Was für ein verrücktes Jahr! An Dramatik hat es wahrlich nicht gefehlt. Aber ist es da nicht etwas überheblich, über Schweizer Probleme zu sprechen, verglichen mit dem Kriegselend, das sich in der Ukraine abspielt?
Die Nachwehen zum Mediengesetz
Klar müssen wir uns hier auch mit innerschweizerischen Vorgängen befassen. Etwa wie es weitergeht nach der Mediengesetz-Ablehnung im vergangenen Februar. Wie steht es heute um den «Fortbestand vieler Publikationen und der Medienvielfalt», welche das Gesetz besser hätte verankern wollen? Wie wir wissen, hat die Medienvielfalt auch in diesem Jahr abgenommen. Zwar gibt es vor allem im Online-Bereich einige neue Titel, die dem Trend trotzen. Bajour oder die Berner Hauptstadt sind gegründet worden, um gegen die Pressekonzentration anzutreten. Trotz ermutigendem Start müssen sie, wie auch das Vorzeigeprojekt Republik ihre (bescheidenen) Ziele von ein paar Tausend Abonnentinnen und Abonnenten erreichen und halten. Ohne Anschubfinanzierung geht das nicht. Dabei sind transparente Strukturen von Vorteil und vertrauensbildender als verschachtelte Besitzverhältnisse, wie etwa bei Ostschweiz.ch. Der Handlungsbedarf ist allgemein unbestritten und im Parlament werden Lösungsansätze gesucht. Auch wenn es dabei vordergründig oft um den Service Public geht und die SRG geht, betrifft es doch die gesamte Medienlandschaft.
Konzentration bei den Fach- und Spezialmedien
Auch bei den Fach- und Spezialmedien nahm die Konzentration weiter zu. Das Titelsterben erfolgt dabei nicht ganz so spektakulär wie bei den Grossen, aber zwei prominente Opfer sind zu erwähnen. So musste etwa das hochgelobte Wissenschaftsmagazin Higgs von Beat Glogger den Betrieb Mitte Jahr einstellen. Und auch die profilierte Medienwoche stellt ihre Aktivitäten per Ende Jahr ein. «Ohne Quersubventionierung hat es die Medienwoche nicht geschafft, ausreichend Einnahmen aus dem Werbe- und Lesermarkt zu generieren», schreibt Verleger Thomas Paszti auf der Webseite. Beide Titel waren Beispiele für wertvolle Online-Hintergrundinformation ohne effekthascherische Clickbait-News.
Wie stark sind Fachmedien dem Internet ausgesetzt?
Ist das Modell damit gescheitert – müssen nun auch Fach- und Spezialmedien «spektakulärer» werden? Dabei könnten wir nur verlieren, uns im Internet mit den Grossen zu messen. Reichweite war hier noch nie der Trumpf – vielmehr ist Fachwissen und Vertiefung sowie eine hohe Leserbindung gefragt. Dabei wären die beiden oben erwähnten Titel ein gutes Beispiel dafür, wie Qualität im Netz aussieht. Nur bleibt das ohne Sockelhilfe wirtschaftlich illusorisch und ein frommer Wunsch. Die Gesellschaft wird zwar immer digitaler, aber vertiefte Information hat es schwer, sprich kostet. So listet das Jahrbuch der Medien etwa auf, dass sich die 19- bis 24-Jährigen durchschnittlich noch 7 Minuten News pro Tag zu Gemüte führen. Als Verbreiter von «trockener» Informationen werden auch wir in Zukunft mit solchen Herausforderungen vermehrt konfrontiert sein. Wäre «Infotainment», also die Vermittlung von trockener Information und Unterhaltung, eine Lösung? Wer weiss. «Gäng wie Gäng», wie es eine Berner Sprichwort sagt, geht aber bestimmt auch hier nicht mehr.
Für viele «Aha»- statt «So what?»-Momente
Gut verpackte Relevanz ist also nach wie vor gefragt und bleibt dennoch eine Herausforderung. Die streitbare Politikerin Jacqueline Badran brachte es kürzlich in einem Persönlich-Interview auf den Punkt: «Während ich früher zum Beispiel bei jedem NZZ-Artikel des Raumplanungs- und Verkehrsexperten Paul Schneeberger etwas gelernt, einen «Aha»-Moment hatte, frage ich mich heute nach der Lektüre von Artikeln oftmals «So what?».
Bliebe anzufügen, dass solche redaktionelle «Aha»-Leistungen solide Strukturen benötigen. Mehr denn je. Sonst bleibt uns am Schluss auch nur noch ein schulterzuckendes «So what?». In dem Sinn viel Erfolg im neuen Jahr!
Frohe Festtage und einen guten Rutsch wünscht
Pete Mijnssen
Präsident SFJ-AJS
PS: Unsere Geschäftsstelle bleibt vom 27. Dezember 2022 bis 6. Januar 2023 geschlossen.
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