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17. August 2019 / Nummer 15

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Anlaufstelle für Dienstmädchen
Sinp'arispa
Trenzando
Ñañope

Bolivien: Sucre - Santa Cruz 
IBAN: CH13 0900 0000 6056 2232 2
Ñañope mit Segen und Liebe am neuen Ort
Endlich ist es warm, Hühner und Küken gackern und piepsen um mich herum, und ich versuche, mich dennoch am Gartentisch sitzend zu konzentrieren. Seit sieben Tagen sind Laila und ich nach sechs Wochen Südwinter zurück in der Schweiz und geniessen das Sommerwetter. Ich gebe mir Mühe, den Alltag hier wieder in den Griff zu bekommen, den Unterricht und alles Weitere. Trotz gelegentlicher Müdigkeit merke ich wieder, wie gern ich doch meine lieben Fächer Musik und Gestalten unterrichte. Zwischendurch rätsle ich, ob ich nun lieber das Dickicht im Garten jäte, die Kaffeemaschine endlich wieder entkalke, die Ziegen zurückhole, die liegengebliebenen Rechnungen bezahle, Mails und Anrufe beantworte, nach den Gräbern meiner Eltern schaue, die Wäsche mache oder das Gepäck auspacke, und schaffe es diesmal, ganz entgegen meiner Natur, von allem ein wenig zu tun. Aber eigentlich möchte ich mich jetzt erinnern, das in Bolivien Erlebte auswerten und diesen Newsletter schreiben, um mit vielen von Euch endlich wieder einmal in Kontakt zu treten.
Es war Sonntagmittag. Ein strahlender Sonnentag, wie selten in dem knappen Monat, in dem ich mit Laila in Bolivien war. Alle waren eifrig am Vorbereiten: In wenigen Stunden wurde Monseñor Nicolas Castellanos erwartet. Im neuen Haus an der Calle Abuna in Santa Cruz war zwar das meiste noch improvisiert. Erst seit zwei Tagen waren die Dinge der Anlaufstelle hier untergebracht und noch fehlte es fast an allem, denn die meisten Möbel hatten wir in den vergangenen zwei Jahren von Roly Montero, dem lokal vertretenden Stiftungsratsmitglied geliehen.
Gleich zu Beginn hatte ich mich mit dem weiteren Planen von Haus und Garten befasst. Laila half beim Raster für das Wandbild, malte die Türanschrift und hielt alles Wesentliche fotographisch fest. Beim Wandbild half Zita Bauer tatkräftig, Sozialanthropologin und ehemalige Studienkollegin unseres ältesten Sohns Manuel, die ihre Masterarbeit über Dienstmädchen in Bolivien schreibt. Wir waren aber nicht die einzigen Besucher auf dem schönen Grundstück: Besonders morgens und abends fanden sich die ortsansässigen Vögel ein. Etliche, deren Namen wir nicht kannten und die uns mit den verschiedensten Lauten erfreuten, kamen vorbei, immer wieder mal eine Schar von Papageien, die wie Laila Mangos im Baum suchten, und morgens und abends auf dem toten Stamm die Spechte, die sich inzwischen an die Gegenwart von Menschen gewöhnt hatten und auch nach der feierlichen Messe die Anwesenden erfreuten.
Für die Vorbereitung der Einweihungsmesse waren einige Beteiligte von Ñañope gekommen: Daysi Ortiz natürlich, die Leiterin von Ñañope, ihre treuen Voluntarias und eine neue Helferin unter den Hausangestellten. Elizabeth Montero, die Direktorin der beiden Anlaufstellen Sinp'arispa und Ñañope war aus Sucre angereist, um bei dem feierlichen Moment dabei zu sein, und stellte Blumen in eine eigens angeschaffte Vase, die der Wind jedoch schon vor der Ankunft des Paters zerbrach. An diesem Sonntag konnte aber auch der Wind keine Laune beeinträchtigen, und eine abgeschnittene Petflasche, mit Steinen beschwert, tat den Dienst auch. Die rechtzeitig erweiterte Terrasse erschien als edler Platz für den Altar. Weil die Sonne aber wandern würde, hängten wir noch eine Hängematte als Baldachin auf. Die Stühle würden nicht reichen, aber auch das störte nicht weiter. Und endlich war es so weit. Die Empanadas für den Imbiss und der Kuchen gebacken, die Tische bereit und die Gäste da. Freundinnen und Freunde der Anlaufstelle und etliche Dienstmädchen waren gekommen, und nun kam der Pater aus dem Plan 3000, dem riesigen Armenviertel von Santa Cruz, mit seiner Sekretärin Fabiola, der Leiterin seiner Stiftung "Hombres Nuevos" und einem Freiwilligen aus Spanien.
Monseñor Nicolas legte sein Gewand an, beauftragte die anwesenden Jugendlichen mit Lektoratsaufgaben, erkundigte sich, ob jemand die Gesänge kenne, und dann begann er, die Messe zu zelebrieren. Die Gemeinde war sehr aufmerksam, gleichgültig ob katholisch oder nicht, alle waren mit dem Pater einig, dass es ein Freudentag war, die Anlaufstelle Ñañope in dem grossen Garten zu eröffnen, und dass es wesentlich war, um den Segen für die so dringend nötige Arbeit zugunsten der praktisch immer übersehenen und so oft ausgebeuteten, überall präsenten Hausangestellten zu bitten.
Für mich war dieser Moment ein absoluter Höhepunkt. Mehr noch als bei der Überreichung der Ehrenbürgerwürde in Sucre vor einem guten Jahr spürte ich die Bedeutung der Wertschätzung der Leute vor Ort für mich. Eine kleine Gruppe von Menschen aus verschiedenen bolivianischen Bevölkerungsschichten war da und teilte die Sorge um das Los der Dienstmädchen und die Hoffnung auf viele weitere glückliche Erfahrungen und Wendepunkte für Mädchen und Frauen in dieser neuen Anlaufstelle.
Der Segen ist in Bolivien wichtig. Allgegenwärtig ist die Erfahrung, dass vieles nicht in unserer Hand liegt. Ob es daran liegt, dass das Weihwasser so gern empfangen wird? Padre Nicolás verteilt es grosszügig und strahlend. Er lebt schon mehr als dreissig Jahre im Armenviertel von Santa Cruz. Zuvor war er Bischof in Spanien und liess sich emeritieren, um den Armen beizustehen. Seine Werke sind unglaublich beeindruckend, sein Engagement mitreissend. Seit ich ihn vor zweieinhalb Jahren kennengelernt habe, bedeutet mir sein Rat und seine Wertschätzung unendlich viel. Seine heutige Aufforderung an mich, nur ja oft genug zurückzukommen und das Projekt aus der Nähe zu begleiten, gräbt sich mir tief ein.
Er segnet die Kinder und die Schaukel, Inbegriff der Unbeschwertheit und Lebensfreude, die wir in Ñañope auch für Hausangestellte erwirken möchten. Er segnet Elizabeth, die Leiterin der Anlaufstellen seit Anbeginn, Daysi, mich und alle anderen, und natürlich auch die neuen Räumlichkeiten. Und dann wird freudig angestossen. Die wunderbaren Backwaren der professionellen Hausangestellten sind nach lobenden Worten sehr bald weg.
Im Gang, dem Pasillo, wird die Büroarbeit am folgenden Tag dann in Angriff genommen. Und natürlich vor allem die Beratungs- und Betreuungsarbeit. Die erste "acogida" (Aufgefangene) ist schon da. Sie ist glücklich und dankbar. Seit mehr als einem Jahr, seit sie aus ihrem entlegenen Bauernweiler zum Arbeiten in die Stadt gezogen ist, hat sie noch nie ein freies Wochenende gehabt, bestenfalls ein paar freie Stunden.
Nun hofft sie auf eine Anstellung mit geregelten Arbeitszeiten, denn sie weiss wie es sich anfühlt, 17 Arbeitsstunden pro Tag zu leisten, und das mit sechzehn Jahren schon. Ihren traditionellen Faltenrock hat sie aus Sicherheitsgründen abgelegt, die Zöpfe aufgemacht, wie sie mir erzählt. "Die Männer schauen dich zu sehr an!" Zu Hause zu Besuch war sie noch nie. Die Reise ist viel zu weit, und von Ferien wird sie nun erst zu träumen beginnen...
Das Entwerfen dieser Anlaufstelle in Santa Cruz hat sich ganz offensichtlich gelohnt. Nun skizziere ich das Wandbild an der Strasse, das Hausangestellte, alphabetisiert oder nicht, verständlich und wohlwollend einladen soll. Aber vor allem entwerfe ich natürlich die räumlichen Ausbaupläne, einen kleinen Saal mit Gemeinschaftsküche, einen Büroraum, ein Notschlafzimmer, ein Bad und ein Mehrzweckzimmer. Don Aquino, der Maurer aus dem bolivianischen Tiefland denkt und plant mit. Er hat in den vergangenen Monaten das kleine alte Gebäude auf dem Grundstück renoviert, das als Dienstwohnung und Gästezimmer dienen wird, sobald die hier provisorisch untergebrachte Anlaufstelle in die bauliche Erweiterung ziehen kann, Und er ist mit seiner ganzen Familie begeistert  unter den ersten Gästen für die Einweihungsmesse. Auch er ist überzeugt, dass der Segen das Wesentlichste ist. Seine Tante hat im kleinen Dorf in der Tieflandpampa die wunderschöne Hängematte gewoben, die dem Pater Schatten spendet. Die kleinen Mädchen geniessen während der Messe den Papa und den Garten. Ihr grosser Bruder, Samir, hat in meinem Auftrag die Schaukel gebaut und wird vom Pater gleich als Lektor eingesetzt.
Beruhigt, wenn auch in Eile nach all den wichtigen Gesprächen und letzten Retouchen am Wandbild am frühen morgen noch, reisen Laila und ich wieder ab. Wir sind überzeugt, dass es gut kommt mit Ñañope - so gut wie mit Sinp'arispa. Der Boden ist gelegt, der Weg skizziert. Eine Gruppe engagierter Menschen stellt sich überzeugt hinter die Aufgaben der Anlaufstelle. Die Tür steht offen für Dienstmädchen, die eine effiziente und menschliche Hilfe brauchen und erhalten werden.
Die Papageien fliegen unter beachtlichem Geschrei weiter. Sie werden gerne wieder kommen, wie ich auch.
Im Garten, zurück im Baselbiet, erinnere ich mich an die Mahnung des Paters. Die wunderschöne Hängematte trägt mich in einen leisen Mittagsschlaf, umgeben von meinen geliebten Ziegenglöckchen und dem Scharren der Hühner. Ich spüre den Segen regelrecht auf meiner Haut und bin trotz Erschöpfung voll des Danks.
"Sinp'arispa", heisst die gut funktionierende und schon weit herum bekannte Anlaufstelle für Dienstmädchen in Sucre; das bedeutet in Quechua "flechtend". Dienstmädchen werden aus ihrer Isolation herausgeholt, vernetzt, gestärkt und aufgerichtet. Sie helfen sich gegenseitig weiter und flechten Freundschaften. Die junge Zweigstelle in Santa Cruz, die nun im neuen Zuhause beginnt, heisst "lasst uns flechten" in Guaraní: "Ñañope". Schaffen wir es, den nötigen Erweiterungsbau zu finanzieren?
Herzlichen Dank für alle bisher schon eingegangenen Spenden!
Newsletter an Freunde und Bekannte mit der entsprechenden Empfehlung weiterzuleiten, kann noch mehr bewirken! 

Spendenkonto CH13 0900 0000 6056 2232 2


Trägerverein Anlaufstelle für Dienstmädchen in Bolivien
4410 Liestal
Maria Magdalena Moser, Projektleitung
mmm@dienstmaedchen-bolivien.org
www.dienstmaedchen-bolivien.org
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