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Bothmer Nachrichten

21. November 2021
In Memoriam Alheidis
Alheidis von Bothmer 03 September 1928 - 25 April 2021
Alheidis Gräfin von Bothmer kam 1928 als Alheidis von Raven und als drittes von fünf Kindern auf dem Gut Groß Luckow in der Uckermark zur Welt. Bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr verbrachte sie eine unbeschwerte Kindheit auf dem Land und bewegte sich dabei »mehr auf dem Pferderücken als zu Fuß«, wie sie erzählt. – Sie wuchs in eine berühmte Reiter-Familie hinein, lernte von klein auf die Landwirtschaft kennen und liebte ihr unkompliziertes Leben in und mit der Natur. Auf diesem Fundament baute sie ihr ganzes reichhaltiges Leben auf.
Der Tod von Milarepa

 
Als Milarepa schon alles wusste, baute er sein Haus zum letzten Mal,
und er veränderte seine Form
nach seinem Geschmack,
so wie ein Bär der im Frühjahr sein Winterfell verliert;
 
auf sein Befehl, wuchs die Landschaft zu einem Hügel,
und der Stein fiel nach oben, wenn er es so wollte -
Eines Nachts kam der Tod zu ihm
und setzte sich neben ihn auf die Bank, um eine Pfeife zu rauchen.
 
Ich bin für dich gekommen, sagte der Tod. – Mache dich bereit! -
Dann waren beide lange still.
Sie schauten weit und breit, und
die Landschaft verschwand in der Dämmerung.
 
- Warte, lass mich bis morgen nachdenken -
sagte Milarepa - ich weiß, du verstehst’s! -
Der Tod war weg. Und am nächsten Tag ging der Lama in der Früh zu seinem alten Meister.
Oh, Meister, -sagte er-, der Tod ruft.
aber ich glaube, ich hätte auch Macht über ihm; er wird heute Abend wieder vorbeischauen,
oh lass mich ihn von meinem Haus vertreiben! -
 
Der Meister antwortete: "Du kannst es machen, wenn es dir leid tut, dein Staub-Haus hier zu lassen;
wenn du ihn anschreist,  wir er dir gehorchen.
Aber denk daran, das ist verbotene Magie! –
 
Wenn du das tust, wird das Gras keine Blüten nach deinem Wunsche wachsen lassen, der Stein wird  nicht deinem Bann nachgeben, und der alberne Holunder wird keine Datteln mehr hervorbringen;
 
Du musst dann essen wenn du hungrig bist
und dein Verlangen wird nicht die Macht deines Verstandes haben ...
Das ist, was ich sage - du tust das
was dein Herz begehrt...
 
Das sagte der Meister und ging dann zu Bett.
Und Milarepa dankte ihm höflich.
Er spielte auf dem Heimweg: Er streute reinen silbernen Blütenstaub auf die unfruchtbaren Erdklumpen,
 
sagte zum Fluss, fließe rückwärts
und er tat es so; alles folgte seinen Worten,
Auf dem Baum zwitscherten die Fische, und die schweren
Elefanten flatterten am Himmel.
 
Zuhause dachte er noch einmal nach, scherzte mit der verkehrten Welt.
Dann hat er alles wieder in Ordnung gebracht und ist noch den gleichen Abend mit dem Tod mitgegangen.

Gábor Garai  (Ungarischer Dichter, 1929-1987)
(Übersetzung: Krisztina Mogyorosi, Gudrun Rehberg)

Erinnerung an Alheidis

 
Das Schicksal gibt uns die Möglichkeiten zur Entwicklung, durch die Begegnungen mit den Menschen. Die Begegnung mit Alheidis von Bothmer war für mich einer der bedeutendsten in meinem Leben. Seit unserem ersten Treffen in Moskau im Winter 1991, hat ihre Herzwärme mich aufgenommen und begleitete mich weiter im Laufe meiner Bothmer-Ausbildung. Von Anfang an habe ich von ihr einen Vertrauenskredit bekommen und ich musste diesem Vertrauen gewachsen sein. Im Laufe der Zeit wurde die innige Verbindung zwischen uns noch enger.
Als Lehrerin in der Ausbildung war sie manchmal streng und ernst, manchmal lustig und humorvoll – sie war so menschlich. Was mich besonderes beeindruckt hat bei ihr, wahr ihre Mitfreude: Wenn jemand während des Übens etwas Tiefgreifendes für sich entdeckte und sich dabei äußerte, stimmte sie immer zu und strahlte mit.
 
Als ich und Stephan Thilo unseren ersten Bmi- Ausbildungskurs in Moskau organisiert haben, entschieden wir uns nach einiger Zeit, Alheidis zu diesem Kurs einzuladen. Sie hatte aber damals auch noch einen Bmi- Kurs in Stuttgart und schwankte sehr. Stephan konnte sie überreden und so kam sie zum Beginn des 4. Ausbildungsjahres.
Wir wollten sie vom Flughafen mit dem Auto abholen, kamen aber wegen eines Staus verspätet an. Alheidis stand allein da, freute sich auf uns, und nach der Umarmung und Begrüßung sagte sie: „Na schön! Ich bin da, das Gepäck aber nicht. Du sollst bei dem Mann da drüben irgendwelche Papiere ausfüllen.“ Äußerlich hat sie keine Unruhe gezeigt. Mich hat es aber etwas schockiert – Alheidis war 80 (!) Jahre alt, flog alleine und stand jetzt da nur mit ihrer Handtasche. Ihr Koffer mit allen Sachen (bis auf Zahnbürste) war irgendwo in Prag hängengeblieben und wir sind auch noch zu spät gekommen! Trotzdem schien sie glücklich zu sein.
Wir haben natürlich alles Mögliche besorgt, und ihr Gepäck kam am nächsten Nachmittag an. Alheidis war zu der Zeit schon völlig in den Unterricht eingetaucht. Als sie aus dem Gymnastikraum herauskam, sagte sie nur: „Oh, wie schön, mein Koffer ist wieder da! Kannst du ihn in mein Zimmer schleppen?“
Ich erzähle diese Geschichte, weil sie zeigt, dass bei Alheidis das „Bothmer-Prinzip“: Man muss wirklich loslassen, um etwas zurückzubekommen,  Leben geworden ist!
Im Unterricht hat sie Wert auf die Qualität der Bewegung gelegt. Unermüdlich hat sie wiederholt: „Lasse die Bewegung durchgehen!, Mach dich locker! Das ist eine Gymnastik für Faule“, und dann bald: „Du sollst riskieren! Geh an deine Grenze!“. Aber sie fand für jeden auch die erforderlichen Worte und Bilder. Man merkte wie im Laufe der Woche nach und nach sich die Qualität der Bewegung veränderte. Die Studenten waren tief berührt von Alheidis` Wesen und saugten alles was sie gab auf. Alheidis hat sich aber auch in die Gruppe verliebt. Am Ende der Woche äußerte sie den Wunsch, dass die Moskauer und Stuttgarter Kurse etwas zusammen machen sollten.
 
Das war der Wunsch ihres Herzens. Sie wusste noch nicht, was es sein soll. Aber am Ende des Ausbildungsjahres hat sie es organisiert. Wir sind im Sommer nach Stuttgart gekommen, um eine Straßen-Aufführung (Dank Marc Vereeck für die Idee und für die Regie) vorzubereiten und darzustellen. Es ist uns gelungen und sie war froh. Meiner Ansicht nach war es auch sehr symbolisch – ihre letzten und unsere ersten „Bothmer-Kinder“ gehören zur gleichen „Familie“! Deswegen sollten sie auch zusammen sein.
 
Nach ein paar Jahren sind wir uns in Stuttgart an einem Bmi- Lehrer- Treffen wieder begegnet. Bei diesem Treffen hat Alheidis uns mitgeteilt, dass sie keine Kurse mehr machen wird. Am letzten Tag wollte sie mir ein Taxi zum Flughaffen bestellen und fragte, wann mein Flug sei. Als sie die Antwort von mir bekam, freute sie sich und sagte: „Dann fahren wir zusammen! Du nimmst mich mit.“ Ich flog zurück nach Moskau, sie flog aber nach Riga, um von dort mit einem Auto weiter nach Estland gefahren zu werden, weil dort in einer kleinen Waldorfschule die Menschen die Bothmer-Gymnastik kennenlernen wollten. Bei wem, wenn nicht bei Alheidis von Bothmer!
Sie hat einfach zugesagt, weil sie gerade Zeit hatte. Ich habe vorsichtig gefragt, ob es für sie nicht zu anstrengend ist. Sie antwortete mir: „Ich denke ich schaffe das schon. Es fällt mir nur schwer zu springen aber ich finde schon jemanden, der das für mich macht.“ Wenn die Menschen die Bothmer-Gymnastik kennen lernen wollten, war sie bereit mit ihnen diese zu teilen. Denn das machte ihr Leben aus.
 
Dmitry Milakov, Moskau

"Ich ist die Stille des Bewusstseins" ]


Fritz Graf von Bothmer spricht bei seiner Gymnastik vom größeren Menschen, welcher durch Bewegung hereinragen kann.

Wenn ich Alheidis von Bothmer gedenke, sehe ich sie vor mir mit ihren großen Bewegungen als eine durchlebte, würdevolle Personifizierung von Weite, Höhe und Tiefe. Vor allem ihre Arme, Hände und Antlitz waren in jahrelanger Praxis „gereift“ und durchdrungen von den feingliedrigen Kräften der Raumesdimensionen. Wenn sie die Gymnastik-Übungen machte, strahlte sie eine ruhige Souveränität aus, völlig eins mit sich selbst und dem Kreis der Bewegenden um sie herum. Die Begegnung mit ihr und dem größeren Menschen ist Begegnung mit erfülltem Schicksal. Bei Alheidis kann ich - auch heute noch - leibhaft erleben: der „Infinite Größere Mensch“ verbindet uns alle.
Das hat sie sich in vielen Jahren hart erarbeitet. Unendliches und Endliches bedingen sich, sind Pole, stehen manchmal im Widerspruch zueinander. Das eingeengte „Alltags-Mensch-Sein“, verbunden mit Bedingungen oder Festlegungen, machten Alheidis immer zu schaffen. Wenn dies überhand nahm, ist sie - bis zuletzt - ihren eigenen Weg gegangen. Wie offen, großzügig und verbindend sie in der Gymnastik war, so war sie privat eigenständig, unabhängig, autark aber auch argwöhnisch. Sie gehörte nämlich der Generation an, die nicht viel darüber redete, wie sie die Macht und Ohnmacht des 20. Jahrhunderts tragen und ertragen musste, gekennzeichnet von Nationalismus, Krieg, Flucht, damaligen Ansprüche an die Frau, mehrere radikale Berufswechsel und Trennungen, oft nicht wissend, was sie erwartete. Alheidis‘ Lebensgang war zugleich verbunden mit einem untrüglichen Gespür für das, was Wahr und Echt ist.

So auch in ihrer Begegnung mit der Bothmer Gymnastik, welche durch ihren Mann Hans Jörg, dem Sohn Graf von Bothmer, in ihrem Leben auftauchte. Die ersten Wahrnehmungen der Gymnastik lösten in ihr zunächst eine große Skepsis aus. Erst die Bewegungen von dem Engländer Knud Ross bei einer Bewegungs- Tagung 1964 führte sie zu der Gewissheit, dass diese Gymnastik etwas verkörperte, was sie suchte. Ihr eigener größerer Mensch erkannte das unmittelbar. Es gehört zu ihrem Wesen, dass sie dann wieder alles hinter sich ließ. Sie zog nach Stuttgart, um ihre Lehrerin Gretl Krause-Eppinger zu unterstützen und sich ganz der Bothmer Gymnastik zu widmen, angefangen mit Kursen in fast allen Stuttgarter Ausbildungsstätten. (Mit der gleichen Konsequenz hat sie am Ende ihres Lebens auch Stuttgart hinter sich gelassen.)
1977 - unglaublich, die ewig junge Alheidis war dann schon 49 Jahre alt - fand sich eine Handvoll unbedarfter junger Menschen aus USA, Belgien, Holland und Deutschland in Stuttgart zusammen, um Bothmer Gymnastik zu lernen. Bei unseren ersten Gymnastikstunden - es gab noch keine veritable Bothmerschule - empfand Alheidis sich noch nicht als Leiterin oder Lehrerin, sondern als eine Mit- Suchende, eine Lernende. Von der ersten Stunde an, war ihr Unterricht aber gekennzeichnet von Freiheit in griechischer Klarheit, in der Umkehr aus dem Unendlichen bis in den Körper hinein, in stillem Dialog mit den Kräften des Raumes. Das hat uns inspiriert und erfüllt. Wir fühlten uns sehr im Werden, von ihr „für-wahr-genommen“. Eines Tages sagte sie zu mir: „Schön Marc, deine Sportmuskeln werden durchlässiger, empfänglicher. Du nimmst den Raum allmählich mit.“ Ich hatte noch gar nichts gespürt, geschweige denn wirklich verstanden, aber sie hatte es schon gesehen. So hat sie als Willensmensch in Vielen das Zukunftspotential vorausgesehen.
Einige von uns Pionier-Studenten, wollten bald mehr als nur zwei Stunden Gymnastik pro Tag. Als wir dann andere Fächer und sogar ein zweites und später noch ein drittes Jahr einforderten - was zur Entstehung einer „echten“ Gymnastikschule beitragen sollte - ging sie immer in voller Großzügigkeit mit, im Erforschen, was die Bothmer Gymnastik noch alles zu offenbaren vermag. Sie übertrug Jaimen und mir kurzerhand voller Zutrauen ihre wöchentlichen Bothmer Gymnastikkurse für Laien. Sie war sich auch nicht zu schade, zusammen mit uns Studenten „die Schulbank zu drücken“, griechisch zu tanzen oder zu plastizieren, obwohl sie sich oft beharrlich für ungeeignet erklärte.
Alheidis wuchs sichtlich an den sich stetig erweiternden Aufgaben, nicht nur im Aufbau und in der Leitung der dreijährigen internationalen Ganztags-Ausbildungsstätte, in Zusammenarbeit mit Jaimen, sondern auch in der Begegnung mit unzähligen Waldorflehrer:innen, Eurythmist:innen, Priester:innen, Anthroposoph:innen, Sport- und Bewegungsfreaks im In- und Ausland. Intellektualismus und Geltungssucht waren ihr zuwider.
Ihr Beitrag war immer dienend, mit einer, aus der Mitte stammenden, flexiblen Ruhe in Bewegung. Das hatte eine lösende Wirkung.
Sobald sie einer Persönlichkeit begegnete, die etwas vom größeren Menschen im Leben ergriffen hat, pflegte sie in aller Stille eine private, langjährige, treue Beziehung. So verband sie u.a. tiefe Freundschaften mit namhaften Priestern, wie Friedrich Benesch, Gérard Klockenbring, Diethard Jaehnig in Sacramento, mit der New Yorker Chekhov-Theatergruppe um Ted Pue, oder mit dem weltbekannten Anatomen Johannes W. Rohen, wobei beide sich gegenseitig zu einem völlig neuen Zugang zur Anatomie inspirierten. Es war Professor Rohen, der sie auch ermutigte und unterstützte ein Buch über die Bothmer Gymnastik zu schreiben und im wissenschaftlichen Schattauer- Verlag herauszugeben.2
In ihrem Buch wird deutlich, wie tief Alheidis die vielseitigen Beziehungen zwischen körperlich-leiblichen und seelisch-geistigen Entwicklungen an der Bewegung und am Leben ablesen konnte. Dadurch konnte sie - neben der exakten Beschreibung der Bothmer Übungen - nicht nur pädagogische, sondern auch therapeutische Gesichtspunkte zu jeder Übung anfügen. Damit setzte sie in aller Stille das fort, was Fritz Graf von Bothmer erahnt und gerne noch Rudolf Steiner gefragt hätte.3
Mehr noch: Wer über 30 Jahre ganztägig diese Gymnastik praktiziert, bewegt so viele Jahre geistige Substanz. Von Alheidis ging eine Weisheit aus, welche nicht vom Kopf, sondern aus weitreichenden Bewegungs-Erkundungen mit ihren Gliedmaßen stammte. Jeder spürte, wie sie in verschiedenen tiefmenschlichen Ebenen und Schichten, die Höhen und Tiefen, Weiten und Engen, das Fallen und Aufstehen mit ihren Wendungen, durchdrungen hat. Das führte dazu, dass sie für viele Bothmer- Gymnast:innen wie nebenbei zu einer Lebensberaterin wurde, zur Mutter einer immer größer werdenden Bothmer-Familie. Jeder, der sie - auch nach der Schließung der Bothmerschule - aufsuchte, wurde mit ihren weit ausgebreiteten Armen empfangen und mit Rat, Tat und Kuchen versorgt.
Ihr Wirken entfaltete sich noch einmal in wunderbarer Weise, als Gast in der Hochschule für Waldorfpädagogik Stuttgart und in der Durchführung eines letzten dreijährigen Kurses in „Bothmer Movement International“ - typisch für sie, erst nach Vorbehalt und erst durch eine explizite Anfrage - durch die sie sich, noch ein mal im hohen Alter, in liebevoller Hingabe mit jedem einzelnen Studenten verband. An Alheidis konnte man leibhaft wahrnehmen, wie diese Gymnastik im Einklang mit den Kräfteverhältnissen des Raumes, aufbauend, sogar verjüngend wirkt. Wenn sie sich bewegte, vergaß ich immer, wie alt sie war. Das änderte sich dann rapide, als sie endgültig mit der Gymnastik aufhörte.
Unsere letzte, von ihr gewünschte Begegnung war geprägt von ihrem Entschluss zum Rückzug ins Eigene, ins Grenzenlose zu sich zurück. Welch tiefe Schicksalsmächte walten hier, wenn jemand bei der Kremation von Fritz Graf von Bothmer (!) berichtete, dass sie an der Straßenbahnhaltestelle zu ihm sagte: „Wenn ich einmal zum Liegen komme, wenn es einmal zum Sterben geht, dann will ich nicht mehr hier in Stuttgart wohnen. Dann zieh ich vorher fort, weit fort, damit mich keiner sieht. Nein, das will ich nicht.“4
Ich empfinde es als ein großes Geschenk, dass ich im Laufe der vielen Jahren durch Alheidis von Bothmer erfahren durfte, wie der endliche Mensch zugleich Bestandteil des unendlich größeren Menschen sein kann. Wenn ich nach ihrem Tod die Bothmer Übung „Das Kreuz“ mache, sehe ich sie vor mir und der Raum ist von ihrer anwesenden, unbeschränkten Freude erweitert und erfüllt. Es dient spürbar der Orientierung, hüben wie drüben. 

Marc Vereeck 


  • [1]Aus: Fritz Graf von Bothmer. Die Biografie mit Selbstzeugnissen. Zusammengestellt von Alheidis Gräfin von Bothmer. Seite 90. 
  • 2  Die Bothmer Gymnastik. Pädagogische und therapeutische Anwendungsmöglichkeiten – Alheidis von Bothmer
  • 3  Gymnastische Erziehung - Fritz Graf von Bothmer. Seite 29.
    4  Siehe Anm. 1 - Seite 98

"Schicksalbegabt"

Alheidis von Bothmer habe ich, vor allem in der Zeit meiner Ausbildung in der Graf Bothmer Schule für Gymnastik in Stuttgart, in den Jahren 1985-1988 kennengelernt.

Sie war eine besondere Frau und Lehrerin. Ich fühlte mich bei ihr sofort willkommen, aufgenommen und ernst genommen. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass man in der Anfangszeit eigentlich nur Fragen hat und manches nicht, oder noch nicht, versteht.

Das alles bewirkte in mir eine innere Motivation, diese „Reise“ 3 Jahre weiter zu führen und zu einem positiven Ende zu bringen.

Wie die Bothmer Gymnastik zu einem spricht, hängt sehr viel von den Persönlichkeiten, die einem als Studierenden begegnen ab. Im Laufe der Zeit wurde mir klar, mit welcher Intensität diese Frau ihren Weg und an ihre Herausforderungen gegangen ist. Sie hatte nach mehreren ablehnenden Begegnungen mit der Bothmer Gymnastik (…Sie sind doch eine von Bothmer, oder? Dann haben sie sicherlich was mit der Bothmer Gymnastik am Hut, nicht?) eine Begegnung, die eine Bejahung war.

Sie war im Arbeitsleben tätig und als Mutter von 2 Kindern voll eingebunden. Trotzdem hat sie den inneren Entschluss gefasst sich der Bothmer Gymnastik zu widmen. Und das hieß dann: Üben! Und die Gymnastik durchdringen lernen. Das tat sie dann immer morgens, so gegen 4.30 Uhr, bevor die Familie aufwachte. Man stelle sich das mal heutzutage vor; wer steht noch in der Früh auf um sich eine Bewegungskunst zu eigen zu machen? Alleine das zu hören, erzeugte in mir einen großen Respekt und Ehrfurcht.

Ich erinnere mich noch gut an die immer wiederkehrenden Themen, die sie mit uns im Unterricht durchackerte, zum Beispiel das Gehen. Für diejenigen, die die Räumlichkeiten in der Libanonstraße nicht kennen: 2 Gymnastikräume im Souterrain mit jeweils 2 breiten Säulen in der Mitte. Insgesamt schätzungsweise 36 m². Also nicht viel Platz zum Laufen oder Rennen. Wenn man das Gehen bei ihr übte, dann lief man viel im Kreis...

Im Unterricht wurde ich manchmal ‚konfrontiert‘ mit Aussagen die ich damals, als Anfänger, nicht verstehen konnte. Zum Beispiel die Bemerkung an eine Mitstudentin: Sie arbeiten zu viel mit dem Kopf. Versuchen sie das mal loszulassen... Die Mitstudentin bejahte das.

Ein weiteres Merkmal fand ich, dass sie immer wieder Fragen stellte und uns herausforderte, selber nachzuhaken und auszuprobieren wie etwas wirkt. Sie begleitete den Prozess mit Geduld und Humor, aber oft auch mit einem tiefen Ernst. Zum Beispiel stellte sie die Frage: Was ist eine wachsende Weite? Versuche es in einer Bewegung darzustellen, als Tätigkeit aber ohne seelischen Ausdruck. Wir versuchten es. Danach kam die Möglichkeit es ‚seelisch‘ darzustellen, alles war dann erlaubt. Und am Ende zeigte sie, wie Graf von Bothmer diese Übung gestaltet hatte.

Es war zu der Zeit schon so, dass sie weit in den 50ern, aber trotzdem täglich lange in der Schule war. Mit 3 Jahrgängen und einer bunten Mischung von Menschen aus allen Raumesrichtungen. Ich denke, dass das eine enorme Anziehungskraft hatte für neue Studenten und dass sie das auch wiederum genießen konnte. Sie liebte einfach Menschen!

Alheidis von Bothmer war lange auch bei den Turnlehrertagungen sehr aktiv, sowohl in der Vorbereitung des Trägerkreises, als auch in den Bothmer Kursen, die sie gegeben hat.

Am 1.- 7. Juni 2001 entschied sie sich in Hamburg Bergstedt von den Turnlehrertagungen Abschied zu nehmen.

Als Trägerkreisgruppe wollten wir das nicht unbemerkt vorbei gehen lassen. Das Thema der Tagung war: Über das Lehren und Lernen im Bewegungsunterricht - Das Seelisch-Geistige im Tun erleben. Georg Glöckler war der hervorragende Vortragsredner und Alheidis wirkte das letzte Mal, zusammen mit Isabell Röhm, mit dem Thema: Oberstufen Bothmer Übungen, „dem Ich eine Brücke zur Welt bauen“.

So entstand die Idee, mit einigen Kollegen in unserem Plenum die geistige Welt darzustellen, zu spielen. Und natürlich war in dieser Welt zuerst eine Person sehr präsent: Fritz Graf von Bothmer! Er wurde von einem Engel an die Zuschauer herangebracht, zusammen mit seiner Frau Hildegard. Bothmer schaute auf die Welt hinunter und sah, dass etwas an seiner Bothmer Gymnastik fehlte; eine letzte Übung, die er in seiner Lebenszeit nicht mehr geschafft hat.

Und diese Übung wurde dann Alheidis als Geschenk, als Geste und herzliches Dankeschön übergeben, die Übung hieß: 'Das Große Herz'; Eine große Umarmung von den 2 Akteuren mit Alheidis als Mittelpunkt.

Alheidis war das große Herz der (Waldorf) Bothmer Gemeinschaft. Zum Abschluss saßen wir im Amphitheater der Christophorus Schule zusammen, mit 120 Sportlehrern und Alheidis wurde von Marion Lemcke nach ihren Impulsen und Einsichten über den Sport, die Bothmer Gymnastik und ihre Bedeutung für die heutigen Jugendlichen befragt.

Eine sehr intime Atmosphäre entstand inmitten von 120 Sportkolleg:innen.

Ein letzter Begriff, den ich bisher nur bei Alheidis gehört habe: Werden sie ‚Schicksalsbegabt!‘ Ein Begriff, der meiner Meinung nach sehr deutlich in Verbindung steht mit der Beziehung die wir durch die Gymnastik aufbauen mit unserem Körper, unserem Tempel, und mit dem Raum.

Im Hier und Jetzt, offen und wach, mit einem warmen Herzen im Leben stehend, das hat sie vorgelebt.

Eric van Wijnen

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