Hallo allerseits,
Ich hoffe, Ihr seid gut ins neue Jahr gekommen! Ich hatte einen erholsamen Urlaub im Dezember und einen arbeitsamen Jahreswechsel, deshalb kommt dieser Newsletter mit ein bisschen Verzögerung.
Es nicht zwar nicht gerade die passende Jahreszeit für das Thema, aber ich habe mich in den vergangenen Wochen mit der Natur beschäftigt. Vielleicht findet ihr das nicht so besonders außergewöhnlich, aber mein Thema war es bisher eher nicht. Die Natur lässt mich kalt, sozusagen. Und sie mag mich auch nicht besonders: Sämtliche lebendigen Pflanzen, die ich jemals besaß, sind in kurzer Zeit eingegangen. Ich habe das genaue Gegenteil eines „grünen Daumens“.
Natürlich – lol – mag ich „die Natur“ in Form von Meer, Wald und Blumenwiesen trotzdem (weniger allerdings in Form von Nieselregen oder Corona). Doch ginge es nach mir, kann mich die Natur gerne in Ruhe lassen. Wäre ich keine Frau und wohlhabend genug, hätte ich mich wahrscheinlich zu einem jeder vergeistigten Männer entwickelt, die sich das von anderen gekochte Essen reinschaufeln und ansonsten einfach den ganzen Tag am Schreibtisch hocken und nur zwischendurch mal eine Runde spazieren gehen.
Oder anders gesagt: Ich kann gut verstehen, warum die „alten weißen Männer” alles körperlich Politische (Schwangerschaft, Geburt, Krankheit, Alter) aus ihrem Horizont verbannten. Ich hätte das auch gerne gemacht. Und wenn ich nicht wüsste, was für eine dumme Idee das ist, wäre ich auch die erste, die ihr Gehirn in einen Roboter hochladen würde. Doch es hilft ja nichts, das Leben ist kein Wunschkonzert.
Der zweite Grund, warum ich bisher trotz genereller Affinität zu „grünen“ Milieus wenig bis nichts anfangen konnte mit allem Öko, Klima, Naturliebe, Tierliebe und so weiter, hat damit zu tun, dass diese Ansätze gerne mal zu schlichtem Dualismus neigen (böse Menschen, gute Natur). Aufgrund meines Frauseins wurde ich häufig genug zur Naturliebe verdonnert, und zwar keineswegs nur von der patriarchalen Kultur. In manchen feministischen Kreisen ist „die Natur“ nicht zu lieben ungefähr ein genauso großes Tabu, wie es in anderen eines ist, kein Fan von Quoten zu sein, und in noch wieder anderen, die reproduktive Differenz für wichtig zu halten.
Als wir in einem Zoom-Call kürzlich mal wieder über dieses Thema sprachen, empfahl mir eine Denkfreundin, die Philosophin Caroline Krüger, das Buch „Der Pilz am Ende der Welt“ von Anna Loewenhaupt Tsing zu lesen. Und tatsächlich, dieses Buch hat mir eine neue Perspektive eröffnet (Link zu meinem Rezensions-Youtube unten). Es geht „um das Leben in den Ruinen des Kapitalismus“ (so der Untertitel), und Tsing beschreibt anhand des Matsutake-Pilzes auf eine originelle und fruchtbare Weise das „Geflecht“ zwischen Menschen und Pflanzen. Übrigens ist die von ihr gewählte rhetorische Form eine Metonymie und keine Metapher, und wie Luisa Muraro in ihrem allerersten Buch „Stricken oder Häkeln“ schrieb, ist das die einer weiblichen symbolischen Ordnung am besten entsprechende Form.
Dazu passt, dass drüben im Forum „Beziehungsweise weiterdenken“ Dorothee Markert derzeit das neue Buch von Chiara Zamboni übersetzend auf Deutsch zusammenfasst: „Die Natur spüren und schreiben“, hier der Link zum Anfang der Serie. Anne Newball Duke hat gerade mit einem langen Artikel die Diskussion aufgegriffen und weitergeführt.
Was mir in dem Zusammenhang noch wichtig ist: Ich habe ein großes Unbehagen dabei, die Kommunikation von Menschen untereinander mit der Kommunikation zwischen Menschen und nicht-menschlicher Natur zu parallelisieren. Aus irgend einem Grund ist es mir sehr wichtig, zwischen Politik (die eine menschliche Praxis ist) und Kooperation (die auch zwischen Menschen und Nicht-Menschen möglich ist), zu unterscheiden. Gleichzeitig sehe ich natürlich die Probleme dieser Grenzziehung. Zu einem Ergebnis bin ich bei meinem Nachdenken noch nicht gekommen, das Thema wird mich mit Sicherheit weiter beschäftigen.
Wenn Ihr Tipps und Hinweise habt, was in diesem Zusammenhang wichtig sein könnte – gerne her damit!
Antje
(PS: Ganz unten gibt’s wieder Bücher zum Verschenken)