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469  19.12.2022              

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 KOMMENTAR

Holzweg II

Sich im Detail mit den Entscheiden des Ständerats zur BVG-Reform auseinanderzusetzen, bringt wenig. Warten wir ab, ob das Parlament überhaupt eine Reform zustande bringt, und philosophieren wir dann. Aufschlussreicher ist, ein paar Aussagen in der SR-Debatte - und ein bemerkenswerter Vorschlag - unter die Lupe zu nehmen.

Da wären jene von Josef Dittli, FDP, der die Grosszügigkeit seiner Partei in der Herbstsession beweisen wollte, was bekanntlich scheiterte. Man versprach das Blaue vom Himmel, ohne sich um die Kosten zu kümmern. Dieses Mal wollte er es besser machen. Wie argumentiert er? Ziemlich einfach. Er rechnet vor, dass 400'000 Franken Vorsorgekapital bei 6% Umwandlungssatz eine monatliche Rente von 2000 Franken ergeben. «Das ist wenig, sehr wenig», klagt er.

Wer noch weniger hat, erhält auch weniger, systembedingt. Aber das scheint schwer zu akzeptieren, ist nun aber seit Anbeginn so, wie die 2. Säule funktioniert. Seine Folgerung: «Hier gilt es, ein Zeichen zu setzen, hier gilt es anzusetzen.» Da nicht mehr aus dem Sparschwein herauszuholen ist, als drin ist, muss gezaubert werden. Schlagwort: Rentenzuschlag, die Erfindung der Gewerkschaften für den «Sozialpartnerkompromiss». Er findet auch rechts Anklang.

Von Dittli zu Bundesrat Berset. Ein grosser Anhänger des «SoPaKo» resp. der BR-Vorlage. Diese hatte im Parlament nicht den Hauch einer Chance und wurde versenkt. Doch Berset wird nicht müde, dessen angebliche Überlegenheit zu loben und zu preisen. Auf die Modelle des Ständerats ging er gar nicht erst ein. «Ce projet du Conseil fédéral est toujours là». Bloss wo? Richtig, im Rundordner, und keine bundesrätliche Überredungskunst holt ihn da wieder hervor. Also ist es reine Zeitverschwendung, was er betreibt. Ausser man zaubert auch hier. Aber davon später.

Der «Kompromiss» ist nach seiner Meinung so grossartig, weil er allen Neurentnern einen hohen Zuschlag gebracht hätte. Kostenpunkt schätzungsweise 30 Mrd. Auszahlung ab sofort. Sparen während 40 Jahren findet er weniger toll. Die bürgerlichen Parteien neuerdings auch nicht mehr wirklich. Und den Quiet Quitters scheint es überhaupt fern zu liegen.

Statt 100 Prozent der Neurentner zu beglücken, wie der Bundesrat das wollte, beschränkt sich der Ständerat auf weniger als die Hälfte. Zu wenig, für Berset, obwohl nur rund 15 Prozent mit der UWS-Senkung eine Einbusse erleiden. «Si on fait le calcul jusqu'au bout, ce modèle restrictif conduit à une compensation pour seulement environ 35 à 40 pour cent des assurés de la génération transitoire. Ils seront donc quand même une majorité à ne pas en bénéficier. Il faudra leur expliquer pour quelles raisons ils ne vont pas en profiter».

Sollte eigentlich nicht so schwer sein. Man könnte es so probieren: «Der Mindest-Umwandlungssatz sinkt, du spürst nichts davon und bist nicht betroffen, also bekommst du auch keine Kompensation». Wozu auch?
100 – 0 = 100, um es in Zahlen zu formulieren. Aber die Politik gibt sich nicht einmal mit 100 zufrieden und möchte gerne 100 – 0 = 105, obwohl genau gerechnet mehrheitlich 80 richtig wären. Das Ganze grenzt an Zahlenmystik, aber so wird bei der BVG-Reform argumentiert. Und auf der semantischen Ebene spricht man von Kompensation, wo es Ausbau heissen müsste.

Mit der Prozentrechnung ist das auch so eine Sache, vor allem wenn damit der «Kompromiss» gerechtfertigt werden soll. Originalton Berset: «S'agissant du coût global des projets, celui des partenaires sociaux a un coût global sur 10 ans évalué à 30 milliards de francs. Sur 1000 milliards de capitalisation, cela fait environ 3 pour cent. Si le coût global s'élève à 3 pour cent sur 10 ans, pour réussir à faire une réforme qui stabilise tout le système du deuxième pilier et qui nous permette de faire un pas énorme avec un taux de conversion de 6,8 à 6 pour cent, est-ce démesuré sur dix ans?»

Im Nachgang der Pandemie sind 30 Mrd. heutzutage einfach gar nichts, schon gar nicht gemessen an den 1000 Mrd. Vorsorgevermögen. Peanuts, wie man sagt. Bloss handelt es sich um einen groben und für die einzelnen Beitragszahler, Arbeitgeber und -nehmer, nichtssagenden Durchschnitt. Und laufende Kosten auf eine Bestandesgrösse zu beziehen ist unzulässig. Und wie war das mit der Umverteilung, die man reduzieren wollte? Forget it.

Berset warnt vor den Folgen, sollte das Parlament tatsächlich nicht dem Bundesrat resp. dem Gewerkschaftsbund folgen und bei Zuschlägen für «nur» 30 bis 40 Prozent bleiben. «Comment voulez-vous que nous rassemblions une majorité avec cela?»

Berset wüsste schon wie. «Dans ces conditions, il me reste une seule possibilité, c'est de vous demander de laisser les choses aussi ouvertes que possible pour nous donner encore une chance d'améliorer ce projet. Je vous dis franchement qu'il n'y a pas d'autre solution aujourd'hui, si vous voulez donner une chance à ce projet, que de suivre la minorité III (Rechsteiner Paul). Il y aurait alors une immense différence entre le Conseil national et le Conseil des Etats, mais nous aurions peut-être encore une chance de trouver une voie - toujours sinueuse, difficile - pour présenter un projet qui puisse réunir une majorité.»

Rechsteiner, SP, versuchte, das kühne, mit Berset ausgeheckte Vorhaben, dem Ständerat schmackhaft zu machen. Mit Verweis auf die steigenden Zinsen und der aktuell gerade erhöhten Sterblichkeit, insgesamt aber höchst vage argumentierend, meinte Rechsteiner: «Wenn gemäss Antrag des Bundesrates und der Sozialpartner kompensiert worden wäre, dann hätte ich gesagt, dass es hier nun auch keinen Grund gibt, hart zu bleiben. Aber weil das jetzt nicht der Fall ist und dieser Entscheid gefällt wurde, beantrage ich Ihnen, auf die Senkung des Umwandlungssatzes zu verzichten.»

Was Berset und Rechsteiner sich davon versprochen haben (die Idee wurde auch schon auf bürgerlicher Seite gewälzt) ist uns nicht bekannt. Ein Reset der ganzen Revision, ein Weg zurück zum «Kompromiss»?

Der Plan ist – wenig überraschend – gescheitert. Aber auch so hat es der Ständerat fertiggebracht, statt die Mängel der Nationalratsvorlage wo nötig zu beseitigen, dank dem kreativen Ehrgeiz seiner SGK die Reform ins Abseits zu manövrieren. Falls der Nationalrat nicht korrigiert, ist es um sie geschehen. Aber nun geht die Debatte im Wahljahr weiter. Zeit der grossen Versprechen und schlechten Entscheide.

Peter Wirth, E-Mail

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