Das überraschende Ende der
wunderbaren Ravet-Saga.
Familie ist kein Business-Modell

Früher war alles ganz anders. Die Eltern chrampften bis 65, dann übergaben sie den Hof (oder in unserem Fall den Gasthof) dem ältesten Sohn. Das Leben ging weiter, mal besser, mal schlechter. Von einem Generationenwechsel kann man im Gastgewerbe nicht mehr ausgehen, auch wenn Ausnahmen die Regel bestätigen. Ein guter Vater lässt heute zu, dass die Kids ihren eigenen Weg gehen. Auch wenn dadurch eine wunderbare Familiengeschichte ein Ende nimmt.
 
Am Donnerstag haben wir Ihnen berichtet, dass Bernard Ravet, der dienstälteste 19-Punktekoch der Schweiz aufhört, weil Sohn Guy raus will aus dem gemachten Nest, seine eigenen Pläne umsetzen will. Das war nicht zu erwarten: Die Ravets haben in Vufflens-le-Château VD über Jahrzehnte im ungewöhnlich engen Familienverbund grandiose Arbeit geleistet. Die Voraussetzungen für ein nächstes Kapitel der Saga waren gegeben. Alle drei Kids haben wie ihre Mutter Ruth die weltberühmte Hotelfachschule Lausanne erfolgreich abgeschlossen. Guy Ravet kocht so genial wie sein Vater. Tochter Nathalie ist eine der besten Sommelièren im Land. Ihre Schwester Isabelle führt ein Viersterne-Hotel. Trotzdem steht die «Ermitage» in Vufflens zum Verkauf. Patron Bernard, mit 75 Jahren bis zum 30. Juli unverdrossen in der Küche: «Guy will auf eigenen Füssen stehen. Ich kann ihn verstehen. Wir sind stolz auf unsere Kinder und Grosskinder.» Ein Gentleman bis zum letzten Tag. Auch wenn alle wissen: So eine Entscheidung zerreisst ihm das Herz.
 
Lesen Sie hier die GaultMillau-Testnotizen vom letzten Besuch in Vufflens-le-Château, verfasst für den Guide 2022.


Urs Heller,
Chefredaktor GaultMillau Schweiz