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Die Erde wird still und wartet
Advent. Es ist die Zeit der kurzen Tage und langen Nächte. Zeit der Geschäftigkeit, aber auch der Stille, die zum Innehalten einlädt. Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten, auf die Ankunft des göttlichen Kindes in eine Welt von so viel Dunkelheit. Wenn wir am Weihnachtsfest die Geburt Jesu feiern, dann können diese Tage einen Nimbus haben von Geborgenheit und Kerzenschein, Wärme, Kinderfreude und Berührung der Herzen.
Aus irdischer Sicht geschieht die Geburt Jesu in einem Umfeld, das alles andere als sicher, behütet und geborgen ist. Das Kind mit seinen Eltern: heimat- und obdachlos, ausgegrenzt und schliesslich auf der Flucht. So, wie unzählige Menschen heute.
Und doch vermittelt das Lukas-Evangelium ausdrucksstark, dass sich hier eine Geburt von kosmischem Ausmass vollzieht. Ihr Zeichen ist lodernde Freude aller Himmelskräfte. Gottes-Furcht erschüttert die Menschen, die auf ihren Feldern in dieser Nacht zu Zeuginnen und Zeugen des Aufeinandertreffens von Himmel und Erde werden.
Von der Erwartung einer kosmischen Geburt spricht der Apostel Paulus: die gesamte Schöpfung seufze und liege „bis auf den heutigen Tag“ in Geburtswehen. Da ist im Vordergrund das Warten, die Sehnsucht, die Bedrängnis im Nicht-Wissen.
Das lenkt meinen Blick auf die Erde. Sie leidet, unübersehbar. Und unübersehbar geht ihr Leiden auf menschliches Handeln zurück. Dazu kommt mir ein Satz von Pia Gyger in den Sinn, die eine Mystikerin unserer Zeit war: „Seit Beginn der Schöpfung trägt die Erde in sich die Sehnsucht nach dem erwachten menschlichen Herzen.“ Der Mensch, dessen Herz erwacht, ist in ihren Worten „der kosmische Mensch, der weiss, dass er das All in sich trägt“. Und weiter: „Das Herz der Erde vollendet sich im erwachten menschlichen Herzen. Eine Vollendung, die gleichzeitig neue Geburt bedeutet“.
Advent, Zeit der Vorbereitung auf das Fest einer kosmischen Geburt. Und die Erde wird still und wartet.
Maria-Christina Eggers
Kontemplationslehrerin Offener Kreis
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