellen, sind die gleichen geblieben: Brauchen wir wirklich Fashionweeks und so viele Kollektionen im Jahr? Machen See-now-buy-now-Konzepte noch Sinn? Wie kann Mode weniger umweltschädlich werden? „Alles wird auf den Prüfstand kommen“, meint die wichtigste Trendforscherin der Branche, die Niederländerin Li Edelkoort. Sie prophezeit einen reduzierten Modekonsum und eine Rückkehr zur lokalen Produktion. Edelkoort versteht die Krise als Chance. Die Frage ist, ob die Modeindustrie diese Chance nutzt. Darum geht es auch auf Barbara Markerts LinkedIn-Account.
Not macht bekanntlich erfinderisch – zum Beispiel in Wien: Über zu wenig Aufträge können sich die Bestattungsunternehmen dort nicht beklagen, doch auch sie müssen umdenken. Denn Beerdigungen sind zwar nach wie vor erlaubt – mehr als fünf Trauergäste dürfen es aber aufgrund der Corona-Maßnahmen derzeit nicht sein. Damit dennoch alle Hinterbliebenen und Freunde teilnehmen können, gibt es Erdbestattungen nun im Livestream. Die digitale Trauerfeier ist natürlich durch ein Passwort geschützt.
Australien ist berühmt für heftige Strafen: Wer in Coronavirus-Zeiten Ausgangssperren nicht befolgt, dem können Geldbußen bis zu 6.000 Euro auferlegt werden. Wie soll man da als Langstreckenläufer in Form bleiben? Ultramarathonläufer Tim Franklin hat eine originelle Lösung gefunden: Der Queenslander lief einen gut sechs Stunden langen Indoor-Marathon – in seiner eigenen Wohnung. Die ist allerdings nicht sonderlich geräumig: Franklin musste 2.000 Runden von jeweils 21 Metern Länge drehen. Zuletzt, gab er zu, sei ihm zwischen Kühlschrank und Balkon zuweilen leicht schwindlig gewesen. Weltreporterin Julica Jungehülsing beobachtet, welche Auswege eingesperrte Surfer, Rugby-Fans, Cricketspieler und andere Bewegungshungrige in Australien noch finden.
Die große Party in Downtown Los Angeles zum 50. Jahrestages des ersten “Earth Day” ist abgesagt. Bürgermeister Eric Garcetti fordert Bürgerinnen und Bürger auf, diesen internationalen Umwelt- und Aktionstag für die Erde stattdessen im eigenen Garten zu feiern, sozial-distanzierte Spaziergänge zu machen und dabei die ungewöhnlich gute Luft zu genießen: Gut 20 Jahre lang gehörte LA zu den Städten mit der stärksten Luftverschmutzung in den USA, nun ist die Millionenmetropole seit Wochen smogfrei – eine der wenigen positiven Nachrichten mitten in der Corona-Krise. Umweltschützer setzen darauf, dass die Bürger diese Veränderung so schätzen, dass sie auch nach der Krise ihr Auto öfter stehen lassen.
Die Niederländer gedenken dieses Jahr nicht nur der Befreiung vor 75 Jahren, sondern auch der Bombardierung von Rotterdam vor 80 Jahren, mit der Nazi-Deutschland die neutralen Niederlande zur Kapitulation zwang: Am 14. Mai 1940 radierten deutsche Bomber das historische Zentrum der Hafenstadt aus. Überall in der Stadt, die als moderne Metropole wieder aufgebaut wurde, werden an diesem Tag auf großen Bildschirmen Fotos des Luftangriffs und der Zerstörung gezeigt. Am Denkmal “Die verwüstete Stadt” von Bildhauer Ossip Zadkine wird Bürgermeister Ahmed Aboutaleb einen Kranz niederlegen.