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Liebe Freundinnen und Freunde von NeSTU
Bei einem kürzlichen Besuch in der Schweiz habe ich gehört, dass viele Schweizer und Schweizerinnen schon müde vom Krieg in der Ukraine sind. Das kann ich ohne jeglichen Sarkasmus gut nachvollziehen. Aber wenn Ihr dies lest, dann versteht Ihr zweifellos, wie sehnsüchtig die Menschen auch hier in der Ukraine ein Ende des Kriegs wünschen. 
Wir stehen weiterhin in engem Kontakt mit verschiedenen Hilfsinitiativen im Osten der Ukraine und unterstützen sie aus den Mitteln, die wir aus Spenden erhalten haben. Zur Illustration schicken wir Euch hier einen Bericht der Moskauer Publizistin und Menschenrechtsaktivistin Viktoria Ivleva. Sie als Oppositionelle zu bezeichnen, wäre ein viel zu schwacher Ausdruck ihrer radikalen Haltung zum russischen Chauvinismus und der ungestraften Babarei. Wie schon zu Zeiten des Maidan und danach hält sie sich derzeit in der Ukraine auf und hilft dort, wo es am dringendsten nötig ist.

In dieser schwierigen Zeit möchten wir Allen danken, die solidarisch sind, helfen, egal wie. Jede Geste der Menschlichkeit zählt.

Ausserdem in diesem Rundbrief:
  • Das Comité d'Aide Médicale Zakarpattya konnte mit Unterstützung aus der Schweiz und aus Frankreich 11 Rettungswagen in die Ukraine bringen.
  • In Stans NW beginnt heute, Donnerstag 30.6. ein dreitägiges Festival for Peace. Eintritt frei, Kollekte für verschiedene Friedensinitiativen. Jeweils ab 18.30 Türöffnung und Buffet, ab 20.00 Musik mit zahlreichen Musiker*innen.
  • Friedenscafé in Zürich am 24. August, Tag der Unabhängigkeit der Ukraine, 19 Uhr. Die in der Schweiz wohnhafte Ukrainische Schriftstellerin Halyna Petrosanyak liest aus ihren Gedichten und Geschichten auf Ukrainisch. Jeff Kochan (Universität Konstanz), der die Texte von Halyna auf Englisch übersetzt, nimmt an der Lesung teil und wird einige Deutsche Übersetzungen lesen.  Anschliessend Apero. Adresse: Gartenhofstrasse 7, Zürich 8004  Wir freuen uns Euch wieder zu sehen!
  • Konzerte der Hudaki Village Band: Fr 9. September in Wohlenschwil AG und So 11. September in Romanshorn SG. Das Konzert in Basel vom 10.9. wurde abgesagt, wer kurzfristig etwas organisieren möchte, bitte um Nachricht: hudakivillageband@gmail.com
  • Zum Vormerken: Jahresversammlung von NeSTU am 25. März 2023 in Luzern
  • Lesetipp: Gerade hat Serhij Zhadan den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten. Wir empfehlen nachdrücklich die Lektüre seines letzten Romans "Internat". Das Meisterwerk, geschrieben bereits 2017, vermittelt prophetisch einen tiefen Einblick in die Ukraine von heute.
Text und Übersetzung aus dem Russischen von Jürgen Kräftner, NeSTU-Ukraine.
Evakuierung aus Lisitschansk, von Viktoria Ivleva
Dies sind Dascha und Ksjuscha. Vor zwei Tagen haben die Mitarbeiter von base-ua und ich die beiden und Daschas grössere Kinder Vanya, Verotschka und Mascha aus Lisitschansk evakuiert. Ich fand diese Familie, die sich vor dem Beschuss in der Datscha versteckt hatte, zufällig - die Jungs von base-ua wollten eine alte Frau aus einem Haus in der Nähe abholen, und ich hörte Kinderstimmen hinter einem Zaun, schob das Tor auf - Mascha und Verotschka waren im Hof, der Boden erzitterte, ihr kleines Haus wackelte, Dascha stillte ihr Baby inmitten dieses Albtraums...
"Jetzt, schnell, sofort, lauft, macht Euch bereit!"
Daschas Vater Jura kam aus dem Nichts, ein stämmiger Kerl, befahl allen Kindern, mit mir zu kommen, gab ihnen wenigstens ein paar Sachen in Einkaufstaschen mit, sammelte schnell ihre Dokumente ein und steckte sie in Dascha's Tasche, dann schepperte Alles, aus dem Türsturz wirbelte Staub.
"Lauft, lauft, wenn ihr leben wollt!"
Jura ist zurückgeblieben, ich konnte ihn nicht überreden, er sagte, er wolle sehen, wie Alles ausgeht - ja, das hat er gesagt, ich sage Euch, ein starker Mann.
Wir rannten zum Auto, wo die Frau, die die Freiwilligen abgeholt hatten, schon sass, Ruslan gab Gas, wir rasten los, die Kinder waren ruhig, es war nicht beängstigend, aber irgendwie unreal. Ich kann es nicht beschreiben.
Wir liessen Dascha und die Kinder im Luftschutzkeller zurück und eilten zusammen mit den Freiwilligen Ruslan und Max zu der alten Frau, wir konnten sie kaum finden, nur mit Mühe gelangten wir ins Haus, zeigten ihr das Video der Enkelin, die ihre Grossmutter anflehte, zu ihr nach Dnipro zu ziehen.
"Ich gehe nirgendwohin", sagte die Grossmutter. Die immer näher einschlagenden Geschosse nahm sie wahr, ohne mit der Wimper zu zucken. "Das ist mein Land. Ich möchte hier sterben."
Fünfzehn Minuten Flehen und Betteln hatten keine Wirkung. Die Grossmutter nahm den Hund und verschwand hinter dem Tor mit einem Schild, auf dem "Hier leben Menschen" stand. Wir eilten wir zurück und duckten uns wegen dem anhaltenden Beschuss. 
Anton Yaremtschuk und mein Sohn Filipp im anderen Auto brachten eine Familie - eine Mutter, einen Jungen und einen Vater, der am Bein verwundet war und Wasser holte, und getrennt davon einen Mann mit einem Schlaganfall, der nicht sprechen konnte und halbseitig gelähmt war; er wurde vom amerikanischen Sanitäter John behandelt.
Dascha, die Kinder, die Familie mit dem verwundeten Vater, einige weitere alte Damen und ein alter Mann Fedorych auf Krücken eilten mit Ruslan am Steuer nach Kramatorsk, oder besser gesagt, zur Kirche in Yasnogorivka, wo sie alle Geretteten willkommen heissen und ihnen erste Ruhe und Erholung gönnen, Anton, John und ich brachten einen Gelähmten in die Notaufnahme.
Was für ein schöner Tag!
Stand heute: Dascha, die Kinder und alle anderen haben den Evakuierungszug bestiegen und sind auf dem Weg nach Lwiw, das Schicksal von Jura und der starrsinnigen Oma ist unbekannt. 
Im weiteren Text ruft Viktoria Ivleva ihre zahlreichen Freunde auf Facebook auf, diese Initiative in Kramatorsk (Oblast Donetsk) zu unterstützen. Jede Evakuierung kostet Geld. Anton Yaremtschuk hat mir gestern ausführlich von den aktuellen Aktivitäten der Freiwilligen erzählt. Sie befürchten, dass die Armee Lisitschansk in Bälde aufgeben und dass dann auch das letzte funktionierende Spital aufgelöst wird. Darauf bereiten sie sich vor indem sie ein Feldspital einrichten. Ganz wichtig ist auch die weitere Betreuung der Flüchtenden. Anton sagte am Telefon, dass die Menschen, die vier Monate unter Beschuss in Lisitschansk ausgeharrt haben, mit ihren Nerven völlig am Ende sind und mehrere Wochen lang Unterstützung brauchen, bis sie wieder eigenständig Entscheidungen treffen  können. Wir wollen auch diese Initiative gerne direkt unterstützen. Wie immer geht dies gut und unbürokratisch via das Spendenkonto von NeSTU:
Raiffeisenbank Nidwalden, 6370 Stans
IBAN: CH69 8080 8008 0940 4940 2
Daschas Vater Jura sammelt die Dokumente der Kinder ein. 
Furchtlose und engagierte Männer. Diese und noch mehr Freiwillige leben in einer Gruppenunterkunft in Kramatorsk in der Oblast Kramatorsk. In der Mitte hinten Anton Yaremtschuk, der Sprecher der Initiative.
Aus Transkarpatien
Die Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges ist geschwunden. Der letzte Monat war hart. Einige unserer Freunde und Bekannten sind an der Front gefallen, andere wurden verwundet. Ein guter Freund ist mit seiner Einheit in Kriegsgefangenschaft geraten und wir machen uns Sorgen um ihn. Manchmal überkommt uns das Gefühl, dass eine ganze Generation brillanter und engagierter junger Männer ausgelöscht wird. 
Aus privaten Gesprächen erfährt man, wie erschöpft die Soldaten sind, vor allem diejenigen, die die letzten Wochen an der Front im Donbas verbracht haben, wo sie unter ständigem Artilleriebeschuss standen und täglich dem Tod ins Auge blickten.
 
Aus unserer Region sind viele Flüchtlinge ab- oder zurückgereist, selbst nach Charkiw, das seit einigen Tagen wieder unter Beschuss steht. Kyiv war fast einen Monat lang ruhig und wir wollten schon glauben, dass auf die Luftabwehrsysteme der Hauptstadt 100prozentiger Verlass sei. Doch mehr als 100 Raketen, die am vergangenen Wochenende fast gleichzeitig abgefeuert wurden, waren offensichtlich zu viel. Unter den Opfern waren einige, die zu Beginn des Krieges weggegangen und erst kürzlich zurückgekehrt waren.
 
Bei uns im Dorf leben jetzt deutlich weniger Menschen in der Schule und im Kindergarten. Khust, unsere kleine Provinzstadt mit 30.000 Einwohnern, wirkt wie leergefegt. Dennoch ist es schwierig, sich ein vollständiges Bild zu machen. In Uzhhorod leben in den Wohnheimen der Universität immer noch mehr als tausend Flüchtlinge und nach Angaben der Verwaltung ist die Bevölkerung der Oblast von 1,1 vor dem Krieg auf derzeit 1,5 Millionen angestiegen. Wir vermuten aber, dass sich Menschen angemeldet haben und in der Zwischenzeit wieder weggezogen sind.
Die Tatsache, dass die Städte leer zu sein scheinen, könnte also das Ergebnis von Geldmangel, teuren oder unzugänglichen Treibstoffen und dem Druck der ständigen Kontrollen durch die Militärpolizei sein. Seit kurzem gibt es an den Tankstellen wieder Benzin und Diesel, wenn auch begrenzt auf 20 l pro Person und Tag.
 
Die grosse Frage stellt sich für später. In vielen Städten im Kriegsgebiet ist die Infrastruktur völlig ruiniert. In der Ukraine gibt es keine einzige funktionierende Ölraffinerie mehr. Wie werden die Menschen ihre Wohnungen heizen? Wird es Wasser und Strom geben?
 
Eine kleine Statistik, die schon ein wenig älter ist:
In den 100 Tagen des Krieges hat Russland 93 Milliarden Euro durch den Verkauf von Energieressourcen verdient, davon 61% von den EU-Ländern. In diesem Zeitraum überstieg diese Summe die von den USA gewährte Militärhilfe um das Dreissigfache. Wenig überraschend bezahlt Russland seine Soldaten über die Gazprombank, dieselbe Bank, die auch das Geld aus dem Verkauf von Öl und Gas im Ausland erhält.
 
Hilfe, die wir dringend brauchen könnten:
Jemanden, der/die einen Grundofen für die Unterkunft für unsere befreundeten Flüchtlinge aus Luhansk bauen kann und möchte. Plan und Materialien sind gesichert.
Derzeit suchen wir jemand, der oder die einen PKW aus der Schweiz bis nach Wien oder auch bis in die Ukraine bringen möchte.
 
11 Ambulanzen für die Ukraine, gute Arbeit des CAMZ!
Aus einer gemeinsamen Initiative des Vereins Parasolka und verschiedenen Organisationen in der Schweiz und in Frankreich konnte das CAMZ diese Ambulanzen nach Charkiw, Dnipro, Kyiv, Bucha, Chernihiv und Zaporizhia schicken. In der Ukraine waren an der Aktion der transkarpatische Schriftsteller Andrij Ljubka und Serhij Zhadan beteiligt, dem eben der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zuerkannt wurde.
Eine Video von der Aktion
Mehr auf der Website des CAMZ
Und hier unten das weiterhin unverwüstliche Team des CAMZ in Uzhhorod!
Kontakt zu NeSTU:
Salome Stalder - Martin, Dipl Forst-Ing. ETH, Mürgstrasse 6, 6370 Stans
E-Mail: info(at)nestu.org. Natel: 078 770 23 43
Spendenkonto NeSTU:
Raiffeisenbank Nidwalden, 6370 Stans
IBAN: CH69 8080 8008 0940 4940 2
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