Göttin!
Man kann wieder ins Museum, und ich habe die Gelegenheit genutzt, um mir die Ausstellung “The Female Side of God” anzuschauen, die noch bis Ende des Monats im Jüdischen Museum in Frankfurt/Main gezeigt wird. Mir hat sie sehr gut gefallen und ich fand sie zum Nachdenken anregend.
Was eigentlich ist “weiblich” im Zusammenhang mit “Gott”?
Das ist heute eine hochbrisante Kombination, weil sowohl der Begriff Gott als auch das Konzept Weiblichkeit quasi Minenfelder vergangener Diskurse und Verletzungen und Verirrungen sind. Zum Beispiel Bilder von alten Figurinen mit großen Busen oder weit geöffneten Vulven - sind das Göttinnen? Sind die weiblich? Und wenn, was macht sie zum einen oder zum anderen?
Meine These wäre jedenfalls, dass sich weder das eine noch das andere, also weder Gott noch Weiblichkeit, definieren lässt. Man muss mit den Konzepten “arbeiten”, damit sie einen Sinn ergeben. Gott und Weiblichkeit sind keine Naturphänomene, sondern kulturelle Praktiken. Und plausibel werden können sie nur dann, wenn die Art und Weise, wie sich jemand (oder eine Gruppe, Gemeinde, Gemeinschaft, Kultur) darauf bezieht, nützlich ist und nicht schädlich für das gute Leben der Menschen.
Wobei ich es immer, und so auch hier wieder, problematisch finde, wenn Weiblichkeit eigens zum Thema gemacht wird, Männlichkeit aber nicht. Eigentlich müsste es eine Doppel-Ausstellung geben, eine über die weibliche und eine über die männliche Seite Gottes. Und dann tragen wir die Exponate darin herum und fragen, inwiefern sich was ändert, je nachdem, ob man es als weiblich oder als männlich versteht. Worin besteht die Weiblichkeit der Weisheit? Der Schlange? Gibt es auch männliche Weisheit? Und inwiefern ist sie anders? Männliche Schlangen? Und brauchen wir dann noch eine geschlechtsneutrale und eine nicht-binäre Version? Und dann das Ganze nochmal in einer cis und in einer trans Variante?
Gott, so glaube ich, eignet sich gut, um über die Konstruktion von Geschlecht nachzudenken UND über ihren Zusammenhang mit der Realität. Viele finden es falsch, über Gott in geschlechtlichen Bildern zu sprechen, sie möchten Gott neutral, drüberstehend, gewissermaßen “post-Gender” haben.
Aber Post-Gender ist immer die schlechteste von allen Möglichkeiten, und das ist auch bei Gott so. Gottes Geschlechtlichkeit könnte vielmehr ein guter Schlüssel dafür sein, aus der falschen Alternative von von Essenzialismus versus Konstruktivismus, von Materie versus Idee herauszufinden, in denen sich die Genderdebatten derzeit verheddert haben.
Ich wünsche schöne Sommerwochen und schicke herzliche Grüße,
Antje
(PS: Ganz unten gibt’s wieder Bücher zum Verschenken)