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Die COVID-Profiteure 
Der Weltreporter-Newsletter im November

16. November 2020
Javanerinnen mit Masken
Javanerinnen mit Masken. Foto: Dwi Oblo

Editorial
 


Liebe Leserinnen und Leser, 

 
auch wenn die Gegner*innen der deutschen Corona-Politik gegen eine „Corona-Diktatur“ und angeblichen Impfzwang auf die Straßen gehen: In vielen Ländern der Welt sind die Einschränkungen deutlich härter, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Pandemie viel einschneidender als in Deutschland. Nicht zuletzt deswegen, weil die Regierungen die Ausnahmesituation tatsächlich für ihre Zwecke nutzen: Regulierungen werden unter dem Deckmantel des Notstands außer Kraft gesetzt, unliebsame Maßnahmen im Schnellverfahren durchgesetzt – während Justiz und Sicherheitskräfte mit Corona-Regeln beschäftigt sind und die Bevölkerung aus Angst vor Covid-19 lieber zu Hause bleibt. 
 
So lässt Trump seine Mauer unter Notstandsgesetzen im Eiltempo weiterbauen. In Brasilien versucht Bolsonaros Umweltminister, im Windschatten der Pandemie den Regenwald-Schutz aufzuweichen. In Polen hat die Regierung das Abtreibungsrecht verschärft, in der falschen Hoffnung, dass in der Pandemie kaum jemand dagegen demonstrieren würde – genauso wie Indonesien, das im Eilverfahren Arbeitsrecht und Umweltauflagen gelockert hat, um mehr Investoren anzulocken. Und Boris Johnson dehnt in Großbritannien die Überwachung der Bevölkerung aus, während seine Innenministerin allen Ernstes erwogen hat, Wellenmaschinen gegen Flüchtlingsboote einzusetzen. Mehr Infos dazu finden sie in unserem Fokus zu „Covid-Profiteuren“.
 
Wie lebt es sich eigentlich in all diesen Ländern unter Corona-Bedingungen? Wie kann man dort als Journalist*in noch arbeiten? Davon wollen wir Ihnen in unserer nächsten interaktiven Live-Sendung mit dem Titel „Normaler Notstand? Leben und Arbeiten in der Pandemie“ berichten, die am 19. November stattfindet. Am 15. Dezember geht es in unserer Reihe „Weltreporter Live – Unterwegs in der neuen Zeit“ dann darum, wie gefährlich es für uns alle ist, wenn die Auslandsberichterstattung ganz verschwindet. Kostenlos registrieren können sie sich für beide Online-Veranstaltungen hier
 
Spannende Einblicke und neue Erkenntnisse beim Lesen wünscht Ihnen 

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Christina Schott

Weltreporterin in Jogjakarta

schott@weltreporter.net


   
WELTREPORTER AT WORK

Digitale Veranstaltungsreihe zum Mitmachen

Veranstaltungslogo Weltreporter Live
Was passiert da gerade in der Welt? Wir Weltreporter*innen laden Sie ein an die Orte, an denen sie seit Jahren leben und arbeiten. Lassen Sie sich in unseren interaktiven Live-Sendungen erzählen, wie die Menschen in Argentinien, Südafrika oder Taiwan mit Corona umgehen. Wie sich das Leben dort geändert hat und wie man als Journalist*in damit umgeht. Und warum es gefährlich für uns alle ist, wenn aus manchen Regionen oder Ländern irgendwann gar nicht mehr oder nur noch im Krisenfall berichtet wird.

Das Thema am 19. November, 18 Uhr:
Normaler Notstand? Leben und Arbeiten in der Pandemie

Wie hat sich der #Arbeitsalltag der Weltreporter*innen durch die Pandemie verändert? Warum hat die Prävention an manchen Orten gut geklappt, an manchen nicht und was kann man daraus für die Zukunft lernen? Dabei werfen wir einen Blick auf Südamerika (Karen Naundorf; Buenos Aires, Argentinien) und Brasilien (Christine Wollowski; Salvador da Bahia), Südafrika (Leonie March; Durban) und Taiwan (Klaus Bardenhagen; Taipeh). Moderation Julia Macher (Barcelona, Spanien). Hier können Sie sich anmelden. 

Thema am 15. Dezember 2020, 18 Uhr: Welt ohne Reporter*innen? Das Verschwinden der Auslandberichterstattung, unter anderem mit Weltreporter Marc Engelhardt (Genf). Hier können Sie sich anmelden.


Von Lukaschenko vor den Propaganda-Karren gespannt

Presseausweise

Es gab (und gibt weiter) viele Gründe, nicht nach Belarus zu reisen: etwa die Corona-Reisewarnung des Robert-Koch-Instituts und die gezielte Jagd der Sicherheitskräfte auf Journalist*innen. Kaum jemand fuhr hin, ich tat es trotzdem – und bereue es nicht. Natürlich auch weil ich weder deportiert, verprügelt oder gefoltert wurde, noch in U-Haft landete wie über 300 meiner Kolleg*innen. Mir wiederfuhr 2020 in Belarus (fast) nur Nettes, angefangen vom herzhaften „Gute Weiterreise!“ an der Grenze bis zu einer fast grotesken Propaganda-Aktion des Außenministeriums. Anfang Oktober wurden Knall auf Fall alle noch gültigen Akkreditierungen für Auslandkorrespondent*innen annulliert. Angeblich ein reiner Verwaltungsakt, um ein neues Kartendesign zu etablieren. Keiner glaubte daran. Doch sechs Tage später kam statt der bisherigen grünen eine blaue Langzeit-ID für fast ein Jahr. Die neue Berichtserlaubnis kam per Twitter: ein keck ausgespieltes Kartenblatt, ein bisschen wie beim Poker. 
 


Paul Flückiger

Weltreporter in Warschau

flueckiger@weltreporter.net


 

Neue Ausgabe des Schottland-Magazins

Cover Schottland-MagazinGroßbritannien ist von der Coronakrise besonders hart betroffen, in Schottland gelten strenge Auflagen. Wie produziert man ein Reisemagazin, wenn man nicht reisen darf? Glücklicherweise waren einige Geschichten schon recherchiert, bevor der Lockdown begann. Einige Interviews haben wir draußen geführt, mit Maske und Zwei-Meter-Abstand. Das Ergebnis ist nachzulesen in der aktuellen Schottland-Ausgabe, die gerade erschienen ist. Am Kiosk oder bei www.schottland.co 
 

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Nicola de Paoli

Weltreporterin in Edinburgh

paoli@weltreporter.net



 
Lassen Sie uns über Kunst sprechen

JR, Woodkid und Barbara Markert (v.l.) im Speicher der Pariser Oper.

Das „Vogue-Gespräch“ ist eines der Formate, von denen Journalist*innen träumen: zwei Stars auf einmal, freie Themenwahl für das Gespräch und am Ende viel Platz für den Text. Für diesen Artikel, der in der Dezember-Ausgabe der Vogue erscheint, durfte ich zwei Größen der aktuellen französischen Kunstszene treffen: den sozial engagierten Fotografen JR sowie den Musiker und Videokünstler Woodkid alias Yoann Lemoine. Die beiden Freunde legten sofort los und tauschten sich aus über neue Werte in schwierigen Zeiten, die problematischen Grenzen zwischen Kunst und Kommerz und die wichtige Rolle des humanen Aspektes im künstlerischen Werk. Zum Abschluss gab es einen Bonus: Wir durften alle drei aufs Dach der Pariser Oper.
 
 

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Barbara Markert

Weltreporterin in Paris
markert@weltreporter.net

 

Ein Herz bricht selten allein

BuchcoverWas macht es mit einem, wenn der Ehemann einfach geht, ohne sich zu erklären? Wenn man gegen eine 20 Jahre jüngere Frau eingetauscht wird oder entdecken muss, dass die Gattin einen mit unzähligen Männern betrogen hat? Um Trennungen und das Glück danach geht es im jüngsten Buch von Kerstin Schweighöfer, das am 30. November bei Piper unter dem Titel „Ein Herz bricht selten allein“ nun auch als Taschenbuch erscheint. Zusammen mit Dieter Quermann habe ich Menschen befragt – Verlassene wie Verlassende – die schwere Trennungen bewältigt und neues Lebens- und Liebesglück gefunden haben. 
 

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Kerstin Schweighöfer

Weltreporterin in Den Haag

schweighoefer@weltreporter.net
 

  
Fragen? Anregungen? Schreiben Sie uns!


FOKUS-THEMA
 
Die COVID-Profiteure 



US-Grenze zu Mexiko: Mauerbau im Covid-Notstand 

Mauerbau Mexiko
US-Präsident Trump hat den nationalen Notstand, den er vergangenes Jahr an der Grenze zu Mexiko ausgerufen hat, wegen des Covid-19-Ausbruchs noch verschärft. Dadurch konnte er knapp 50 gesetzliche Auflagen für Bauarbeiten umgehen und die Errichtung einer Grenzmauer beschleunigen. Regulierungen zum Schutz von Luft, Wasser und heiligen Stätten indigener Völker sind außer Kraft gesetzt. Bauarbeiter sprengen seit dem Frühjahr Scharten in Bergkuppen und zapfen in der Wüste kostbares Quellwasser ab, um Beton zu mischen. Derzeit werden fast drei Kilometer Grenzsicherung pro Tag gebaut. Schlepper haben dennoch Wege gefunden, sie zu überwinden – mit Spezialsägen aus dem Baumarkt und langen Strickleitern. Joe Biden hat angekündigt, den Bau zu stoppen. Vom Abriss der bestehenden Mauer hat er allerdings nichts gesagt. 

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Kerstin Zilm

Weltreporterin in Los Angeles

zilm@weltreporter.net

 

Simbabwe: Lockdown der Demokratie
 
Straßenhaendler in Simbabwe
In Simbabwe missbraucht die Regierung den Corona-Lockdown dafür, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung werden als Vorwand genutzt, um beispielsweise regimekritische Proteste zu unterbinden. Die Sicherheitskräfte gehen dabei mit extremer Härte vor: Bürger werden entführt, verprügelt, gefoltert, verhaftet. Die Repressionen treffen auch Oppositionelle und kritische Journalisten, wie Hopewell Chin’ono. Er hatte Korruption im Zusammenhang mit der Beschaffung medizinischen Materials zur Covid-19-Bekämpfung aufgedeckt und wurde gerade zum zweiten Mal verhaftet. Leonie March hat in Kooperation mit ihrem Kollegen Privilege Musvanhiri in Harare für den Deutschlandfunk berichtet und ein Interview mit Menschenrechtsanwalt Doug Coltart geführt. 

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Leonie March

Weltreporterin in Durban

march@weltreporter.net



Polen: Abtreibungsrecht im Windschatten der Corona-Pandemie 

Jaroslaw Kaczynski war sich sicher, dass aufgrund der schnell steigenden Corona-Neuinfektionen kaum jemand auf die Straße gehen und protestieren würde, als er dem Verfassungsgericht grünes Licht für ein umstrittenes Urteil gegen Abtreibungen gab. So wurde das europaweit nach Malta restriktivste Abtreibungsrecht noch weiter verschärft: Statt 1000 Abtreibungen pro Jahr sollten nur noch zwei bis drei Dutzend legal sein. Erst schien es, als behielten der Vize-Ministerpräsident und seine Berater*innen Recht: Am ersten Abend, wenige Stunden nach dem Urteil, zogen in der Tat nur ein paar hundert wütende Frauen vor Kaczynskis Villa. Doch drei Tage später waren es mehr als 100.000. Polens starker Mann hatte sich verrechnet. Nun wird darüber diskutiert, den Ausnahmezustand auszurufen. Dies könnte den Protesten die Spitze nehmen und auch die Corona-Werte – die mittlerweile zu den höchsten in Europa gehören – wieder senken. 


Paul Flückiger

Weltreporter in Warschau

flueckiger@weltreporter.net


 
 
Brasilien: Umweltminister will der Umwelt an den Kragen

Regenwald Brasilien
Bereits im April wurde ein Video einer Ministerialsitzung veröffentlicht, in der Umweltminister Ricardo Salles verkündete, dass die Gunst der Stunde genutzt werden müsse: Während der Corona-Pandemie wollte er „Deregulierungen“ und „Vereinfachungen“ im Umweltbereich durchsetzen, die sonst zu Rechtsstreitigkeiten führen würden. „Die Rinder durchtreiben“, nannte er das damals. Um diese Regeln zu ändern, brauche man den Kongress nicht einzubeziehen, da dort sowieso keine Unterstützung zu erwarten sei. Im Mai versuchte Salles dann gemeinsam mit Präsident Bolsonaro durchzusetzen, dass nicht mehr das Umweltministerium, sondern das Agrarministerium Lizenzen zur Nutzung staatlicher Wälder vergeben darf. Doch die Bundesrichter sagten, die Entscheidung bedürfe der Zustimmung des Kongresses. Auch die jüngste Aktion des Umweltministers, eine Regelung zum Schutz von Mangrovenwäldern und Dünenvegetation aufzuheben, wurde von der Justiz widerrufen. 
 


Christine Wollowski

Weltreporterin in Salvador da Bahia

wollowski@weltreporter.net

 


England: Wellenmaschinen gegen Flüchtlinge

Dass Boris Johnson jegliche Einschränkung seiner Macht als lästige Störung empfindet, ist bekannt – er hat nicht nur die obersten Richter im Land als Feinde ausgemacht, sondern auch das Parlament sowie die angeblich parteiische BBC. Inmitten der Corona-Pandemie, die den Rechtspopulisten völlig überfordert, treibt Johnson seine autoritäre Politik entschlossen voran. So etwa mit einem „Schnüffler-Gesetz“, das der Polizei umfassende Befugnisse zur Überwachung gibt. Gewerkschafter*innen und Menschenrechtsgruppen schlagen Alarm. Auch Migrant*innen sind im Visier: Nachdem über die Sommermonate immer mehr Bootsflüchtlinge über den Ärmelkanal kamen, versprach die Regierung eisern durchzugreifen. Unter den Plänen, die man erwog, finden sich Auffanglager auf einer Insel im Südatlantik, ausrangierte Ölplattformen als Gefängnisinseln für Asylbewerber*innen, oder – kein Witz – Wellenmaschinen, die die Boote zurück nach Frankreich schubsen würden.
 


Peter Stäuber

Weltreporter in London

staeuber@weltreporter.net



Kenia: #arrestcovid19millionaires

Masken

Aus Gesichtsmasken Gold machen? In Kenia kein Problem. Der Verbleib von geschätzt 400 Millionen Dollar an Covid-19-Geldern ist seit Wochen unklar. Unter dem Hashtag #arrestcovid19millionaires fordert die Bevölkerung strafrechtliche Konsequenzen. Große Teile des gesuchten Geldes sind vermutlich über die staatliche Beschaffungsagentur für Medizingüter (Kemsa) verschwunden. Die hat offenbar einigen Firmen massiv überteuerte Aufträge zugeschoben. Die Begünstigten haben mit der Beschaffung von Gesichtsmasken, Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln hunderttausende Euro verdient. Geld hatte die kenianische Regierung genug: Weltbank, IWF, EU und andere Geber hatten dem Land zur Bekämpfung der Pandemie kurzfristig um die zwei Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an. 
 


Bettina Rühl

Weltreporterin in Nairobi

ruehl@weltreporter.net


 
Indonesien: Covid-Angst als Deckmantel für unpopuläre Gesetzesreform

Demo in Jogja
Die indonesische Regierung verkauft es als Arbeitsmarktreform, die den Weg für Investitionen aus dem In- und Ausland ebnen soll: das sogenannte Omnibus-Gesetz, das im Oktober gegen großen öffentlichen Protest vom Parlament in Jakarta abgesegnet wurde. Dazu gehören Artikel, die unter bestimmten Bedingungen den Mindestlohn für Arbeiter*innen aussetzen oder die Umweltverträglichkeitsprüfung neuer Unternehmen stark vereinfachen können. Menschenrechts- und Umweltaktivist*innen witterten sofort, dass die ungeahnte Hektik der Abgeordneten aus der Hoffnung entstand, einige unpopuläre Neuerungen durchzudrücken, während wegen der Corona-Pandemie gerade das öffentliche Leben im gesamten Land zum Stillstand kam. Arbeiter*innen und Student*innen gingen zwar trotzdem auf die Straßen – aber nicht massiv genug, um zu verhindern, dass das Gesetzespaket dennoch im Eilverfahren verabschiedet wurde: rechtzeitig bevor die Corona-Lage im Land sich entspannte.
 

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Christina Schott

Weltreporterin in Jogjakarta

schott@weltreporter.net


   




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