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Liebe Freundinnen und Freunde von NeSTU
Auch in diesem Rundbrief dreht sich fast alles, direkt oder indirekt, um den Krieg in der Ukraine.

Aus dem Inhalt
  • Ankündigungen und Empfehlungen
  • Direkthilfe durch Eure Unterstützung
  • Biruchiy Contemporary Art, ein Erfolgsprojekt mit Unterstützung von NeSTU
  • Gesangsworkshop mit Emil Sokach in Zürich am 18. und 19. März 2023 zur Unterstützung des Kammerchors Cantus 
  • Wie es uns geht
  • In Transkarpatien
  • Verbesserungen an den Aussengrenzen Transkarpatiens
  • Base_UA, eine spontane Hilfsinitiative junger Enthusiasten

Konzerte Taras Tschubaj:
Die ukrainische Rocklegende Taras Tschubaj kommt für zwei Soloauftritte in die Schweiz, NeSTU ist an der Organisation beteiligt:
18. November, 18.30 Atrium GZ Heuried in Zürich, Döltschiweg 130
20. November, 19.00 im Zwinglihaus in Basel, Gundeldingerstr. 370

Drei Empfehlungen für alle, die sich für die Ukraine interessieren:
Der ukrainische Fotograf Oleksandr Glyadyelov hat uns wieder eine Serie seiner aktuellen Arbeiten zu Verfügung gestellt, zu sehen auf unserer Website. Glyadyelov war von August bis Oktober mehrmals in Charkiw und in den östlich der Metropole befreiten Gebieten unterwegs. Die Bilder zeugen vom Unsäglichen, dem er dort begegnet ist. Ein ukrainisches Filmteam realisiert derzeit einen Dokumentarfilm über Glyadyelov, hier ist der Trailer.

Nataliya Gumenyuk ist eine der führenden Publizistinnen der Ukraine und unsere langjährige gute Freundin. Kürzlich wurde in der Zeit (Hamburg) ihr berührender und wie immer tiefgründiger Bericht aus der Stadt Isjum veröffentlicht, hier im PDF-Format zu lesen.

Serhii Plokhy gilt als der fundierteste Historiker der Ukraine, seit 15 Jahren ist er Professor an der Harvard-University. Ulrich M. Schmid bespricht in der NZZ zwei seiner Neuerscheinungen in deutscher Sprache, ein unersätzlicher Beitrag zum Verständnis der Ukraine von heute.
Redaktion des Rundbriefs: Jürgen Kräftner, NeSTU Ukraine. Zu Cantus: Bettina Breiter, Projektteam Cantus.
Eigentlich muss dies ja nicht in Erinnerung gerufen werden. Aber tatsächlich bekommen wir laufend Anfragen auf Unterstützung von unseren Partnerorganisationen im Kriegsgebiet. Die Angels of Salvation schicken uns mehrmals pro Woche detaillierte Berichte von ihrer Arbeit. Zuletzt informierten sie uns darüber, dass sie von mehreren grossen Organisationen und regionalen Firmen nun relativ gut mit Hilfsgütern versorgt werden. Zur Verteilung sind die Fahrzeuge, die NeSTU ihnen zu Verfügung gestellt hat, extrem wichtig. Auf unsere Hilfe sind die Aktivisten allerdings weiterhin angewiesen: Der Unterhalt und der Treibstoff für die Fahrzeuge kosten viel Geld! NeSTU wird die Angels of Salvation also weiterhin unterstützen, es geht jedes Mal um Beträge von 10’000€.
Gerne möchten wir auch die Initiative Base_UA unterstützen. Mehr dazu weiter unten im Text.
Herzlichen Dank für jeden Beitrag! Gemeinsam können wir Menschenleben retten.
Hier ist eine aktuelle Handyvideo der Angels of Salvation. Auf einer Hausfassade steht auf Russisch «Ne lomaj, vsjo ukraly» - Sinngemäss: Einbrechen sinnlos, sie haben schon alles gestohlen
Im vergangenen Juni hat NeSTU das Biruchiy Contemporary Art Project unterstützt, das vom üblichen Austragungsort am Asowschen Meer kriegsbedingt nach Nyzhne Selyshche in Transkarpatien übersiedelt ist. Die damals entstandene Ausstellung mit Werken von mehr als einem dutzend ukrainischer und internationaler Künstler.innen war seither in Warschau und New York zu sehen. Derzeit werden Teile der Ausstellung in Colorado Springs in den USA gezeigt. Die hier abgebildete Statue von Julia Beliaeva aus Vinnytsia ist Teil der Ausstellung.
Der umfangreiche Katalog der Ausstellung kann hier eingesehen werden.

Workshop und Solidarität mit dem Kammerchor Cantus
Im letzten Rundbrief haben wir gelesen, dass die Sängerinnen und Sänger des Kammerchors CANTUS ab Januar 2023 auf einen grossen Teil ihres Einkommens verzichten müssen. Auch ist es zum jetzigen Zeitpunkt mehr als unklar, ob die Geldmittel vorhanden sind, um das Probelokal des Chors im Winter – zumindest während der Proben – zu beheizen. Aber damit nicht genug: Niemand weiss wie die nahe Zukunft in der Ukraine aussehen wird, was jede Planung erschwert, leider auch diejenige der bei uns Schweizerinnen und Schweizern so beliebten Singwoche im Frühling.  
 
Dies alles und die Sorge darüber, dass CANTUS seine wunderschöne und wichtige 30-jährige Arbeit vielleicht schon bald einschränken muss, hat uns dazu veranlasst, den Chor aktiv, finanziell unterstützen zu wollen. Wir sind überzeugt, eine realistische und spannende Möglichkeit gefunden zu haben, benötigen hierzu aber Ihre Unterstützung: Wir organisieren am Sa.18./So.19. März 2023 einen 2-tägigen Workshop in Zürich, der von niemand Geringerem als Emil Sokach geleitet wird. Alle Einnahmen gehen zu Gunsten von CANTUS. Einzig die Raummiete wird abgezogen. Der Mindestbeitrag für diesen Workshop beträgt CHF 250.00, aber Sie bestimmen selbst, wieviel Sie für dieses Erlebnis bezahlen möchten und leisten somit einen aktiven Beitrag zur Unterstützung des Kammerchors. Wir freuen uns auf Ihr zahlreiches Kommen und danken Ihnen bereits heute herzlich. Hier geht es zur Anmeldung.
Organisation: Bettina Breiter, Krisztina Szakács, Ursula Stamm.
Mail: ursula.stamm@gmx.ch

Wie es uns geht
Diese besorgte Frage kommt immer zuerst, wenn wir mit unseren Bekannten in Westeuropa ins Gespräch kommen. Wie kann man darauf antworten, ohne ins Banale abzugleiten? Es gibt immer Menschen, denen es schlechter geht. Hier in Transkarpatien geht es uns grundsätzlich ohnehin blendend, also geht es eigentlich garnicht um uns. Wir haben, zumindest bisher, fast durchgehend Strom, wir geniessen einen schönen, warmen Herbst, das hilft beim Sparen von Heizkosten. Die Schulen funktionieren ebenfalls fast durchgehend, abgesehen davon, dass die Kinder viele Stunden statt im Klassenzimmer im Luftschutzbunker verbringen müssen. Seit Beginn des Schuljahres mussten sie auch Samstags in die Schule, dafür werden die Winterferien auf mindestens einen Monat verlängert, auch hier geht's um Heizkosten.
Ja, natürlich stehen Menschen, die von staatlichen Löhnen oder Renten leben wieder, wie zu früheren Krisenzeiten, vor der Frage, wie sie ohne Geld zu Lebensmitteln kommen und wie sie ihre Gas- und Stromrechnungen bezahlen. Die Sängerinnen und Sänger von Cantus gehören zum Beispiel zu diesem Teil der Bevölkerung; Rentner, alleinstehende Mütter und andere "sozial benachteiligte" Personen gleiten von der Armut in Existenzangst ab.

Der Freudenstaumel aus dem befreiten Cherson hat uns dennoch alle zu Tränen gerührt. Die Hoffnung findet wieder Nahrung. Unsere Freunde aus Kyiv finden an den häufigen Stromausfällen auch Gutes. Sie betreffen alle, und alle leben mit der gleichen Ungewissheit, wann und wo die nächste Rakete einschlägt. Das stärkt das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Diejenigen, die sich erinnern können, verweisen auf die 90er-Jahre, da war zwar kein Krieg, aber Strom, Heizung und Wasser fielen auch aus, und sich zu ernähren war eine Kunst. "Wir haben das damals überlebt, nun stehen wir dies auch noch durch". Hier zitiere ich die britische Publizistin Lily Hyde, die seit Jahrzehnten in Kyiv lebt. Mehrmals wöchentlich veröffentlicht sie auf ihrer Facebook-Seite kleine, berührende Konversationen mit ihren Nachbarn.
Eine repräsentative Umfrage in der ukrainischen Bevölkerung zeugt von einem beinahe verrückt anmutenden Optimismus. 90 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer sind davon überzeugt, dass sie in zehn Jahren in einem prosperierenden, friedlichen Mitgliedsland der EU leben werden.
In Transkarpatien
Schöner Herbst hin oder her, es ist höchste Zeit, sich auf den Winter vorzubereiten. In einem unserer kommenden Rundbriefe werden wir etwas ausführlicher über die verschiedenen Initiativen berichten, um geflüchteten Menschen aus den Kriegsregionen über den Winter eine warme und würdige Bleibe zu bieten. 
Unsere Kolleginnen vom CAMZ sind unermüdlich und eröffnen mit Partnern gleich mehrere Unterkünfte für Geflüchtete, eine davon in Tyachiv mit der Unterstützung von NeSTU und dem Verein Parasolka, eine weitere in Nyzhne Selyshche in Zusammenarbeit mit Longo mai und der Unterstützung mehrerer  Hilfswerke. Einen besonderen Schwerpunkt legen sie dabei auf behinderte Personen. Aber auch die Solidarität in der Bevölkerung muss immer wieder unterstrichen werden. Unzählige Menschen helfen spontan und diskret, sie bieten Geflüchteten günstig oder gratis Unterkunft, teilen Lebensmittel und Kleidung...

Das Jugendgästehaus Sargorigo hat in den ersten Kriegsmonaten dutzende Geflüchtete aufgenommen. Diese konnten im laufe des Sommers in private Unterkünfte weitervermittelt werden. Anschliessend war es höchste Zeit, dem Gebäude ein kleines facelifting zu verleihen und lange geplante (kleine) Umbauten durchzuführen. Dies ist nun abgeschlossen und bald wird das Betreiberteam, verstärkt durch Künstler.innen aus dem Donbas, die Arbeit mit Schwerpunkt auf jugendliche Kriegsflüchtlinge wieder aufzunehmen.
Grenze
Die Grenzlage Transkarpatiens spielt natürlich auch im Krieg eine wichtige Rolle. Durch die Schwierigkeiten im Gütertransport im Schwarzen Meer hat der Lastwagenverkehr an unseren Grenzen massiv zugenommen. Die LKWs warten tagelang in bis über 20km langen Schlangen auf die Ausfahrt nach Rumänien, Ungarn und in die Slowakei.
Damit nichts zu tun haben zwei erfreuliche Meldungen: Schon Anfang Dezember soll eine tägliche Eisenbahnverbindung von Rachiw ins rumänische Valea Viseului eingeführt werden, mit der Perspektive einer durchgehenden Verbindung von Uzhhorod via Teresva nach Sigethu Marmatiei in Rumänien, und dann bei Dilowe wieder zurück auf ukrainisches Gebiet, mit Anschluss an Ivano Frankivsk. Siehe die Illustration der ukrainischen Eisenbahnen oben. Die rot markierten Strecken sind allerdings noch nicht betriebsbereit.
Auch zu Ungarn, genauer im Dreiländereck mit der Ukraine und Rumänien, soll schon in den kommenden Wochen ein weiterer Grenzübergang für PKW und Fussgänger eröffnet werden.
 

Base_UA: Vielschichtige humanitäre Hilfe junger Enthusiasten
Ende Oktober hatten wir Besuch von Anton Yaremchuk (s. Foto oben). Er ist einer der Begründer einer kleinen humanitären Initiative junger Leute, Base_UA. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt im Donbas. Wir haben uns über unseren Freund und Filmemacher Ivan Sautkin kennengelernt. Ivan realisiert derzeit einen Film über Anton und seine Arbeit. Anton ist Ukrainer, geboren in Italien und aufgewachsen in Deutschland. In Berlin hat er Bildregie studiert und auch schon einige Filme realisiert. Seit dem  25.2. ist er in der Ukraine und engagiert sich dort, wo er und seine Freunde es für sinnvoll erachten.
Trotz seines internationalen Backgrounds ist er in der Ukraine gut vernetzt und hat viele Freunde. Daraus entstand base_ua, mit einer Kerngruppe von etwa 15 Personen.

Prioritäre Aktivitäten der Gruppe von base_ua:
Evakuierungen, vor allem aus Gebieten und Orten, in denen andere Organisationen aus Sicherheitsgründen nicht mehr arbeiten. Die Aktivisten nehmen sich dabei häufig viel Zeit, Menschen zur Abreise zu überreden, bevor es endgültig zu spät ist. Die Arbeit ist nicht ungefährlich, ein Rasen mit gepanzerten Fahrzeugen quer durch Artilleriefeuer, daher auch die militärisch anmutende Schutzausrüstung der jungen Leute.
 
Art-Camps für Geflüchtete Teenager in den Karpaten
Im Oktober hat das zweite Lager in Drahobrat stattgefunden. Die Nachfrage ist enorm: Auf eine online-Ankündigung reagierten binnen drei Tagen 500 Eltern und Teenager, bei nur 25 Plätzen. Base_UA möchte daher gerne ein Lager pro Monat durchführen. Hier ist ein Fotobericht (pdf) mit einigen Infos in englischer Sprache.

Humanitäre Hilfe in den seit dem Sommer befreiten Gebieten (Oblast Charkiw)
Je nach freien Kapazitäten machen die Freiwilligen Fahrten von Kramatorsk in die im September von der ukrainischen Armee befreiten Gebiete und verteilen dort dringend benötigte Lebensmittel.

Langfristige Ansiedlungsprojekte für Geflüchtete
Base_UA hat derzeit zwei grössere Unterkunft-Projekte für Geflüchtete in der Ukraine: 
In Oleksandrija, Oblast Kirovohrad (160km westlich von Dnipro) ist eine langfristig benutzbare Unterkunft für 80 Personen geplant. Dafür soll ein leerstehendes Internat einer Berufsschule umgebaut werden. Geschätzte Kosten für 900m2 Wohnfläche: 600’000€. Ausser der Unterkunft denken die Aktivisten auch an Arbeitsplätze. Derzeit klären sie die Bedürfnislage ab. Für dieses Projekt ist Base_UA in Kontakt mit einer kanadischen Stiftung. Unterstützung für Teilbeträge ist willkommen. Wichtig ist, dass die lokalen Behörden sehr positiv zu dem Projekt stehen. Einerseits leidet die Region seit Jahren an Bevölkerungsschwund. Andererseits könnte die Unterkunft, falls die Flüchtlinge irgendwann in ihre Heimat zurückkehren, als Internat für die Berufsschule genutzt werden.
Eine Projektbeschreibung kann bei NeSTU angefordert werden.

Fazit
Wir haben einen sehr guten Eindruck von Anton und der Arbeit von Base_UA. Noch vor Ende des Monats fährt unsere kleine Delegation nach Kramatorsk um die Arbeit von Base_UA mit eigenen Augen zu sehen. Wir denken auch an eine Zusammenarbeit für zukünftige Jugendcamps und deren Durchführung im Jugendgästehaus in Nyzhne Selyshche.

Bedrückend und alarmierend ist der Bericht Antons über das Ausmass der humanitären Probleme im Kriegsgebiet. Sowohl der ukrainische Staat als auch die grossen internationalen Organisationen haben ganz offensichtlich vor der aktuellen Herausforderung kapituliert. Das Rote Kreuz und die UNO sind weitestgehend abwesend. Ärzte ohne Grenzen sind bis auf eine kleine belgische Gruppe ebenfalls verschwunden. Konkrete Unterstützung leisten verhältnismässig kleine lokale, regionale NGOs und kirchliche Organisationen.
Es mangelt krass an brauchbaren Unterkünften für Geflüchtete und an Betreuung in anderen Regionen. Dies führt dazu, dass viele Geflüchtete wieder ins Kriegsgebiet zurückgekehrt sind. Dort erwartet vor allem diejenigen, die in mehrgeschossenigen Wohnhäusern wohnen, ein kalter Winter. Eine Instandsetzung der entsprechenden Infrastruktur ist undenkbar.
In Charkiw werden nun dutzende warme Schutzräume eingerichtet. Ob dies für die Millionenstadt ausreichen wird, das muss bezweifelt werden. In anderen Orten sind bisher keine dementsprechenden Initiativen im Gange. Andererseits scheint genau dies ein Rettungsanker für sehr viele Menschen zu sein, für die eine Flucht nicht Frage kommt.

Ob sich Menschen es erlauben können, zu flüchten, ist eine Frage es sozialen Status, des Wohlstands. Ärmere, kranke oder alleinstehende alte Menschen können sich die Flucht nicht leisten, bzw. einen längeren Aufenthalt fern von der Heimat. Besonders nicht gehfähige Menschen sind häufig von der Flucht ausgeschlossen.
Die Fotos unten stammen aus einem der Jugendlager von Base_UA im Svydovets-Massiv. Diese Kinder haben den Krieg an der eigenen Haut erlebt, mehrere von ihnen haben ihre Väter oder andere Angehörige verloren.
Kontakt zu NeSTU:
Salome Stalder - Martin, Dipl Forst-Ing. ETH, Mürgstrasse 6, 6370 Stans
E-Mail: info(at)nestu.org. Natel: 078 770 23 43
Spendenkonto NeSTU:
Raiffeisenbank Nidwalden, 6370 Stans
IBAN: CH69 8080 8008 0940 4940 2
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