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Es kommt mir vor wie gestern, dass ich den letzten Weihnachtscolibri schrieb. Ist das Jahr so schnell vorbeigesaust - oder kommt es mir nur so vor?
Mit wem ich auch spreche, viele haben die Empfindung, dass es ein rasantes Jahr war. Für Dich auch?
Viel Schönes ist wieder entstanden. Viele wertvolle Bücher durfte ich wieder in meiner Rolle als Verlegerin, Coach, Ghostwriterin und auch als Autorin begleiten und mit erschaffen.
Ein paar Dinge sind auch liegen geblieben. Sie wollen im Neuen Jahr erledigt werden.
Habe ich das eben gesagt? Ich "Geduld minus 8"-Frau?
Vor ein paar Jahren noch hätte es mich ziemlich nervös gemacht, am Jahresende nicht alles geschafft zu haben, was ich mir zum Ziel gesetzt hatte.
"Geduld: minus 8."
Das ergab ein amerikanischer Test, den ich (mehr aus Spaß) vor einigen Monaten online mitgemacht habe. Aufgabe war es, sich selbst einzuschätzen, verschiedene Gefühle betreffend. Liebe gab es da, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit ... Die Skala reichte von + 10 bis - 10 (in Worten: plus Zehn bis minus Zehn).
Bei dem Wert "Geduld" erhielt ich in der Auswertung eine Minus 8. Ich musste lachen. Stimmt! Ich bin eine echt ungeduldige Frau. Ich erledige Dinge lieber gestern als morgen. Warten macht mich wahnsinnig. Nicht-Wissen-was-wird, beruflich wie privat - der pure Horror für meine eh nur in Spuren vorhandenen Geduldsfäden.
Als kleines Kind, noch im Kindergarten, entdeckte ich im Keller einen Adventskalender. Keinen mit Schokolade - sondern einen richtigen bomfortionellen (schreibt man das so, Bianca, bitte hilf!) mit SPIELZEUG! Es war erst Mitte November. Der erste Dezember ... noch so unerträäääglich weit weg!
Ich versteckte mich in der fast leeren Kartoffel-Horde - und öffnete ein Türchen. Und noch eins. Und noch eins ... Ich machte den ganzen Adventskalender auf!
Mit dem Ergebnis, dass es Schimpfe gab. Und im Advent einen Schokoladen-Kalender. Oder vielleicht auch gar keinen?
Ich erinnere mich nicht.
Tatsache ist: Ich bin nicht wirklich die Geduld in Person geworden in den letzten 40 Jahren seit diesem Ereignis in der Kartoffelhorde. Doch ich habe gelernt, wann eine Sache so WICHTIG ist, dass sie Geduld braucht.
Bücher zum Beispiel reifen in uns. Manche länger, manche weniger. Und wenn der Moment da ist - wollen sie raus. Dann wollen sie aber auch Raum haben in unserem Alltag! Sonst verflüchtigt sich die Energie wieder.
Wichtige Entscheidungen brauchen manchmal Zeit.
Auch eigene Reifeprozesse ... Wie gern würden wir manchmal am Gras ziehen, damit es schneller wächst. Und dann kommt nach Jahren noch mal ein Thema um die Ecke, von dem wir doch schon dachten, es sei bearbeitet und aufgelöst ... Pustekuchen!, lacht das Thema, und zeigt sich noch mal von seiner schönsten Seite.
Auch als Verlegerin brauche ich viel Geduld und Gespür für den richtigen Moment ... Ich erinnere mich, dass mir die Programmleiterin eines großen Verlagshauses vor einigen Jahren sagte: "Ich hätte so gern mehr Zeit gehabt. Manche Bücher waren nicht fertig und wir mussten sie in die Herstellung geben, um den Plan einzuhalten. Ich wünschte, wir hätten sie in Ruhe fertig werden lassen können."
In solchen Momenten - und in vielen anderen - bin ich dankbar darum, hier bei sorriso meine eigene Herrin sein zu können. Unseren Autoren ZEIT geben zu können. Wie oft ist es im Rückblick gut - wenn einfach noch etwas Zeit verstrichen ist. Oft geschehen wichtige Dinge in dieser Zwischen-Zeit.
Vielleicht kennst Du das Gefühl der auf die Probe gestellten Geduld auch. Vielleicht hat das Jahr 2018 nicht alles erfüllt, was Du gern gehabt oder gesehen oder in Händen gehalten hättest.
Geduld! (ruft Dir die Geduld-minus-8-Frau zu)
Pazienza!, rufen die Italiener und bekräftigen den Ruf mit einem lauten Hupen, vornehmlich an Straßenkreuzungen oder beim Überholen. Ja, ja.
Wenn es doch nur so einfach wäre ... In solchen Momenten begegnet mir immer mein liebster Lieblingsdichter Rainer Maria Rilke. Seine Gedanken zur Geduld habe ich Dir heute als Weihnachtscolibri mitgebracht und hoffe, er hilft Dir wie mir in so manchem Moment, in dem die Hand schon wieder nach dem Gras greift. (nicht nach dem - nach dem anderen)
Ich wünsche Dir viel Freude mit seinen Gedanken.