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Jane Jacobs und die Strassen der Stadt


Liebe Freundinnen und Freunde von Archijeunes
 
Nachdem in New York 1960 auch Greenwich Village offiziell zum «Slum» erklärt worden war, drohte dem Viertel ein ähnliches Schicksal wie der Lower East Side, nämlich die grossangelegte «Flächensanierung». Es ist im Wesentlichen Jane Jacobs zu verdanken, dass dort eine vitale, bunte Bürgerbewegung entstand, mit dem Ziel, die Zerstörung des Viertels zu verhindern. Dieser Kampf und vor allem auch ihr damals erschienenes Buch «Tod und Leben grosser amerikanischer Städte» hat sie bis heute zu einer der meistbeachteten Persönlichkeiten der Stadtforschung gemacht. 
 
Für Jane Jacobs schien klar: «Die Strassen und ihre Bürgersteige sind die wichtigsten öffentlichen Orte einer Stadt, sind ihre kräftigsten Organe». Mit diesem Statement verbunden war die Kritik an der damaligen Städtebaudoktrin, die sich auf die «Gartenstadt» des Ebenezer Howard und die «Cité Radieuse» von Le Corbusier, einer «vertikalen Gartenstadt» wie sie schrieb, berief. Sie war gegen die Suburbanisierung und für eine dichte, durchmischte Stadt, wo gearbeitet und gewohnt wird, wo Kinder spielen, eingekauft und auch flaniert wird. Ihre städtebaulichen Positionen entsprangen nicht einer Vision, sondern Beobachtungen aus dem eigenen Quartier. Sie hat über alltägliche Dinge geschrieben, so zum Beispiel, was Nachbarschaft in Grossstädten bedeutet, wenn es sie überhaupt gibt, und welche Nutzwerte, so vorhanden, Nachbarschaften in Grossstädten haben. Ihre Untersuchungen fokussierten sich auf das Leben in der Strasse. Sie schrieb über Öffentlichkeit und Privatheit und die Notwendigkeit einer klaren Trennung, über die «Augen der Strasse», die sie kontrollieren, über Anonymität aber auch Verbindlichkeiten zwischen den Benutzern und Bewohnerinnen der Strasse und deren Sicherheit.
Jane Jacobs war Journalistin, das war mit ein Grund, weshalb sie von der Fachwelt der Planenden anfänglich kaum ernst genommen wurde. Vermutlich aber gerade deswegen war es ihr möglich, die Stadt so wahrzunehmen, wie sie ist, und nicht wie sie sein sollte oder gemeint ist. Ihr Buch ist ein Plädoyer für die Strasse der Stadt, und es ist heute so aktuell wie damals.  
 
In «Tod und Leben grosser amerikanischer Städte» hat Jane Jacobs auf Bilder verzichtet, mit folgender Begründung: «Die Szenen, die als Illustrationen zu diesem Buch dienen könnten, sind rings um uns – man muss nur die Städte so betrachten, wie sie wirklich sind. Beim Schauen kann man auch lauschen, ein wenig verweilen und über das Gesehene nachdenken».
 
In diesem Sinne –
und mit den besten Wünschen fürs 2022.

Thomas Schregenberger, Präsident Archijeunes

Aus unserem Netzwerk:
Schweizer Heimatschutz


Diesen Monat stellen wir einen treuen Freund aus unserem Netzwerk vor. Der Schweizer Heimatschutz unterstützte und begleitete Archijeunes schon seit jenen lange vergangenen Tagen, als unser Verein noch «Spacespot» hiess. Heimatschutz und Archijeunes teilen viele gemeinsame Werte, zuvorderst die Liebe zur Baukultur und daraus abgeleitet den Auftrag, die breite Bevölkerung für dieses wunderbare Thema zu begeistern. Ein zentraler Punkt ist dabei die baukulturelle Bildung, besonders für Kinder und Jugendliche. Seit vielen Jahren bietet der Schweizer Heimatschutz in der Villa Patumbah in Zürich Führungen, Ateliers und Workshops speziell für Kinder und Jugendliche an. Und nun ist sogar die jüngst erschienene Ausgabe der Zeitschrift «Heimatschutz Patrimoine» ganz dem Thema baukulturelle Bildung gewidmet. Wer möchte, kann sie integral online lesen – und dabei auch den Beitrag von Archijeunes-Geschäftsführerin Kathrin Siebert entdecken, den sie eigens dafür verfasst hat.

Open call: Schulentwicklung


SchulleiterInnen, engagierte Lehrpersonen, Mitglieder von Schulpflegen: Die Stiftung Mercator Schweiz hat einen neuen Fonds zur Förderung pädagogischer Schulentwicklung eingerichtet. Laut Ausschreibung ist die Förderung niederschwellig angelegt und offen für sehr unterschiedliche Projektideen. Baukulturelle Themen sind bestimmt hochwillkommen. Förderanfragen können über ein einfaches Online-Formular eingereicht werden – Gesuche werden innerhalb von drei Wochen bearbeitet. Die Stiftung Mercator wurde Ende der 1990er Jahre mit Ablegern in der Schweiz und in Deutschland gegründet und geht auf die Duisburger Handels- und Unternehmerfamilie Schmidt zurück. In der Schweiz stellt die Stiftung pro Jahr 15 bis 20 Millionen Franken für Projekte zur Verfügung.

Kampagne: Verändere die Schweiz!


Wer wollte nicht schon mal Politikerinnen direkt ansprechen und ein Anliegen deponieren? Bei der Aktion «Verändere die Schweiz!» (was für ein Titel!) ist das nun für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 25 Jahren möglich. Nach 2021, als der damalige Bundespräsident Guy Parmelin Ansprechpartner war, stellen sich dieses Jahr acht Jung-NationalrätInnen aus allen grossen Parteien (ausser der FDP) zur Verfügung. Ermöglicht wird die Kampagne vom Dachverband Schweizer Jugendparlamente DSJ, der sich die Förderung des politischen Engagements von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf die Fahnen geschrieben hat. Der DSJ betreibt seit 2015 die Online-Plattform engage.ch, auf der Anliegen deponiert werden können und auf der vor allem auch über die vielen erfolgreichen Engagements in den Gemeinden berichtet wird. Also, nichts wie hin, verändere die Schweiz! Wenn das Anliegen ausgewählt wird, kann es am 30. Mai 2022 direkt mit der betreffenden Politikerin, dem betreffenden Politiker besprochen werden.

Weiterbildung:
Baukultur intuitiv, inklusiv und spielerisch


Vermittlung will gelernt sein! Auf zwei Institutionen möchten wir hier hinweisen, die in ihrem Programm Weiterbildungen zum Thema Baukulturvermittlung anbieten. Zum einen handelt es sich um die Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid (Nordrhein-Westfalen), von der in einem früheren Newsletter bereits einmal die Rede war. Die Akademie verfügt über einen Fachbereich «Baukultur» und dort starten im Februar gleich mehrere Kurse, darunter «Baukulturelle Bildung intuitiv» oder «Baukulturelle Bildung inklusiv». An der Universität der Künste UdK in Berlin, oder noch genauer: an der grund_schule der Künste, jenem weit herum bekannten Bildungsort innerhalb der Uni, bietet die noch bekanntere Turit Fröbe im Frühling einen Workshop «Baukulturelle Bildung – Stadt und Spiel» an. Lehrpersonen sind ebenso willkommen wie ArchitektInnen und PlanerInnen.

Studie: Jugendpartizipation in der Gemeinde


Ja, Beteiligung (oder Partizipation) ist schon eine tolle Sache, aber nicht unbedingt einfach zu organisieren und durchzuführen. Gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die keine offizielle politische Mitsprache ausüben dürfen (weil sie zu jung sind oder keinen Schweizer Pass haben), stellt sich die Frage, wie diese wichtigen Stimmen gehört und integriert werden können. Eine kurz vor Weihnachten 2021 erschienene Studie des Instituts für Soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern HSLU rückt nun eine wichtige, bisher aber erstaunlich wenig erforschte Akteursgruppe in den Vordergrund: Die so genannten EnablerInnen – oder eben ErmöglicherInnen – sind es, welche Jugendpartizipation im Gemeinwesen fördern. Jene Fachpersonen der Kinder- und Jugendarbeit, aber auch Mitarbeitende in Verwaltungen und PolitikerInnen schaffen erst die Gefässe, in denen die Mitsprache konkret stattfindet. Die Studie der HSLU geht den Bedürfnissen, Haltungen und Arbeitspraktiken der EnablerInnen nach und kann in voller Länge kostenlos online bezogen werden.
Archijeunes
Baukulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche


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von SIA und BSA

   


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