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Newsletter der Katholischen Kirche im Kanton Zürich
Grüss Gott Zürich
28.08.2020
Arnold Landtwing, Informationsbeauftragter Generalvikariat
Liebe Leserin, lieber Leser
Er hat getauft, gefirmt, die Beichte abgenommen, verheiratet, die Krankensalbung gespendet und die Messe zelebriert: Matthew Hood, Priester in den USA. Als er wieder einmal das Video seiner Taufe anschaute, stellte er entsetzt fest, dass der Diakon eine ungültige Tauformel verwendet hatte. Mit heiligem Eifer wurde Remedur geschaffen und der in seinem Innersten von Unruhe erfasste Heide mit einem umfassenden Sanierungsprogramm gültig in den Schoss von Mutter Kirche aufgenommen: Taufe, Erstkommunion, Firmung und nach Exerzitien auch noch Diakonats- und Priesterweihe wurden im Eilverfahren gültig gespendet. So weit so gut.

Für den einfachen Gläubigen schwierig nachzuvollziehen ist, dass, bis auf die Taufe, alle Sakramente, die er als vermeintlicher Priester gespendet hat, ungültig sind. Das Bistum beruhigt jedoch und versichert, dass, wer vom ungetauften Priester ungültig getauft gestorben ist und allenfalls auch noch die Absolution oder die Krankensalbung erhalten habe, trotzdem mit einem gewissen Mass an Gnade rechnen dürfe. Gott könne seine Gnade eigenständig austeilen und tue dies auch. Was lernen wir aus diesem theologischen Crashkurs? Wer zu oft vor die Kiste hockt und Videos reinzieht, ist selber schuld. Und wer angesichts unseres begrenzten menschlichen Geistes Gott nicht einfach vertrauensvoll ein Übermass an Gnade zutraut auch.
Gott ist immer schon da und geht mit uns den Weg: So lautet lebensnah und verständlich die Botschaft, welche die sechs neuen Katechetinnen Kindern und Jugendlichen mitgeben sollen. Nach mehrjähriger Ausbildung durften sie den Fachausweis unserer Fachstelle Religionspädagogik entgegennehmen. «Ihr habt einen wunderbaren Beruf. Ihr braucht den Kindern und Jugendlichen den lieben Gott nicht aufzuschwatzen (…) Wir dürfen ihn entdecken helfen,» ermutigte Generalvikar Josef Annen die Familienfrauen für ihr Wirken in den Pfarreien.
Besorgt denkt Regierungsrätin Jacqueline Fehr in ihrem Blog «fehrdenktquer» über das Verhältnis von Gläubigen und Gleichgültigen nach. Hauptthema ist zwar die Maskenpflicht, aber der Religionsministerin kommt es manchmal vor wie beim Thema Religion: «Es gibt die Gläubigen mit ihrer Mission und ihrem Sendungsbewusstsein. Und es gibt die Gleichgültigen. In einer solchen Konstellation ist kein produktiver öffentlicher Diskurs möglich. Wo es nur Schwarz und Weiss, nur Angst und Sorglosigkeit gibt (plus ein paar Verbände, die versuchen, hinter den Kulissen ihre Interessen durchzusetzen), da kann keine differenzierte, konstruktive Auseinandersetzung entstehen. Genau diese wäre aber nötig. Wir brauchen dringend Zwischentöne.»

Bedenkenswert sind auch ihre weiteren Gedanken über Gesellschaft als lernende Organisation sowie der Aufruf, sich aus einer Verbotslogik zu befreien, selber zu denken und Eigenverantwortung zu übernehmen. Der Blog könnte mühelos auf die Kirche allgemein und die Situation in unserem Bistum im Besonderen umgeschrieben werden. Auch hier wäre dringend angesagt, die Kommunikation und den kritischen, öffentlichen Diskurs zu stärken. Und Zwischentöne zuzulassen.
Was geschehen kann, wenn Zwischentöne zum Verstummen gebracht werden sollen und Extreme sich durchsetzen, davor hat Gabor Hirsch gewarnt – und vor allem davon erzählt. Als einer der letzten Holocaust-Überlebenden hat er auch im hohen Alter noch nüchtern über den Alltag in Auschwitz erzählt, wie er überlebt und weitergelebt hat. «Mit Gabor Hirsch ist ein grosser Zeitzeuge der Shoah gestorben» schrieb Anita Winter in der NZZ.
Gleich mehrere Gründe sprechen dafür, dieses Wochenende nach Chur ins Bischöfliche Schloss zu fahren. Zuerst öffnet nach vielen Jahren Aufbau das Bischöfliche Domschatzmuseum seine Türen. Wertvolle Kunstschätze können endlich wieder betrachtet und bestaunt werden. Lieblingsstück von Kuratorin Anna Barbara Müller ist ein Arzneikästchen aus Elfenbein. Vom Pillendöschen zum Reliquiar: Das aus spätrömischer Zeit stammende Kästchen hat eine erstaunliche Karriere hingelegt und dokumentiert eindrücklich den Übergang von der heidnisch-antiken Religion zum Christentum.

Der kunstgeschichtliche Ausflug im Untergrund des Bischöflichen Schlosses regt auch einen Denkprozess an, wo in der Kirche Weiterentwicklungen stattfinden sollten. Müssten. Wie bedeutend das Domschatzmuseum ist, zeigt die Tatsache, dass das Bündner Kunstmuseum parallel zu den Churer Todesbildern eine Sonderausstellung zeigt zum Thema «Dance Me To The End Of Love. Ein Totentanz». Am Samstag ist der Eintritt in beide Museen kostenlos.
 
Angesichts von Pillendöschen, Todesbildern oder Totentanz wünsche ich Ihnen einen gesegneten Sonntag. Bleiben Sie gesund. Geniessen Sie Zeit zum selber Denken, sorgen Sie für Zwischentöne. Und feiern Sie das Leben.
 
Arnold Landtwing
Informationsbeauftragter Generalvikariat
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