16.11.2020

Guten Morgen

Kurze rhetorische Frage: War es vielleicht hinsichtlich Licht, Luft, Farben, das allerschönste Wochenende, das wir Herbstliebhaber*innen uns wünschen konnten?

Ich denke schon. Dieses Bild hat mein Bruder gestern geknipst. GaLiGrü gehen raus.

Genug Naturburschentum. News. 
An einem Kulturpodium am Samstagnachmittag haben sich die Anwärter*innen auf das Regierungspräsidium, Esther Keller, Stephanie Eymann und Beat Jans, über den Wert der (Alternativ-)Kultur unterhalten. Unter anderem ging es um die Trinkgeldinitiative, über welche die Basler Stimmbevölkerung am 29. November entscheidet. Die Initiative will, dass in Zukunft mindestens 5 % des Basler Kulturbudgets für Alternativkultur reserviert sind, also für Bar-, Club-, Jugend-, oder Popkultur. Der Kulturjournalist Dan Wiener hat das Podium moderiert, Bajour streamte die Voten live ins Netz.

Meine Kollegin Naomi Gregoris hat die zentralen Positionen der Kandidierenden gescannt und in einem Artikel übersichtlich zusammengefasst. Hier sind Gregoris' kurz-Einschätzungen zur inhaltlichen Performance der Kandidat*innen plus deren Standpunkt zur Trinkgeldinitiative:


Stephanie Eymann ist laut eigener Aussage schwer verortbar. Mag ab und zu eine Ausstellung. Und Musik aller Art. «Kultur ist nicht einfach ein Dessert, sondern macht Gemeinschaft aus.» Unter dieser Prämisse müsse man Kulturbudgets anschauen. Das bedeute jedoch nicht, dass immer aufgestockt werde. Zur Trinkeldinitiative findet sie
  • Eher pro Umverteilung als für Aufstockung des Budgets. Also, woanders einsparen, bei der Alternativkultur aufstocken. Auf Wieners Einwand, eine Umverteilung sei unmöglich, entgegnete sie: «Ich bin nicht abgeneigt zu sagen, dass wir eine Aufstockung prüfen müssen.»
Beat Jans war in der Knabenmusik als Schlagzeuger. Was nur dank der Kultursubventionen des Kantons möglich gewesen sei. Später spielte er in Bands, er jammt heute noch gern. «Wenn Basel Kulturhauptstadt bleiben will, muss die Stadt investieren.» Standpunkt TGI:
  • Jans ist eindeutig für eine Aufstockung des Kulturbudgets.
Esther Keller arbeitete an der Aufarbeitung der Geschichte der Casinogesellschaft mit und hat dazu ein Buch veröffentlicht. Ausserdem sitzt sie im Vorstand vom Kunsthaus Baselland. Sie sei eine Leseratte, mag Alain Claude Sulzer. «Kultur ist – wie Sport – ein Ventil: Was passiert, wenn die Gesellschaft diese Ausdrucksform nicht mehr hat? Das kann man nicht beziffern.» Zur TGI:
  • Auch Keller ist für eine Aufstockung. Das Kulturbudget von Basel-Stadt sei nicht besonders hoch, wenn man die Menge der Menschen im Einzugsgebiet berücksichtige.
Durch einen Klick auf das Bild gelangst du auf Youtube und kannst dir das ganze Podium anschauen. 
Während die Welt hektisch weiterdreht, werden Teile der Arbeitswelt zwangsentschleunigt. Corona dämpft die Mobilität, den Konsum. Nicht viel zwar, aber stark genug für unseren Wirtschaftskolumnisten Werner Vontobel, sich ein Alternativszenario zu denken. Was wäre, wenn die Martkwirtschaft, wie wir sie kennen, unter den Auswirkungen der Corona-Krise komplett kollabiert?

Und warum tun wir eigentlich alle so, als wäre nichts weiter, als müssten wir immer nur noch schnell dies und das erledigen? «Statt in mehr Freizeit verwandelt die Marktwirtschaft den durch das Virus erzwungenen Konsumverzicht in Stress und Angst um den Job. Was wiederum das Immunsystem schwächt und das Virus stark macht», schreibt Vontobel. 


«Das alte System hat ausgedient», findet Vontobel. Als Alternative skizziert er eine Art umgekehrtes Geldsystem, das als Gemeinschaftswährung funktioniert. Entlöhnt wird der Dienst an der Gesellschaft, nicht der individuelle Karriereplan. Ein bisschen Alternativen jonglieren zum Wochenstart? Den Text gibts hier: bajour.ch/Systemfehler
In den Basler Medien ist heute Tag der Schlagabtausche. Primenews UND die bz Basel (noch nicht online) veröffentlichen heute Pro&Cons zum Wohnraumfördergesetz (WRFG, die Abstimmung ist am 29. November). Bei der bz duellieren sich der FDP-Präsident Basel-Stadt Luca Urgese und Patrizia Bernasconi, Geschäftsleiterin des Basler Mieter*innenverbands und GB-Grossrätin. Bei Primenews steigen Andreas Zappalà, Geschäftsführer des Hauseigentümerverbands Basel-Stadt und FDP-Grossrat, sowie Beat Leuthardt, Co-Geschäftsleiter des Basler Mieterinnen- und Mieterverbands und BastA!-Grossrat in den Ring. 

Votum Urgese in einem Satz: Die Situation auf dem Basler Wohnungsmarkt ist entspannter, als allenthalben behauptet wird und darum braucht es keine weiteren Verschärfungen: JA zum Wohnraumfördergesetz.
Votum Bernasconi in einem Satz: Mit dem Gesetz könnten mietengierige Grossinvestor*innen ihre spiralförmigen Mietzinsaufschläge weitertreiben wie bisher und die Kündigungsliste ist jetzt schon lang wie eine «ägyptische Pergamentrolle»: NEIN.

Informativer ist das Streitgespräch bei Primenews, moderiert von Christian Keller. Hier die Eröffnungsrunde

 

Herr Leuthardt, die Massen­kündigungen am Schoren­weg bewegen die Menschen. Nehmen wir an, das neue Wohn­raum­förder­gesetz (WRFG) wäre bereits in Kraft: Hätte es dann einen besseren Schutz für die Betroffenen gegeben?

Beat Leuthardt: Nein. Die Credit Suisse würde weiterhin über mehrere Möglichkeiten verfügen, um sich herauszudribbeln. Das liegt zunächst einmal daran, dass die Mietzinse der meisten Wohnungen über dem Medianwert liegen, die gemäss WRFG in die Kategorie «Bezahlbares Wohnen» fallen. Sprich: Sie sind teurer als 50 Prozent aller Wohnungsmieten in Basel-Stadt. Aber nehmen wir einmal an, dies wäre nicht der Fall: Dann könnte die CS – so sieht es das neue Gesetz vor – die Mieterschaft während dem Umbau einfach in den Wohnungen lassen, um sich dadurch der Bewilligungspflicht zu entziehen.

Also ein «Bschiss», Herr Zappalà.

Andreas Zappalà: Das sehen wir anders. Herr Leuthardt führt willkürliche Rechenbeispiele ins Feld. Das ist typisch für die Argumentation der Gegner. Auf diese Weise können Sie jedes Gesetz schlechtreden. Fakt ist: Sind in einer Liegenschaft einige Wohnungen günstiger als der Medianwert von 50 Prozent, und das dürfte wohl auch bei den Schoren-Hochhäusern zutreffen, dann fallen sie ganz bestimmt nicht aus der Bewilligungspflicht, nur weil andere Wohnungen in derselben Liegenschaft die Schwelle vielleicht übersteigen. Das revidierte WRFG greift also sehr wohl. Und dann gibt es auch keine Schlupflöcher.


Ich weise in diesem Zusammenhang nochmal auf unseren Massenkündigungsticker hin: Bajour.ch/Kickassjournalismus.
C🦠r🦠na-News

Die bz Basel und die BaZ haben am Wochenende einen Blick die Innenstadt geworfen und beobachtet, wie es um die Mund-Nasen-Schutz-Disziplin (MNSD) der Menschen steht. Fazit bz: Die Innenstadt ist voll. Viele Menschen schätzen den Basler Weg der Eigenverantwortung vor Zwang und kommen deswegen zum Beispiel aus Lörrach herangereist. Viele Passsant*innen sagen zur Journalistin, es sei ihnen schon nicht ganz wohl bei so vielen Leuten auf engem Raum. Mathias Böhm, der Geschäftsführer Pro Innenstadt wird zitiert: «Höchstes Gut ist, dass es keine weiteren Massnahmen braucht.»Die BaZ (Abo) beobachtet, dass auch an einem belebten Ort wie der Freien Strasse nur ca. ein Drittel der Menschen einen MNS trägt. Der Bundesrat mache es den Bummler*innen mit der Formulierung «belebter Strassenbereich» aber auch nicht einfach. Dort muss offiziell eine Maske getragen werden. Beide Zeitungen lassen Angesichts der Massen ein Unbehagen spüren. Grundtenor: Wenn das nur gutgeht.

Die Zahlen:

Basel-Stadt meldet über das Wochenende insgesamt 213 neue Fälle (Sa 119, So 94) und einen neuen Todesfall. Baselland meldet insgesamt 236 neue Fälle (Sa 146, So 88) und ebenfalls einen Todesfall. Die 14-Tage-Inzidenz pro 100'000 Einwohner*innen (rote und schwarze Linie) liegt in beiden Kantonen weiterhin über 500 (BS: 650, BL: 581) und ist damit immer noch viel zu hoch, der Richtwert des Bundes liegt bei 60. 

Denk ans Händewaschen, trag deine Maske😷, halte Abstand zu anderen Menschen und installiere und nutze die SwissCovid-App.

Wahlflash:

Die Basler Zeitung (Abo) hat den SP-Regierungskandidaten Kaspar Sutter interviewt. Wir erfahren, dass Sutter befürchtet, ohne Brille nicht erkannt zu werden und dass er gut mit der Bezeichnung leben kann, ein feministischer Mann zu sein. Und natürlich war das Klima ein grosses Thema. Sutter hatte sich beim Auftakt in den zweiten Wahlkampf die Bemerkung erlaubt, das Präsidialdepartement sollte nur dann die Abteilung Umwelt aus dem WSU übernehmen, wenn Parteikollege Beat Jans Regierungschef werde. 

BaZ: Und wenn LDP-Kandidatin Stephanie Eymann das Rennen machen sollte?

Sutter: Sie hat bisher im ganzen Wahlkampf überhaupt kein Interesse am Klimaschutz gezeigt, und man hat stark das Gefühl, das Thema sei ihr nicht wichtig.

Weiterhin empfehle ich dir die Regionaljournal-Reihe, in der alle verbliebenen Regierungskandidat*innen kritische Fragen beantworten müssen. Am Samstag war Heidi Mück (BastA!) im Studio.


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Die Aussagen von Regierungskandidat*innen in Bajour-Interviews sind immer wieder Thema bei der Konkurrenz. Das ist natürlich super, aber mir fällt dabei auf, dass Bajour sehr unterschiedlich bezeichnet wird. Mal sind wir ein Onlineportal (klingt nach Datingplattform lol), dann eine Onlineziitig (so nennen wir uns selbst), manchmal ein Onlinemagazin (auch ok) oder ein News-Portal (pfui!). Auf unserer About-Seite steht Online-Stimme, das ist natürlich auch sehr unpräzise. Ich werde intern auf eine messerscharfte, auf allen Kanälen einheitliche Selbstbezeichnung drängen, die wir, geschätzte Kolleg*innen, asap kommunizieren. Bis dahin:  
Kommen wir noch zu den Kurz-News:
  • Am vergangenen Samstag war Tag der Regularisierung von Sans Papiers. Mit Transparenten am Rheinbord und Ballonen machten Basler Sans Papiers mit Verbündeten auf diesen Tag aufmerksam und wandten sich mit einem offenen Brief an die Bevölkerung. Gerade in der aktuellen Krise sei der Alltag noch prekärer, etwa wegen des Verlusts von Stellen oder von Aufträgen. Bilder von den Aktionen findest du hier, den offenen Brief hier.
  • Aus einem Basler Gästebuch ist eine Seite mit der Unterschrift der Queen Elisabeth II geklaut worden, die diese bei einem Besuch der Grün 80 am 1. Mai 1980 hinterlassen hat. Der Direktor der zweiten Schweizerischen Ausstellung für Garten- und Landschaftsbau, Hans-Peter Ryhiner, hätte sie gerne zurück. Über den Signaturenschwund berichtet die BaZ (Abo)
  • Zwei Baselbieter Hausärzte beklagen gegenüber der BaZ (Abo), ihnen gehe das Covid-Schutzmaterial aus. Der Kantonale Krisenstab BL teilt mit: Es ist genug Schutzmaterial auf dem freien Markt, aber der Bund bezahlt nicht mehr, das Material muss auf eigene Kosten berappt werden. Fazit: Es ist genug Material vorhanden, aber die Lieferung vom Kanton an die Hausärzt*innen dauert zu lang. 
Danke für die Aufmerksamkeit, das Briefing ist damit am Ende. Ist dir aufgefallen, wieviele Abkürzungen heute drin waren? Wieder etwas Zeit gespart, super!
Unterhaltungstipp: Wenn alles gut läuft, dann eröffnet am 1. Dezember die erste Boulderhalle von Basel zwischen dem Voltaplatz und der St. Louis Grenze. Sie heisst ELYS Boulderloft. Natürlich müssen die Macher, ein fünfköpfiges Team, die Corona-Fallzahlen im Auge behalten. Aber wie sie am Freitag der bz erzählten, darf die Halle stand jetzt mit einem Schutzkonzept eröffnen. Ich hab mich auf Facebook durch die Bildgalerie geklickt und jetzt juckts mich prompt in den Fingerkuppen. In dieser Halle steckt viel Handarbeit und Idealismus und das sind eigentlich immer die besten Vorraussetzung für Kraftspass und Geschicklichkeitsspiele ohne diese anstrengend ächzende Industriefitnessathmosphäre. Hier gehts zur Homepage mit Lageplan. 
Ich wünsche dir einen Spacerocket-Start in die Woche 🚀🚀🚀,
Daniel Faulhaber

P.S.:  Das Nützliche zum Schluss:
Ich hab die Kulturklinik hier schon einzweimal empfohlen. Aber weil ich an trüben Samstagabend in letzter Zeit nurmehr aus Reflex auf meine Lieblingsagenda Denkmal.org klicke und dort selten bis nie eine Veranstaltung auftaucht, denke ich mir: Was machen nur alle die Künstler*innen? Wie kommen sie in dieser Scheisszeit über die Runden? Die Kulturklinik ist eine solidarische Plattform von und für Kunstschaffende. Du kannst dort Platten, T-Shirts oder Vulva-Schmuck kaufen, oder Geld spenden. Der Erlös wird gleichermassen unter allen angemeldeten Künstler*innen aufgeteilt. #Supportyourlocal. Mehr als ein Hashtag. 


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