Liebe Europäerin, lieber Europäer

Nach den Sommermonaten ist der politische Alltag mit dem Beginn der Herbstsession diese Woche definitiv nach Bundesbern zurückgekehrt.

Was unsere europäische Zukunft anbelangt, stimmt mich der Blick ins aktuelle Sessionsprogramm nicht besonders positiv. Vor der Sommersession hatte der Bundesrat den Antrag gestellt, dass die Freigabe der sogenannten Kohäsionsmilliarde in beiden Räten in der gleichen Session behandelt werden soll. Während das Büro des Nationalrats dem zustimmte, lehnte das Büro des Ständerats den Antrag ab. Die rasche Traktandierung dieses Geschäfts in beiden Räten ist für die künftigen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU jedoch wichtig – insbesondere für eine Verbesserung der Position der Schweiz in den Rahmenprogrammen wie Horizon Europe oder Erasmus+. Die Zeit drängt. Jede Verzögerung wird unsere Position schwächen, denn es handelt sich um dynamische Programme, die rasch voranschreiten. Wer zu spät kommt hat das Nachsehen.

Dass das Geschäft zur Deblockierung des Schweizer Kohäsionsbeitrags also erst für den 30. September im Ständerat traktandiert ist und damit eine Behandlung desselben Geschäfts im Nationalrat in der gleichen Session unmöglich ist, führt aber unweigerlich zu einer weiteren Verzögerung. Der von SP Ständerat Carlo Sommaruga eingereichte Ordnungsantrag, der fordert, dass die Traktandierung im Ständerat vorgezogen werden soll, wurde am Dienstag mit 30 zu 14 Stimmen bei 0 Enthaltungen abgelehnt.

Also warten wir weiter ab… Wohl wissend, dass für die Schweiz vieles auf dem Spiel steht. Dabei sollten wir endlich aufhören zu plaudern und stattdessen vorwärts machen. Auch der ehemalige EU-Chefunterhändler, Christian Leffler, macht diese Woche in einem Interview klar: «Ohne neue Vorschläge seitens der Schweiz gibt es keinen Ausweg aus der aktuellen Sackgasse.»

Während die Politik also weiterhin nicht weiss, was sie eigentlich will, wissen wir das schon lange: Wir wollen eine europäische Zukunft – für uns und für kommende Generationen. Wir wollen eine vertiefte Integration der Schweiz in Europa, mit Mitspracherecht und vollem Zugang zum EU-Binnenmarkt sowie die vollständige Assoziierung an die europäischen Kooperationsprogramme. Wir wissen, was dies für die Schweiz bedeutet und scheuen uns nicht, Tacheles zu reden. Die massgeschneiderte Sonderlösung hat der Bundesrat verworfen. Übrig bleiben zwei institutionelle Lösungen, für die sich bereits 30 europäische Länder entschieden haben: Den EU- oder den EWR-Beitritt. Der Weg dahin ist lang, aber gemeinsam können wir es schaffen – bleiben wir dran!

Janina Aeberhard