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Liebe Freundinnen und Freunde von NeSTU
Seit bald acht Monaten sterben in der Ukraine täglich Menschen, Frauen, Kinder und Männer durch die Waffen der russischen Angreifer. In den vor kurzem befreiten Gebieten im Osten und im Süden des Landes kommen erneut Gräuel der Besetzung zum Vorschein: Massengräber und Folterkammern, auf der Strasse liegen wahllos getötete Zivilisten. Irgendwann, nach dem Krieg, werden wir uns kollektiv und individuell fragen müssen, was mit uns und unseren Emotionen unter dem Eindruck dieser Bilder geschehen ist. 

Die massiven Raketen- und Drohnenangriffe auf zivile Infrastrukturen der vergangenen Tage gefährden die Versorgung von Millionen Menschen mit Strom und Wasser. Wenn es so weiter geht, ist eine neue Massenflucht zu befürchten. Wir sind permanent im Kontakt mit humanitären Initiativen in den betroffenen Gebieten und unterstützen diese weiterhin finanziell, mit Hilfe der grosszügigen Spenden aus unserem Netzwerk, und mit wertvollen Kontakten zu anderen Organisationen in Westeuropa. Herzlichen Dank Allen, die uns dabei helfen!

Aus dem Inhalt dieses Rundbriefs:
  • Unsere Freunde in Stans NW haben einen "Ukraine-Treff" ins Leben gerufen und damit sehr ermunternde Erfahrungen gemacht. Der Bericht von Béatrice und Kari Grunder
  • Der Kammerchor Cantus verzagt nicht und macht den Menschen in diesen schweren Zeiten mit seinem wunderbaren Gesang Mut. Der Bericht und Einladungen für 2023 von Krisztina Szakács
  • Ein Hinweis: Bereits seit dem vergangenen März hat eine Gruppe von Freiwilligen in den Räumlichkeiten der Kunstbox Reussbühl (Luzern) ein ukrainisches Kultur- und Begegnungszentrum ins Leben gerufen. Die Initiative Prostir (Infoflyer pdf) betreut und fördert gut 40 junge Künstler:innen und Musiker:innen aus der Ukraine, einigen von ihnen wird auch Unterkunft geboten. Ukrainische Ärztinnen leisten Traumaarbeit, es gibt Malateliers, Deutschkurse, eine Coiffeuse und ein Küchenteam. Hier geht's zur Website von Prostir.
  • Ein Lesetipp für diejenigen, die sich für den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg interessieren, aus den neuesten Ukraine-Nachrichten. Eine kolossale Aufgabe.
  • Hinweis Hudaki Village Band: Die Dorfmusikant:innen planen für das kommende Frühjahr mehrere Reisen in die Schweiz und freuen sich auf Anfragen rund um folgende, bereits gebuchte Auftritte: 25. Februar, 30. März und 18. Mai. Kontakt
  • Ein Herbstbericht aus der Ukraine im Krieg.
Redaktion und unsignierte Textteile: Jürgen Kräftner, NeSTU Ukraine
 
Bachmut
Ukraine-Treff in Stans/NW
Ein spontanes Experiment spielt sich ein

«Ich fühle mich so wohl an diesen Treffen» - «Der ruhige Hof mit dem vielen Grün tut mir gut» - «Wenn der Krieg vorbei ist, schaut ihr dann bei uns vorbei!» - Drei Stimmen von Ukrainerinnen, die am Treff in unserer Siedlung teilnehmen. Was mit einer spontanen Idee angefangen hat, spielt sich nach drei Durchführungen schon fast zu einer Selbstverständlichkeit ein.
Zusammen mit Nachbarn und Freunden wollten auch wir etwas Konkretes tun für zu uns geflüchtete Menschen aus der Ukraine. Dank Begegnungen mit Ukrainerinnen und Gesprächen mit engagierten Mitmenschen wurde klar: Wir könnten ja den Gemeinschaftsraum unserer Wohnbaugenossenschaft für UkrainerInnen, die sich untereinander und mit hier wohnhaften Menschen treffen möchten, öffnen!
Foto: Ende September haben wir uns über die Erntedankbräuche in der Schweiz und der Ukraine unterhalten.
Salome Stalder von der NeSTU Geschäftsstelle hat uns dabei unterstützt, einen passenden Termin für ein erstes Treffen zu finden und möglichst alle in Nidwalden aufgenommenen UkrainerInnen mit unserer Einladung zu erreichen. Es hat geklappt: 9 Ukrainerinnen – eine mit ihrem jährigen Kind - und drei SchweizerInnen haben den Vormittag des letzten Augustmontags bei uns verbracht. Die schlichte Form einer offenen Gesprächsrunde mit einer kleinen Erfrischung ist gut angekommen. Die Teilnehmenden wünschten, das Treffen alle zwei Wochen fortzusetzen und jeweils ein Thema zu setzen. Zunächst haben die Ukrainerinnen – vor allem Mütter mit schulpflichtigen Kindern – vorgeschlagen, mehr über die Schweizer Geschichte und Kultur zu erfahren. So werden wir am 16. Oktober die Stanser Älperchilbi besuchen und tags darauf bei selbst zubereiteten Älpermagronen Rückschau auf das Erlebte halten. Nebst den St. Nikolaus- und Weihnachtsbräuchen stehen Schweizer Bildbände und ukrainische Bücher zum Anschauen, Besprechen und Ausleihen auf dem Programm. Aus den bisherigen Treffen wissen wir, dass ausser den vorbereiteten Themen auch praktische Alltagsfragen angesprochen werden. Die Wohnbaugenossenschaft stellt den Raum zur Verfügung, NeSTU kommt für die Erfrischung und bei Bedarf für die öV-Kosten der UkrainerInnen auf.
Wir ermuntern alle, sich auf Begegnungen mit den zu uns gekommenen Menschen aus der Ukraine einzulassen, sei es organisiert oder spontan. Es ist eine Chance für alle! Mit etwas Mut und in einer guten Atmosphäre gelingt die Kommunikation auch mit bescheidenen Fremdsprachenkenntnissen…
Béatrice und Karl Grunder
Neues vom Kammerchor Cantus, Uzhhorod
Cantus geht es den Umständen entsprechend gut. Nach den ersten Monaten mit vielen Benefizkonzerten konnten sich die SängerInnen in der Sommerpause ein wenig erholen. Seit Mitte August probt der Chor wieder und hat bereits ein sehr wichtiges Konzert hinter sich. Am 2. Oktober hat Cantus in Swaljawa (kleines Städtchen ca. 70 km östlich von Uzhhorod) das 80-jährige Jubiläum des transkarpatischen Komponisten Jewhen Stankowytsch mit seiner Liturgie gefeiert: Die Kirche war voll, die ZuhörerInnen begeistert.
Im Dezember sollte Cantus auch sein eigenes Jubiläum - 30 Jahre als professioneller Chor - feiern. Normalerweise würde Cantus mindestens ein Konzert, oder sogar eine Konzertreihe zu diesem Anlass veranstalten. Aber dass weitere Konzerte dieses Jahr noch möglich sein werden, ist leider eher unwahrscheinlich. 
Wie alle anderen UkrainerInnen, haben auch die SängerInnen vom Cantus Respekt vor dem kommenden Winter: Ob sie das Probelokal beheizen  können, ist fraglich.  Auch eine mit Bangen erwartete Meldung vom Staat ist eingetroffen: Ab dem nächsten Jahr wird das Budget gekürzt und somit bekommt der Chor, bzw. die SängerInnen 20% weniger Lohn.
 
Trotz allem, oder vielleicht sogar um so mehr, konzentriert sich unser kleines Projektteam auf die Planung vom nächsten Jahr:
  • Die Singwoche in Uzhhorod ist für die Woche vom 30. April - 7. Mai 2023 geplant und wir hoffen, dass die Situation uns erlauben wird, sie wie geplant durchzuführen.
  • Die 13. Konzerttournee findet vom 22. Oktober - 5. November 2023 mit 13 bereits gebuchten Konzerten statt und wird – wie schon üblich – mit dem Workshop in Melchtal am 20. - 22. Oktober 2023 starten.
Bitte merken Sie sich diese Daten, die Ausschreibung der Singwoche folgt in Kürze. 

Krisztina Szakács,  cantus.ukraine@gmx.ch

Bald acht Monate Krieg
Es ist ein seltsames Leben. Für diejenigen, die unserer Realität etwas näherkommen möchten, habe ich den Bericht einer ukrainischen freiwilligen Sanitäterin vor der Helsinki-Komission der USA übersetzt. Julia Pajewska (Pseudonym Tajra) verbrachte drei Monate in russischer Gefangenschaft. Wir haben keinen Grund an ihren Aussagen zu zweifeln, der Text ist hier als pdf zu lesen.

Die Fotos, die diesen Bericht illustrieren, kommen aus verschiedenen Quellen. "Unser" Fotograf, Oleksandr Glyadyelov wird uns bald wieder einige seiner unvergleichlichen Eindrücke vermitteln. Derzeit, sagt er, habe er Mühe, eine für ihn stimmende Auswahl aus den kontrastierenden Bildern zu treffen.  

Einige lokale Nachrichten:
Longo mai richtet in Nyzhne Selyshche eine Flüchtlingsunterkunft ein, die ab Mitte November bis zu 30 Personen vorübergehend aufnehmen soll. Zwei Freunde aus Deutschland haben in der vergangenen Woche im alten Haus, das von unseren aus Luhansk geflüchteten Freunden, Nastya und Genia, renoviert wurde, einen Grundofen gebaut. Das war schon etwas dringend, die Temperaturen sinken. Nastya Malkina und Genia Koroletov haben uns als Künstler schon einige Male unter die Arme gegriffen. In ihrer Heimat haben sie die Luhansk Contemporary Diaspora mitbegründet.
Einige Fotos von der Baustelle zeigen, dass aus Not auch schöne Begegnungen entstehen können. Vielen Dank auch an Steffi Zemp, Hafner in Sissach BL für seine wertvollen Ratschläge auf Distanz.
In den vergangenen Monaten kamen kaum neue Flüchtlinge hierher, aber das kann sich mit der Kälte ändern. In der Region werden mehrere grosse Unterkünfte renoviert, um im Winter mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Die Schulbehörden wurden angewiesen, sich auf die Ankunft von Tausenden von Flüchtlingen vorzubereiten. Derzeit sind in drei Schulen in unserem Gemeindeverband noch 58 Flüchtlinge untergebracht, im Frühjahr waren es noch 800. Die Menschen, die dortbleiben, sind arme Leute, Alte, Kranke etc. Nur zwei Personen unter ihnen arbeiten, und zwar in einer Kabelfabrik in Chust.

Unser junger Obstgarten (über 10 ha hochstämmige, noch kleine Apfelbäume) hat die grösste Dürre der letzten Jahrzehnte überstanden. Doch auch hier macht sich der Krieg bemerkbar. Mehrere Fachleute, die uns bei diesem Projekt unterstützen, sind nicht verfügbar. Ein mit uns befreundeter Bodenwissenschaftler und ein Abfülltechnologe aus der Gegend sind an der Front, ein Agronom und Pomologe ist als Freiwilliger nach Poltawa gegangen. Wir schlagen uns so durch.

Wie auch immer, die bevorstehende Apfelernte ist vielversprechend. Diese Woche beginnen wir zu pressen und bis etwa zum 12. November werden wir so viel Direktsaft und Cidre wie möglich produzieren. Zum Glück haben wir im vergangenen Jahr ausreichend Flaschen gekauft. Die Fabrik (eine Filiale des Schweizer Konzerns Vetropack mit Hauptsitz in Bülach ZH) befindet sich in Hostomel, einem im vergangenen März brutal umkämpften Vorort von Kyiv, und wurde damals vollständig zerstört. Hier ist ein Foto von ihr:
Einer der wenigen Cidre-Betriebe der Ukraine, "Berryland" in der Nähe von Kyiv, wurde ebenfalls im März zerstört, der Unternehmer und seine Familie fanden Zuflucht in der Slowakei.

Die folgende Information ist nicht geographisch aber emotional nahe: Unsere Freundin Nailya konnte ihrem Bruder, der in Moskau lebt, helfen, das Land mit dem letztmöglichen Flug nach Bischkek, der Hauptstadt Kirgisiens, zu verlassen, um der drohenden Mobilmachung zu entgehen. Seine Frau und die beiden Kinder werden hoffentlich demnächst folgen. Die Perversität der russischen Zwangsrekrutierungen kennt keine Grenzen. Besonders empörend ist der massenhafte Einzug der Krimtataren. Man muss befürchten, dass es ihnen nicht besser ergeht als den Rekruten aus dem besetzten Donbass, die unmittelbar als Kanonenfutter an die Front geschickt werden. Dies wird den Kriegsverlauf nicht ändern, aber es ist eine weitere Methode, um die nicht moskauhörige Bevölkerung zu terrorisieren.

Auch die grossen Schweizer Medien haben ausfürlich berichtet -
über den Vormarsch der ukrainischen Armee in den Regionen Charkiw (Isjum, Kupjansk, Lyman) und in jüngster Zeit auch in Cherson und der Region Luhansk,
über die Freilassung von 215 ukrainischen Kriegsgefangenen, die dieses Mal recht günstig für die Ukraine ausfiel, indem es gelang, den meistgehassten Oligarchen des Landes, Viktor Medwedtschuk, zu einem hohen Preis zu einzutauschen (in den vergangenen Tagen fanden weitere Gefangenenaustausche statt),
und über die "Teilmobilmachung" in Russland, die dazu führt, dass mehrere hunderttausend Männer und ganze Familien aus der Russischen Föderation vor allem nach Zentralasien fliehen.

Putin und seine Komplizen drohen mit dem Einsatz von Atomwaffen. Die ukrainischen Medien geben Ratschläge, wie man sich in einem solchen Fall verhalten sollte. Aber mir scheint, dass wir zu beschäftigt sind, um darauf zu achten. Ausserdem stehen unsere Leute auf schwarzen Humor. Ein Freund sagte gestern, dass er im Falle einer Atombombenexplosion nicht den Anweisungen folgen würde, sich auf den Boden zu legen oder sich in einem Schutzraum zu verstecken. Stattdessen werde er sich aufrecht hinstellen und dem Atompilz ins Gesicht sehen, um das Spektakel zu genießen, bevor er ohnehin sterben werde. Wer hat schon das Privileg auf einen so grossartigen Tod?

Unser befreundeter Menschenrechtsverteidiger Maksym Butkevych ist seit bald vier Monaten in russischer Kriegsgefangenschaft. Anfang September erhielt er endlich die Gelegenheit, seine Eltern für einige Minuten anzurufen. Das russische Militär leitet ein Strafverfahren gegen ihn ein, dessen Einzelheiten er nicht kennt. Er hat erfahren, dass sie ihn gegen einen ihrer Offiziere austauschen möchten, der bei der russischen Offensive auf Kyiv zu Beginn des Krieges gefangen genommen wurde. Am Telefon sagte Maksym, dass mit ihm alles in Ordnung sei, was natürlich nicht viel bedeutet, aber zumindest lebt er und seine Angehörigen haben wieder etwas Hoffnung. Gerade erfahre ich, dass eine Freundin in Berlin die Gelegenheit hatte, mit dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier über Maksym zu sprechen, und es scheint, als wolle er die Initiative für seine Freilassung ergreifen.

Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanov, informierte kürzlich, dass ein Austausch "Alle gegen Alle" verhandelt werde. Die Freilassung der 215 ukrainischen Soldaten Ende September löste im Land eine Welle der Begeisterung aus, vielleicht sogar mehr als die Befreiung der besetzten Gebiete im Nordosten. Dies war umso wichtiger, als viele die Gefangennahme der Verteidiger von Asowstal als Verrat von der Staatsspitze empfunden hatten. Ich habe keine zuverlässigen Informationen über die aktuelle Gesamtzahl der ukrainischen Geiseln gefunden.

Und noch etwas zu diesem Thema: Haben Sie diesen im September freigelassenen, furchtbar dünnen Soldaten gesehen, dessen rechter Arm deutlich kürzer war als der andere? Stellen Sie sich vor, Mychajlo Dianov ist in seinem zivilen Leben Musiker, spielt Bassgitarre und legt einen unverwüstlichen Optimismus an den Tag. Es gibt hier wirklich viele Menschen, die für die Zukunft der Menschheit Hoffnung verströmen.

Um zu verstehen, was an der Front vor sich geht, sind die russischen Blogger eine deutlich schnellere und informativere Quelle als die ukrainischen Medien. Allerdings sind die aktivsten von ihnen seit vergangener Woche von staatlicher Seite zum Schweigen gebracht worden. Ab und zu macht es jetzt auch Spass, sich Ausschnitte aus russischen Propaganda-Talkshows anzusehen. Abgesehen von der üblichen "Schlachtet sie alle ab"-Hysterie sieht man, dass sie langsam die Fassung verlieren: "Wo sind unsere Panzer? Wo war unsere Luftwaffe?!" und "Man muss all diese unfähigen Generäle barfuss an die Front schicken!".

Werden diese Hetzer:innen eines Tages vor Gericht stehen, wie die Verbrecher vom Radio der 1000 Hügel in Ruanda?

Es gibt nicht nur die Front. Die Massaker an der Zivilbevölkerung gehen unaufhörlich weiter. Unser Freund Livon, der für eine Flüchtlingsorganisation im Osten arbeitet, war besonders empört, als mehrere Boden-Luft-Raketen (!) auf einen Hilfskonvoi in der Nähe von Zaporijje abgefeuert wurden, wobei mehr als 30 Zivilisten getötet und zahlreiche verletzt wurden. Gemeinsam ist diesen Raketenangriffen, dass sie in militärischer Hinsicht den Besatzern nichts nützen, sondern lediglich die Bevölkerung terrorisieren sollen.

Wir haben mehrere Freunde, die in den kürzlich befreiten Gebieten recherchieren und Zeugenaussagen über Folterungen, vorsätzliche Tötungen, Vergewaltigungen, Raubüberfälle usw. zusammentragen. Der Fotograf Sascha Glyadyelov ist gerade aus dem Osten von Charkiw zurückgekehrt. Er war schockiert über die Menge an zurückgelassener Militärausrüstung, die Landschaft voller gefährlicher Gegenstände und die kolossalen Zerstörungen.
 
Tägliches Überleben
Die Hryvna hat seit Beginn des Krieges 30 Prozent ihres Wertes verloren, aber weder die Löhne noch die Renten haben damit Schritt gehalten, ganz zu schweigen von den Menschen, die von staatlicher Sozialhilfe leben. Immerhin werden die Tankstellen ständig beliefert und die Kraftstoffpreise bleiben stabil bei etwa 1,20 Euro.

Der Staat überlebt dank der Unterstützung des Westens und des IWF. Freunde in der Verwaltung erzählen, dass dort das Chaos herrscht. Zum Beispiel im Bildungswesen kommt das Geld, das eigentlich schon längst ausgegeben ist einfach nicht an und die Behörde kumuliert grosse Schulden. Der Krieg frisst alle Ressourcen auf, doch auch hier deckt der Staat bei weitem nicht alle Bedürfnisse ab. Derzeit sammeln Freiwillige unter anderem, um warme Kleidung für die Armee zu kaufen. Es gibt unzählige Hilfsinitiativen, und es besteht kein Zweifel daran, dass die Ukraine nur dank dieser Initiativen die letzten sieben Monate überstanden hat. Zu den spektakulärsten Ergebnissen gehört, dass einer der großen privaten Fonds kürzlich einen türkischen Satelliten gekauft hat, mit dessen Hilfe die gegnerischen Stellungen leichter zu finden sind. Ein Blogger sammelt auf Bitten seiner Freunde an der Front für den Kauf von zwei Kühlcontainern, in denen die im Kampf Gefallenen gelagert werden sollen, wie soll man das einordnen?

In einer der nächsten Nachrichten werde ich gerne mehr über die fabelhafte Arbeit unserer Kolleginnen vom Zakarpattya Medical Aid Committee in Uschhorod schreiben. Sie eröffnen demnächst zwei Zentren für Binnenvertriebene, eines davon speziell für Menschen mit Behinderungen. Außerdem verteilten sie Hunderte Tonnen humanitärer Hilfe und riesige Mengen an Medikamenten an medizinische Einrichtungen in allen Teilen des Landes. All dies geschieht praktisch ohne jeglichen Kontakt zu den Behörden von Transkarpatien, ihr könnt Euch selber einen Reim daraus machen.

Vielleicht schreibe ich auch ausführlicher über das Leben ausserhalb des Krieges, es gibt wie immer Gutes und Schlechtes: Zaghafte aber zugleich sehr wichtige Schritte in der Justizreform; der absurde und gefährliche Abbau von Rechten der Arbeiter und Angestellten; Korruption auf allen Ebenen trotz des Krieges und die Machtkonzentration dort, wo es ums grosse Geld geht, insbesondere im Energiebereich. Die Fäden ziehen wie immer einige Leute aus dem Präsidialamt. Nach diesem Krieg wird es in diesem Land neue Superreiche geben. Dennoch bleibe ich optimistisch, die Ukrainer und Ukrainerinnen sind keine Schafe.

Schrebergarten in Poltawa
Im Zentrum der Stadt Poltawa (südöstlich von Kyiw) hat eine lokale Initiative eine ehemalige Stadtgärtnerei (0,6 ha) gerodet, um sie in einen Gemüsegarten für Binnenvertriebene umzuwandeln. Viele Freiwillige beteiligen sich daran und es wurde bereits Gemüse geerntet und an die Flüchtlingsunterkünfte verteilt. Die Saison neigt sich natürlich dem Ende zu, aber die Freiwilligen sind motiviert, im nächsten Jahr noch mehr zu tun. Poltawa ist ein sehr fruchtbares Gebiet mit hervorragenden Böden. Dort leben Zehntausende von Flüchtlingen.

Demnächst werden wir uns wieder auf den Weg machen, um verschiedene Initiativen im Zentrum und im Osten der Ukraine zu treffen.
Kontakt zu NeSTU:
Salome Stalder - Martin, Dipl Forst-Ing. ETH, Mürgstrasse 6, 6370 Stans
E-Mail: info(at)nestu.org. Natel: 078 770 23 43
Spendenkonto NeSTU:
Raiffeisenbank Nidwalden, 6370 Stans
IBAN: CH69 8080 8008 0940 4940 2
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Nestu · Mürggasse 6 · Stans 6370 · Switzerland

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