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Liebe Freundinnen und Freunde von NeSTU
Vor zwei Monaten hat "der Mann mit P." diesen Wahnsinn begonnen und keiner kann heute sagen, wann er zu Ende geht und wieviele Opfer er noch fordern wird. Gerade heute ist der Krieg noch ein wenig näher nach Transkarpatien gerückt. Hunderte Mitglieder der hiesigen Territorialverteidigung, einer relativ neuen, lokalen und milizartigen Einheit der Armee wurden zur Front berufen und machten sich gemeinsam auf den Weg, darunter auch zahlreiche unserer Freunde aus den umliegenden Dörfern. Sie haben sich zu Beginn des Kriegs oder auch schon davor freiwillig gemeldet und wurden dann in Schnellbleiche-Trainings minimal ausgebildet. Eliteeinheiten sind sie sicher nicht und wir gehen davon aus, dass sie Aufgaben wie die Kontrolle an Strassensperren etc. übernehmen werden.

In diesem Rundbrief:
  • Unsere Freunde von der Dokufilminitiative Babylon '13, Olena Zashko und Anna Yeresko haben in den vergangenen Tagen die Freiwilligen von NEBO in Charkiw bei ihrem Einsatz gefilmt. Auf Youtube ist eine Kurzversion mit englischen Untertiteln zu sehen. NeSTU unterstützt diese Suppenküche in Charkiw massgeblich.
  • Die Flüchtlingssituation in Transkarpatien, im Grossen und im Detail.
  • Ein Freund in Gelterkinden hat auf unsere Anfrage mehrere Musikinstrumente gespendet. Damit hat er ein paar Teenager aus Luhansk im Jugendgästehaus von Nyzhne Selyshche glücklich gemacht.
  • Ankündigung: Am 14.05.2022 ab 19:30 Benefizkonzert "Anima Ruthenica» in der Kirche Berg am Irchel, ZH
    Professionelle ukrainische Sängerinnen und Sänger, darunter auch Geflüchtete, veranstalten dieses Benefizkonzert.
    Präsentiert werden Schätze der ukrainischen geistlichen Musik, sowie Volkslieder, a cappella vorgetragen, oder mit Begleitung an der Bandura (Lautenzither mit bis zu 65 Saiten).
    Sviatoslava Luchenko, Sängerin und Dirigentin, führt durch den Abend.
  • Ein Lesetipp: Der russische Krieg gegen die Ukraine löst gerade in aufgeklärten, liberalen und linken Kreisen viele Diskussionen aus. Deklarierte Pazifisten sprechen sich dagegen aus, die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen, andere kritisieren den "ukrainischen Nationalismus". Genau zu diesem Thema empfehle ich die Lektüre eines jungen Basler Historikers, Fabian Baumann. Zum Artikel geht's hier.
Redaktion: Jürgen Kräftner, NeSTU-Transkarpatien
Eure Unterstützung:
In den vergangenen Wochen hat NeSTU von hunderten Personen und Institutionen Unterstützungsbeiträge zur Linderung der Not in der Ukraine erhalten. Diese Mittel können wir sehr gut für schnelle, unbürokratische und gezielte Hilfe einsetzen. Wir sind Euch extrem dankbar! 
Wir freuen uns weiterhin auf Unterstützung und freuen uns auch darüber, wenn Ihr unsere Rundbriefe und unsere Arbeit in Eurem Bekanntenkreis bekanntmacht. Weiterleiten unserer Rundmails ist ausdrücklich erwünscht!
Spendenkonto NeSTU:
Raiffeisenbank Nidwalden, 6370 Stans
IBAN: CH69 8080 8008 0940 4940 2
Charkiw
Die Fotos oben stammen aus der grossen Stadt im Nordosten der Ukraine: Eine Mutter mit ihrer Tochter in einem Luftschutzkeller, und Freiwillige von NEBO. Die Arbeit ist gefährlich und die Fahrer tragen wo möglich kugelsichere Westen.
Wir haben von NEBO schon früher berichtet, aber hier nochmals ganz konkret:
Ehemalige Ingenieure und Mitarbeiter einer Reparaturwerkstatt für Eisenbahnlokomotiven, Restaurantbesitzer und Taxifahrer, DJs und Lehrer haben sich zusammengeschlossen, um den Bedürftigsten in Charkiw und den Vororten ein warmes Mittagessen und humanitäre Hilfe zukommen zu lassen.
 
NEBO hat zwei Küchen im Zentrum von Charkiw eingerichtet, in denen derzeit täglich für 7.800 Menschen warme Mahlzeiten zubereitet werden. "Diese Menschen befinden sich in Luftschutzkellern, Schulen, Internaten und Krankenhäusern. Unter den aktuellen Umständen können sie nicht für sich selbst kochen", sagt Serhiy Chubukov, einer der Gründer von NEBO.
Seit Kriegsbeginn wird Charkiw täglich mit Raketen und Artillerie beschossen. Einer der am stärksten betroffenen Stadtteile ist Saltiwka, im Norden der Stadt. Bis zur russischen Grenze sind es etwa 40 km. Hier befand sich bis vor zwei Wochen eine Bäckerei der Freiwilligeninitiative, in der täglich mehr als 1.000 Brote für Bedürftige gebacken wurden.
Bei einem Bombenangriff wurde sie beschädigt. Die noch funktionstüchtigen Einrichtungsgegenstände wurden daraufhin an einen sichereren Ort gebracht
.
Serhiy Chubukov:
"Wir brauchen Unterstützung für den Wiederaufbau der Bäckerei. Mit uns arbeiten jetzt etwa 50 Freiwillige. Wir haben unsere Hände und unseren Kopf. Wir kennen unsere Stadt. Wir evakuieren Menschen, vor kurzem haben wir auch ein Tierheim evakuiert. Seither hat jeder von uns eines dieser herrenlosen Haustiere in seiner Küche. Wir könnten effizienter arbeiten, dafür brauchen wir mehr Mittel. Wenn unsere Lager voll sind, können wir binnen weniger Tage 4000 Pakete mit Lebensmitteln und anderen dringenden Hilfsgütern verteilen. Aber derzeit können wir nicht alle Anfragen erfüllen."

Und hier nochmals der Link zur Video über die Arbeit von NEBO.
Und der Link zum Telegram-Kanal von NEBO
Binnenflüchtlinge
Das Bild oben zeigt Schätzungen über die Anzahl der Binnenflüchtlinge pro Oblast. Wir wissen nicht genau, wie diese Zahlen zustande kommen, aber die Grössenordnungen scheinen realistisch. Es gibt sicher noch eine Dunkelziffer, die hier nicht berücksichtigt ist. 
Ebenfalls vom Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge stammen aktuelle Schätzungen, nach denen bereits 5,2 Millionen Menschen die Ukraine verlassen haben. Das UNO-HCR rechnet in näherer Zukunft mit bis zu 8,3 Millionen Flüchtlingen. Innerhalb des Landes haben 7,7 Millionen Menschen ihren Wohnort verlassen, weitere 13 Millionen halten sich in Gefahrenzonen auf, die sie entweder nicht verlassen wollen oder können.

In den vergangenen Tagen haben wir eine Frau aus Mariupol bei uns beherbergt. Sie hatte vergleichsweise Glück und konnte die belagerte Stadt Mitte März verlassen. Unbekannte Nachbarn boten ihr einen Platz im Auto an. Bei der nächtlichen Flucht wurde die Fahrzeugkolonne von Artillerie beschossen. Sie standen stundenlang im Dunkeln, bloss kein Handy oder eine andere Lichtquelle anschalten, um sich nicht bemerkbar zu machen. Ihre Bekannte, auch eine Nachbarin, will die Stadt nicht verlassen, solange sie ihren verschollenen Sohn nicht gefunden hat. Inzwischen ist der Kontakt abgebrochen.
Heute morgen haben wir eine Gruppe von 17 Frauen und Kindern aus dem Donbas an die rumänische Grenze begleitet. Sie lebten in den vergangenen Wochen in unserer Dorfschule. Nach zwei Monaten Krieg ist es für sie klar geworden, dass an eine Rückkehr in die Heimat nicht zu denken ist, und sie haben dankbar ein Angebot aus Bulgarien angenommen: Die Erwachsenen werden in einer Textilfabrik arbeiten und sie bekommen gleich bei ihrer Ankunft Wohnungen. Unser Freund Gena aus Zaporizhe, er ist ebenfalls Flüchtling bei uns in Nyzhne Selyshche, konnte dies vermitteln. Der Grenzübertritt verlief problemlos, obwohl die meisten keine richtigen Reisepässe hatten. Auf der rumänischen Seite haben ukrainischsprachige Freiwillige die ganze Gruppe gleich mit warmen Mahlzeiten versorgt, die Kinder konnten in Kisten mit Spielsachen wühlen. Anschliessend wurden sie kostenlos mit dem Autobus nach Bukarest weitergeschickt, dort ist die Übernachtung vor der Weiterfahrt nach Bulgarien organisiert. So löste sich auch die Stimmung in der Gruppe, die morgens noch tränenreich von zurückbleibenden Familienmitgliedern Abschied genommen und dann die zwei Stunden bis zur Grenze sichtlich gespannt geschwiegen hatte.
Zu beschreiben, was der Begleiter oder die Begleiterin emotional bei solchen Transfers mitmacht, steht auf einem anderen Blatt.
Im Jugendgästehaus in Nyzhne Selyshche
Hier leben weiterhin über 30 Personen. Die Stimmung ist "vorwiegend heiter" oder jedenfalls gelöst, trotz Allem.  Auf den Fotos ist zu sehen, wie Eric, Musiker und Solarenergiefachmann von Longo mai den Jugendlichen aus Luhansk erste Kenntnisse im Gitarrenspiel beibringt. Die Instrumente kamen von unserem Freund Cornelius im Basel-Land: Nur wenige Tage nach unserer Anfrage waren sie schon bei uns im Dorf, herzlichen Dank! Auch so funktioniert unser Netzwerk.

Flüchtlinge im Dorf
Wo und wovon werden tausende Menschen, für die es auf absehbare Zeit kein Zurück geben kann leben? Neben der weiterhin notwendigen Nothilfe beginnen wir uns darüber den Kopf zu zerbrechen. Profis der humanitären Hilfe sagen, dass erfahrungsgemäss etwa 20 Prozent der Binnenflüchtlinge am Fluchtort bleiben. Das wären in Transkarpatien vielleicht 100'000 Personen, beinahe die Einwohnerzahl von Uzhhorod. In den umliegenden Dörfern gibt es leerstehende Häuser, in unterschiedlichem Zustand. Es wird viel Zeit und Energie nötig sein, um solche Fragen zu klären. Auch bei uns gibt es Kriegsgewinnler. Vor allem in den Städten sind die Mietzinse in astronomische Höhen geschnellt, praktisch auf österreichisches Preisniveau!
Unsere "Gäste" aus der Region Kyiv und Chernihiv, wo jetzt keine russischen Soldaten mehr sind, wollen hingegen so schnell wie möglich zurück nach Hause. Einige sehen sich dort zunächst einmal um, bevor sie eine Entscheidung treffen. Dort, wo die Häuser teilweise zerstört wurden, müssen sie vor unliebsamen Besuchern geschützt werden. An Wiederaufbau ist derzeit noch nicht zu denken. Wer Kinder hat, der/die zögert noch. Immer wieder warnen die Sirenen vor Raketenbeschuss, und in den vergangenen Tagen wurden ja auch wieder Ziele in der Westukraine getroffen.
Kontakt zu NeSTU:
Salome Stalder - Martin, Dipl Forst-Ing. ETH, Mürgstrasse 6, 6370 Stans
E-Mail: info(at)nestu.org. Natel: 078 770 23 43
Spendenkonto NeSTU:
Raiffeisenbank Nidwalden, 6370 Stans
IBAN: CH69 8080 8008 0940 4940 2
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