Die Begegnung mit ihm hat mich verändert. Wie so vieles, dass man im Nachhinein betrachtet, erscheint es mir jetzt, mit Abstand, als vielleicht das Beste was mir damals passierte. Das sah ich zu dieser Zeit nicht so. Natürlich nicht, wie könnte ich. Ich war jung und wollte nur raus aus meinem Leben. Heute, bin ich erwachsen geworden. Und habe ihn seit diesem Sommer nie wieder gesehen. Ich war nie wieder dort, habe keinen Kontakt mehr zu irgendjemandem in meiner alten Heimatstadt, nicht mal meiner damaligen besten Freundin, Evelyn. Es liegt jetzt beinahe zehn Jahre zurück, aber es kommt mir vor wie ein anderes Leben.
Mein Leben bestand aus Schule und Arbeit. Arbeit und Schule. Aber das war okay. Ich wollte es so. Wenn ich nicht gerade in der Schule war, dann arbeitete ich in einem kleinen Cafe, namens Café Karma. Die Besitzer waren zwei Hippies, die vegane indische Gerichte anboten, Grünkernsmoothies verkauften und keine Ahnung davon hatten, wie man ein Café führte. Manchmal schmiss ich den Laden praktisch alleine. Da das bisschen, was ich dort verdiente nicht reichte, schob ich zusätzlich noch Schichten an der Supermarktkasse. Ich brauchte jeden Euro. Noch ein halbes Jahr, dann hatte ich endlich meinen Abschluss in der Tasche und konnte von hier verschwinden. Nach Amerika, soweit weg wie nur möglich. Hier, das war der Ort meiner glücklichen Kindheitstage: Steinbach, ein Vorort Frankfurts. Klein genug, um unbedeutend zu sein und groß genug, um von einem Schwimmbad, einem Kino und anderen Attraktionen zu profitieren. Ich hatte keine Zeit mich zu verlieben und auch kein Interesse daran einen Jungen kennenzulernen. Solche Komplikationen passten nicht in mein Leben. Ich wollte einfach nur weg von hier.
Nur noch ein paar letzte Klausuren und ungefähr 2000 Euro trennten mich von einem Leben weit weg von all dem und den Erinnerungen an meine verstorbene Schwester. Sie war jetzt fast seit einem Jahr tot und seit dem hatte sich einfach alles geändert. Meine Mutter hatte den Tod ihrer ältesten Tochter nicht überwunden und hatte mich und meinen Vater verlassen. Sie hatte einfach ihre Koffer gepackt, sich ein Flugticket nach Thailand gekauft und mir einen Kuss auf die Stirn gedrückt, bevor sie zur Tür hinaus verschwand. Ich hatte keine Ahnung, wo sie war und was sie so machte. Ob es ihr gut ging und ob sie manchmal an ihre andere Tochter dachte, die sie zurückgelassen hatte.
Mein Vater interessierte sich nur noch für die Flasche Whiskey, die er jeden Abend runter kippte, um seinen Schmerz zu ertränken. Er bekam kaum noch was um ihn herum mit. Ein Wunder, dass er seinen Job noch nicht verloren hatte. Doch es war nur eine Frage der Zeit.
Wenn ich behaupten würde, ich wüsste nicht, wann sich mein Leben erneut geändert hat, dann würde ich Lügen. Ich weiß noch genau, wann sich alles geändert hat. Im Sommer meines Abschlussjahres, als ich ihm begegnet bin, Cayden Evans.
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