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Hallo <<Vorname>>
 
Seit Montag bin ich wieder im Gewusel unter der Bundeshauskuppel in der Frühlingssession. Dabei wechseln sich die Themen fast stündlich ab. Sozialpolitisch ist die Bilanz der ersten Sessionswoche gemischt. Zuerst das Positive: Der Nationalrat hat einen wichtigen Schritt für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und für die Gleichstellung gemacht. Der Bund soll sich neu dauerhaft an der KITA-Finanzierung beteiligen. Endlich! Eltern sollen künftig im Schnitt 20% weniger für die familienergänzende Betreuung ihrer Kinder ausgeben müssen. Der Rat anerkennt die familienergänzende Kinderbetreuung endlich als Teil des “Service public”. Unsolidarisch agierten glp, FDP und SVP dagegen im Bereich der AHV: Noch letzten Herbst hatte der Nationalrat eine Vorlage für einen raschen vollen Teuerungsausgleich bei den AHV-Renten eingefordert – um diesen nun wieder zu versenken. Der Ständerat ist dem Nationalrat leider gefolgt, eine raschere Anpassung an die Teuerung ist damit vom Tisch.
  

Sanktions-Chaos. Das eine sagen - und das andere tun. Das gilt bei der FDP bei Sanktionen gegen russische Oligarchen. So hatte sich Thierry Burkart medial zwar glasklar zugunsten griffiger Sanktionen geäussert: «Umgehungen müssen verhindert werden, ansonsten macht es keinen Sinn.» Er nahm auch den zuständigen Bundesrat Guy Parmelin in die Pflicht: «Er muss dafür sorgen, dass das Seco diese Aufgabe ernst nimmt.» (vgl.Tages-Anzeiger). Gestern Donnerstag aber versenkte die bürgerliche Mehrheit im Rat einen Vorstoss der Aussenpolitischen Kommission, der forderte, Schlupflöcher in den Sanktionen gegen russische Oligarchen tatsächlich zu schliessen. Fazit: die Unterstützung der Ukraine endet offenbar nach wie vor beim eigenen Portemonnaie. Enttäuschend, denn es braucht endlich Transparenz über die tatsächlich wirtschaftlichen Berechtigten (was wir GRÜNE mit Vorstössen und mit einem offenen Brief beim Bundesrat wiederholt eingefordert hatten). Mehr zum Thema Ukraine und Neutralität weiter unten hier.

Im weiteren Sessionsverlauf wird auch die Energiepolitik wieder zentrales Thema sein. Erfreulich dabei: Im Rahmen der Diskussionen über den “Mantelerlass” für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien wird auch die Energieeffizienz diskutiert werden – ich freue mich darauf! Denn nach wie vor verschwenden wir zwischen dreissig und vierzig Prozent unseres Stroms sinnlos. Das ist gleich viel wie die Produktion all unserer uralt-AKW. 

Gute Lektüre wünscht
Balthasar Glättli
SWISS GREEN BRIEFING 3.3.2023
Dank dem warmen Winter sind wir um eine Strom- oder Gasmangellage herumgekommen. Aber: Wärme und Trockenheit drohen südlich der Alpen zu einer Jahrhundertdürre zu werden – und die Strommangellage auf nächsten Winter zu verschieben
Das ist passiert? Im Herbst haben wir auf einen eher warmen Winter gehofft, der uns hilft, eine akute Gas- und Strommangellage zu verhindern. Es wurde ein warmer Winter – und ein besonders trockener: Das Schnee- und Lawinenforschungsinstitut (SLF) spricht von “historischer Schneearmut”. Auch Meteoschweiz thematisierte den warmen Winter und bereits wieder die akute Trockenheit, dies insbesondere auf der Alpensüdseite. SRF titelt treffend: “Wasserschloss Schweiz sitzt auf dem Trockenen” - und die Mittelfristprognosen versprechen offenbar keine Besserung.
Warum ist das wichtig? Der bekannte ETH-Klimaforscher Reto Knutti zitiert auf Twitter die SLF-Forscherin Manuela Brunner “Das Schneedefizit von heute ist die Trockenheit im nächsten Sommer und Herbst”. Und da stehen bereits jetzt, Anfang März, alle Alarmzeichen auf Rot: Die Wasserstände von Lago Maggiore und Comersee sind auf Tiefstständen, in der Region des Gardasees spricht man vom trockensten Jahr aller Zeiten. Fallen auch der kommende Frühling und Sommer trocken aus, stehen wir vor einer Jahrhundertdürre. Auch wenn uns der warme Winter kurzfristig geholfen hat: Mittelfristig verheisst die Trockenheit nichts Gutes – weder für die Landwirtschaft noch für die Stromversorgung im nächsten Winter. Klar dabei ist: Die Klimaerhitzung erhöht die Verdunstung, und viele Indizien sprechen dafür, dass sie auch trockene Wetterlagen begünstigt. Unsere Zukunft zu sichern, heisst deshalb, endlich mit aller Entschiedenheit aus den Fossilen auszusteigen. Ganz konkret: Ja stimmen zum Klimaschutzgesetz, Klimafonds für einen Green New Deal unterschreiben und vorwärts machen mit einer Energieeffizienz-Offensive
Warum wir als neutrales Land nicht einfach Waffen an die Ukraine liefern können - aber die Grundsatzfrage über die Zukunft unserer Neutralität führen müssen.
Worum geht’s? In einem Kommentar legt der Zürcher Völkerrechtsprofessor Oliver Diggelmann dar, dass es sich mit der Neutralität ähnlich verhält wie mit dem humanitären Völkerrecht: An dieses sind Aggressor wie Angegriffener gleichermassen gebunden. Beide dürfen zum Beispiel weder Giftgas einsetzen noch die Zivilbevölkerung ins Visier nehmen, und sie müssen Kriegsgefangene menschlich behandeln. Auch die Neutralität ist Teil des Kriegsführungsrechts. Die Schweiz kann also keine Waffen an die Ukraine liefern (oder weiterliefern lassen), ohne sich faktisch vom Kern der Neutralität zu lösen.
Was bedeutet das? Als Reaktion auf den 2. Weltkrieg hat die Uno das Verbot eines Angriffskriegs in die Charta aufgenommen. Wenn der UNO-Sicherheitsrat einen Angriffskrieg feststellt, dann darf auch ein neutrales Land das Opfer unterstützen. Allerdings kann Russland im konkreten Fall als ständiges Mitglied des UNO-Sicherheitsrats die völkerrechtlich wirksame Verurteilung des eigenen Angriffs mit einem Veto torpedieren. Dass ein neutrales Land in dieser Situation die militärischen Äquidistanz zu Aggressor und Opfer beibehalten muss, führt zu zunehmender internationaler Kritik (gegenüber der Schweiz wie auch Österreich). Als Mitglied des Sicherheitsrats muss sich die Schweiz darum umso stärker weiterhin dafür einsetzen, dass ständige Mitglieder des Sicherheitsrats auch zur Verantwortung gezogen und verurteilt werden können. 
Wie geht es weiter? Die Schweiz muss ihren Spielraum im zivilen Bereich nutzen - und handeln. Sie hat eine besondere Verantwortung: als Versteck von Oligarchengeldern und als Rohstoffhandelsplatz, der Putins Kriegskasse füllte und täglich weiter alimentiert. Darum braucht es nicht nur mehr humanitäre Hilfe, sondern auch die effektive Blockierung von Oligarchengeldern, eine Kriegsgewinnsteuer zugunsten des Wiederaufbaus und eine Rohstoffmarktaufsicht. Last but not least müssen wir uns aber auch überlegen, ob uns der Kerngehalt der militärischen Neutralität nicht auch erlaubt, jenen Ländern zu helfen, welche ihre eigene legitime militärische Selbstverteidigungsfähigkeit durch die Weitergabe von Waffen an die Ukraine geschwächt haben. In diesem Sinne äussert sich heute Freitag auch die grüne Sicherheitspolitikerin Marionna Schlatter: «Eine Rückgabe der Leopard-2-Panzer mit einer Garantie, dass sie nicht in ein Kriegsgebiet geliefert werden, ist aus meiner Sicht rechtlich möglich. Wir stellen uns nicht gegen einen solchen Verkauf.»
Was ist mit der Neutralität? Die Schweiz wird nicht darum herumkommen, eine ernsthafte Grundsatzdiskussion zu führen darüber, ob und in welcher Form die Neutralität heute und in Zukunft noch ein sinnvolles Konzept ist. Die Denkfabrik Foraus hat da schon voraus gedacht und sieben Empfehlungen für eine zukunftsfähige Schweizer Neutralität formuliert: Für eine Neutralität, die den Kerngehalt der militärischen Äquidistanz respektiert, eine Neutralität, die aber politisch und wirtschaftlich auf Werten, Kooperation und Solidarität basiert. Eine lesenswerte Diskussionbasis: Für eine Neutralität, die nicht ein Fetisch ist. Vielmehr geht es darum - wie ich einmal in einer Debatte zum Kriegsmaterialgesetz gesagt habe - das Fundament zu stärken, "damit wir Frieden exportieren können, statt Krieg" (hier das Video).
LINKS. 
AUTOBAHN-IRRSINN Als Nachtrag zum Briefing-Beitrag über den geplanten Autobahn-Ausbau-Irrsinn hier der Hinweis auf ein lesenswertes Interview mit Silas Hobi von Umverkehr
ENERGIEEFFIZIENZ Energieeffizienz wird vermehrt zum Thema auch medial, so z.B. im Tages-Anzeiger auch mit Zitaten und Forderungen von mir (leider hinter Abo-Schranke)
AGENDA MÄRZ REMINDER 
Morgen Samstag 4. März in Bern, Schützenmatte, 13:30 Uhr: Landesweite Demonstration gegen den Ukraine-Krieg
AGENDA MÄRZ 6. März, 20:15 Uhr, Polit-Forum Käfigturm, Bern: Im Vorfeld des Internationalen Frauentags am 8. März diskutieren die “Widerspruch”-Autorinnen Zoé Kergomard und Andrea Maihofer über den langen Kampf für das Frauenstimmrecht und den Feminismus in der Schweiz
KLIMAFONDS-INITIATIVE Am 11. März 2023, in der ganzen Schweiz: Zweiter nationaler Sammeltag für die Klimafonds-Initiative – melde auch Du dich an und hilf mit, Unterschriften für diese so zentrale Initiative zu sammeln!
KORRIGENDA Im letzten Briefing hätte es heissen müssen: "In einem interessanten Beitrag zeigt Felix Gnehm, Direktor von Solidar Suisse, auf, dass Umverteilung auch (wissenschaftlich belegt) den Radikalismus verhindert"
"Verhindert", nicht "fördert", wie ich fälschlicherweise schrieb. Sorry!
 
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CC BY-NC Balthasar Glättli SWISS GREEN BRIEFING 2023 
Karikatur Glättli: Eduardo Moreira (edzumoreira)



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