Lieber Herbst!
Oh, ich hatte ganz vergessen, wie schön und stimmig du bist. Du zeigst dich von deiner schönsten Seite, wenn du uns dein sanftes Licht schenkst und die Blätter deiner Bäume allmählich bunt färbst. Du hast einen ganz besonderen Duft - eine Mischung aus feuchtem Laub, kühlerer Luft und reifen, süßen Äpfeln, Feigen und Trauben. Welch prächtige Früchte, die wir jetzt ernten dürfen. Danke, dass du uns so reich beschenkst.
Du lädst uns ein, mit langsamerem Tempo durch deine Tage zu wandeln. Mehr zu Ruhe zu kommen. Mehr Einkehr und Besinnung zu üben. Du bist weder aufdringlich noch fordernd. Schreist nicht nach Aktivität oder Schnelligkeit. Nimmst Geschwindigkeit raus und zeigst uns, dass es Zeit für Veränderung ist. Du bereitest uns auf den Winter vor. Du hast keine leichte Position im Jahreskreislauf - der Sommer ist noch so nah und die Sehnsucht nach Wärme und Leichtigkeit groß. Da vermissen wir oft die Energie und Lebendigkeit aus der heißen Jahreszeit. Die Möglichkeiten, alles nach draußen zu verlagern. Die lauen Sommernächte, die nun endgültig vorbei sind...
Die Umstellung fällt nicht leicht - das haben Übergänge bekanntlich so an sich. Dann klagen wir über Müdigkeit und Antriebslosigkeit, weil du uns weniger Tageslicht schenkst und die Dunkelheit ihren schweren Mantel ausbreitet. Dann macht uns ein grauer Tag mehr zu schaffen, weil wir wissen, dass es davon nun wieder für einige Monate mehr und mehr geben wird. Doch wir dürfen auch erkennen, dass wir es uns gemütlich machen können - in Wollpulli und flauschiger Decke eingekuschelt, mit einer Tasse wärmendem Tee und einem guten Buch auf der Couch! So sind deine Abende eine Einladung an das "einfache Sein", ein Genießen der Herbstmomente.
Lieber Herbst, ich mag dich sehr. Du hilfst mir wieder mehr im Innen zu sein als im Außen. Örtlich. Körperlich. Mental. Du lässt mich Sanftheit üben, anderen und mir selbst gegenüber. Du nimmst den Druck nach Perfektionismus. Du schenkst mir Ruhe.
Verwöhne uns bitte noch mit vielen deiner warmen, sanften Sonnenstrahlen, tauche die Umgebung in ein goldenes Licht und gib uns Zeit, uns umzustellen und einzugewöhnen - mit unserem Tun, Denken und Sein. Vor allem in diesem herausfordernden, so anderen und ungewohnten Jahr brauchen wir das alle sehr.
Danke, dass du jedes Jahr aufs Neue kommst, lieber goldener Herbst!
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